Frank Goyke

Lüneburger Totentanz


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habe Geschäfte mit Herrn Stolzfuß«, sagte Gregorius.

      »Ihr seid ein bedeutender Mann«, schmeichelte der Wirt. »Und gewiss werdet Ihr an der Hochzeit teilnehmen.«

      »Allerdings«, sagte Gregorius. »Ich gehöre zwar nicht zu den geladenen Gästen, aber ein solches Ereignis lässt man sich nicht entgehen.«

      2. KAPITEL

      Die Trauung

      Die Lüneburger, die sich vor der Kirche St. Johannis versammelt hatten, bekamen fast den gesamten Rat zu sehen. Die Bürgermeister Hogeherte, Schelleper und Gronehagen erschienen in ihren Festgewändern, und ihnen folgten die regierenden Ratsherren Ludolf Tobing, Johannes von Ollensen, Johannes Schermbeke, Erich Ghise und Heinrich Hoyeman. Auch Johannes Springintgut tauchte auf, Johannes Garlop und Heinrich Lange. Sie alle kamen mit ihren Frauen, die nach der flämischen Mode gekleidet waren und bei den Zuschauern Hochrufe auslösten, aber auch neidische Blicke. Die Hochzeit von Tidemann Stolzfuß und Margarete Grüneberg war ein willkommener Anlass, um zu zeigen, was man hatte.

      Die Zaungäste trugen ebenfalls ihren Sonntagsstaat, und es sah aus, als hätten selbst die Armen, die auf dem Kirchhof zwischen den Gräbern hausten, ihre Lumpen gesäubert. Die Stadtmusikanten spielten auf, dann sah man das Brautpaar. Es kam zu Fuß aus der Straße Am Berge, wo Reyner Stolzfuß ein großes Haus besaß, und begab sich unter dem Beifall aller Anwesenden zur Kirche. Am Kirchtor nahm sie der Pfarrer in Empfang. Die Eltern von Braut und Bräutigam verteilten Geldgeschenke, dann verschwanden auch sie im Gotteshaus. Das Tor wurde geschlossen, doch die festliche Musik drang bis auf den Platz Am Sande, wo sich das Publikum in Geduld übte. Niemand wollte sich entgehen lassen, die Frischvermählten wieder aus der Kirche treten zu sehen.

      Die Stundenglocke von St. Johannis schlug zehn. Alle wussten, nun wurde die Braut von ihrem Vater an den Bräutigam übergeben, und das Paar legte die rechten Hände ineinander. Der Mann steckte seinen Ring nacheinander an drei Finger der Braut, der Geistliche sprach einen Segen. Nun schlug die Viertelstundenglocke oben in dem etwas schiefen Turm der Pfarrkirche. Gewiss hatte Tidemann Stolzfuß die dreizehn Pfennige hinterlegt, die bereits das Salische Gesetz vorschrieb. Viele im Publikum murmelten die Worte, die der Bräutigam zu sprechen hatte: »Mit diesem Ringe heirate ich dich, mit diesem Golde ehre ich dich, mit diesem Schatze beschenke ich dich.« Mancher hatte Tränen in den Augen.

      Die Stundenglocke verkündete die elfte Stunde, die Viertelstundenglocke schlug noch zweimal, dann wurde das Tor geöffnet. Zuerst erschienen die jungen Eheleute und winkten den Lüneburgern, die zurückwinkten, dann kamen Martin und Elisabeth Grüneberg, gefolgt von Reyner Stolzfuß, seiner Frau und Sebastian Vrocklage. Auch Lüdeke Peters verließ die Kirche, am Arm seine Frau und hinter ihm Sohn Piet. Die Ratsherren und Bürgermeister ließen sich blicken, die Kirchenleute, unter ihnen Bruder Anselm, und der Herr von Baerck als Abgesandter des Landesherrn; der Herzog selbst hatte nicht kommen können. In der Hoffnung, noch einmal der Freigebigkeit der Eltern teilhaftig zu werden, umdrängten die Bürger und Einwohner die hohen Herrschaften. Martin Grüneberg und Reyner Stolzfuß griffen bereits nach ihren Geldbörsen. Dann sahen sie den Wagen.

      Es war ein Zweispänner, hoch beladen mit Fässern, den ein Knabe lenkte. Der Knabe trug einen grauen Kittel mit einem Strick als Gürtel und an den Füßen Bastschuhe. Plötzlich erfüllte Geschrei den Platz Am Sande. Offenbar waren dem Knaben die Pferde durchgegangen, denn der Wagen raste mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Hochzeitsgesellschaft zu. Martin Grüneberg griff geistesgegenwärtig nach seiner Tochter und zog sie zur Seite, Tidemann Stolzfuß sprang zwischen die Zuschauer. Der Junge, der den Wagen lenkte, schrie verzweifelt, hilfsbereite Lüneburger versuchten, in die Zügel zu fassen. Kurz vor dem Kirchtor stürzte der Wagen um. Die Fässer rollten über den Platz und brachten manchen Zuschauer zu Fall, alles brüllte durcheinander, und zwei junge Männer beugten sich über Lüdeke Peters, der ebenfalls gestürzt war. Er schien ernsthaft verletzt zu sein, denn eine Blutpfütze breitete sich unter ihm aus.

      Die jungen Männer versuchten, ihn aufzurichten. Auch Martin Grüneberg sprang hinzu. Maria Peters schrie in hohem Diskant, Bruder Anselm kniete sich neben den Verletzten und öffnete ihm das Wams, der Herr von Baerck hatte, warum auch immer, sein Schwert gezogen. Der Junge, der den Unfall verursacht hatte, floh über den Kirchhof nach dem Altenbrücker Tor, die zwei jungen Männer, die seine Flucht beobachteten, setzten ihm nach. Dann erst sah man, was geschehen war.

      In Lüdeke Peters’ Rücken steckte ein Messer.

      Aus dem fröhlichen war ein Trauertag geworden. Man hatte nach dem Ratsmedicus geschickt, der dem Opfer des Anschlags nicht mehr helfen konnte, und auch der Gerichtsvogt hatte sich am Tatort eingefunden. Reyner Stolzfuß erbot sich, die Frauen nach Hause zu geleiten, und sowohl Braut als auch Bräutigam schlossen sich ihm an. Bruder Anselm ging ebenfalls mit, um die Hinterbliebenen zu trösten, während vor der Kirche die gerichtliche Untersuchung begann. Martin Grüneberg, selbst einer der Weddeherren Rostocks und damit für die Gerichtsbarkeit zuständig, unterstützte die Richteherren, so gut er konnte. Viel war nicht zu tun.

      Lüdeke Peters war aus der Menge heraus getötet worden, allerdings konnte wegen des Tohuwabohus nicht mehr festgestellt werden, wer sich in der Nähe des Ermordeten aufgehalten hatte, von seiner Frau und seinem Sohn einmal abgesehen. Im Grunde kamen mehrere hundert Menschen als mögliche Täter in Frage.

      Nicht gefunden wurde der Junge, dem die Pferde durchgegangen waren, und auch die beiden ersten Helfer tauchten nicht wieder auf. Von den Befragten schien sie keiner zu kennen, vermutlich waren es Fremde. Nachdem der Gerichtsvogt seine Büttel ausgeschickt hatte, um alle Gasthöfe zu überprüfen, stellte sich heraus, dass sie in einer Herberge von schlechtem Ruf eine Nacht verbracht hatten. Der Unterschlupf befand sich im Budenviertel an der Bardowicker Mauer, und wer dort abstieg, nannte nicht unbedingt seinen Namen.

      Auch das umgestürzte Fuhrwerk und die Fässer, die es geladen hatte, wurden untersucht. Der Wagen war durch den Unfall beschädigt worden, aber ansonsten fand sich nichts, was darauf hindeutete, dass er präpariert worden war. Die Fässer allerdings waren leer. Nur am Geruch konnte man erkennen, dass in ihnen Bier transportiert worden war.

      Als Martin Grüneberg am Nachmittag in das Haus von Reyner Stolzfuß zurückkehrte, fand er dort nur das Dienstpersonal vor. Maria Peters hatte Schlafmohn genommen und sich zurückgezogen, ihre Schwiegertochter Geseke, Hildegard Stolzfuß und Elisabeth Grüneberg weilten bei ihr und versuchten, ihren Schmerz zu lindern. Margarete betete in der Familienkapelle für das Seelenheil des Verstorbenen, ein Benediktiner des Michaelisklosters leistete ihr Gesellschaft. Er war der Beichtvater der Familie Stolzfuß und hatte sich unmittelbar nach dem Verbrechen eingefunden.

      Margarete mochte nicht mit ihrem Vater sprechen. Sie war zu sehr erschüttert von dem Mord, den sie hatte mit ansehen müssen, und suchte Trost bei Gott. An der Seite des Benediktiners war sie gut aufgehoben.

      Von diesem erfuhr Martin Grüneberg, dass sich die Männer in den Ratsweinkeller begeben hatten. Wein zu trinken und sich aneinander aufzurichten schien im Moment das Einzige zu sein, was man tun konnte, also ließ sich Grüneberg den Weg beschreiben. Er war nicht schwer zu finden. Der Ratsweinkeller befand sich im Rathaus am Markt, Grüneberg musste nur die Straße Am Berge bis zu ihrem nördlichen Ende abschreiten und dann nach links in die Rosenstraße biegen. In der Rosenstraße, so hörte er von dem Mönch, hatte der Lüneburger Henker sein Domizil. Sie war nur kurz, und aus ihr ging die Straße An den Brodbänken hervor, die unmittelbar auf den Markt führte. Der Rostocker Ratsherr brauchte keine zehn Minuten, um den Ratsweinkeller zu erreichen.

      Dort waren alle versammelt, die eigentlich ein Fest hatten feiern wollen und nun unversehens mit einem Todesfall konfrontiert waren: Reyner und Tidemann Stolzfuß, Piet Peters, der Sohn des Ermordeten, und sogar Bruder Anselm. Jeder hatte einen Becher Wein vor sich, und sie nickten bedrückt, als Grüneberg an ihren Tisch trat und Platz nahm. Augenblicklich erhielt auch er vom Gastwirt einen Becher. Reyner Stolzfuß füllte ihn.

      »Was für ein schrecklicher Tag«, meinte der Sülfmeister. »Hat man schon einen Anhaltspunkt?«

      Martin