Frank Goyke

Lüneburger Totentanz


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Ich kann mich natürlich nur noch an meinen Großvater Heinrich den vierten und meinen Vater Heinrich den fünften Ritzerow erinnern. Den Judäischen Krieg haben sie gehasst. Es fehlte ihnen die Ritterlichkeit. Zu viel Verrat, zu viele andauernd wechselnde Bündnisse. Ein Ritter hat ein treuer Vasall zu sein, wie man an meinen Vorfahren sieht. Sie haben ihren Lehnsherren Treue geschworen, sind dann aber doch abgesprungen. Wären sie nicht feige gewesen, ich lebte vielleicht nicht.«

      »Mir scheint der Einfall des Spittlers weit hergeholt«, unterbrach Sebastian die Familienbeichte des Ritters. »Die jungen Männer, die sich scheinbar um unseren … um Lüdeke gekümmert haben, trugen Kittel. Ich hielt sie für Bauern. Auch Bauern, die des Lesens kundig sind, interessieren sich nicht für alte Kriege. Im Gegensatz zu Rittern«, fügte er rasch hinzu.

      »Es wird ein Auftraggeber hinter ihnen stecken«, mutmaßte Ritzerow.

      »Das denke ich auch«, stimmte Grüneberg zu.

      »Wir müssen also den Knaben suchen und diese beiden Männer«, sagte Heinrich.

      »Das ist vermutlich einfacher gesagt als getan«, fürchtete Sebastian Vrocklage.

      »Der Junge hatte Bierfässer geladen?« wollte der Ritter wissen.

      »Ja.«

      »Dann muss er sie einem Brauer gestohlen haben und das Gespann womöglich noch dazu.«

      »Oder er ist Lehrbursche bei einem Brauer«, gab Grüneberg zu bedenken. »Der vielleicht seine Finger in der Verschwörung hat.«

      »Warum sollte ein Brauer einen Salzherrn töten lassen?«, fragte Sebastian skeptisch.

      »Das weiß ich nicht. Außerdem müssen wir mit dem Brauer noch nicht den Auftraggeber haben.«

      »Ich finde sie!«, rief der Ritter und sprang plötzlich auf. Die zwei an einem Nebentisch sitzenden Männer, die dem Gespräch gelauscht hatten, wandten ihm nun ihre volle Aufmerksamkeit zu. Was Ritter, Weddeherr und Kaufmann nicht wussten: Sie gehörten zum Gefolge des Herrn von Baerck. Dieser hatte vom Herzog den Befehl erhalten, die Ermittlungen in der Stadt zu beobachten und sich unauffällig an ihnen zu beteiligen. Grund für das herzogliche Engagement war ein Schreiben aus Lübeck; der dortige Rat hatte angefragt, ob sich Lübecker Bürger in Lüneburg noch sicher fühlen könnten. Mit der Reichsstadt verdarb es sich nicht einmal ein Herzog gern, zumal ihm sein Nachbar, Erich V. von Sachsen-Lauenburg, vorführte, wie einträglich es war, mit Lübeck Geschäfte zu machen.

      »Was habt Ihr vor?«, fragte Grüneberg, der Schlimmes ahnte.

      »Ich werde allen Lüneburger Brauern auf den Zahn fühlen.«

      »Dabei werden einigen sicher alle Zähne ausgehen«, meinte Martin.

      »Wenn es notwendig ist.« Der Ritter ließ sich nicht mehr bremsen. Bevor Grüneberg und Vrocklage irgendetwas unternehmen konnten, hatte Heinrich den Gastraum verlassen und war aus der Herberge gestürmt. Zurück ließ er eine Zeche von drei Pfennigen, die Grüneberg entrichtete. Auch die Männer vom Nebentisch bezahlten.

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