über die Augen und blickte zu jenem Gipfel empor, der ihr beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Lange stand sie so da und starrte schweigend zu dem Bergriesen hinauf. Jochen unterbrach ihre stumme Betrachtung nicht.
»Dieser Berg bedeutet einen Wendepunkt in meinem Leben«, sagte Corinna schließlich. »Er hätte mir zwar beinahe den Tod gebracht, doch ich weiß jetzt, wohin ich gehöre.« Sie blickte mit strahlenden Augen, in denen all ihre Liebe zu lesen war, zu Jochen empor.
»Wenn es so ist, dann will ich ihm verzeihen, dass er dich mir beinahe genommen hätte«, sagte er mit einem Seitenblick zu dem Dolomitengipfel.
»Ich werde nie mehr ohne dich auf einen Berg steigen«, gelobte Corinna abschließend.
Langsam gingen sie zur Hütte zurück, wo Corinna sich wieder hinlegte. »Morgen geht es mir bestimmt schon so gut, dass wir nach Hause fahren können«, sagte sie.
*
»Tante Isi, Mutti, stimmt es?«, riefen Pünktchen und Nick aufgeregt und liefen Denise nach, die gerade in ihren Wagen steigen wollte, um nach Schoeneich zurückzufahren.
Sie blieb stehen. »Nun beruhigt euch erst einmal und sagt mir, wovon ihr überhaupt sprecht.«
»Von Heidi, Bärbel und Vicky«, erklärte Nick. »Dürfen sie wirklich schon bald wieder mit uns spielen?«
»Vielleicht schon morgen?«, fragte Pünktchen.
»Nein, morgen bestimmt noch nicht«, antwortete Denise lächelnd. »Aber noch in dieser Woche. Unsere drei Patienten sind über dem Berg. Sie haben die Krankheit überstanden.«
»Na, Gott sei Dank«, schnaufte Nick erleichtert, und Pünktkchen stimmte mit ein.
Denise war selbst heilfroh über diese Nachricht. Frau Dr. Frey hatte sie ihr eben erst überbracht. Die Ansteckungsgefahr war gebannt, sodass die Ärztin noch in dieser Woche zu ihrer Familie zurückkehren konnte. Denise fragte sich nur, wie sich diese Nachricht so schnell hatte verbreiten können. Schmunzelnd blickte sie Nick und Pünktchen nach, die in den Park liefen, um die wunderbare Neuigkeit den anderen Kindern mitzuteilen.
Bärbel kauerte währenddessen mit untergeschlagenen Beinen in ihrem Bett und strahlte Vicky an, die auf dem Stuhl neben dem Bett saß. Heidi war am Fußende von Bärbels Bett unter die Decke gekrochen.
»Morgen dürfen wir alle drei aufstehen, und übermorgen dürfen wir schon mit den anderen Kindern spielen«, verkündete Vicky strahlend. Sie hatte die Krankheit am besten überstanden. Nur ein klein wenig schmaler war sie geworden.
Die deutlichsten Spuren hatte die Hirnhautentzündung in Bärbels Gesicht hinterlassen. Sie war sehr schmal geworden, und ihre Wangen waren noch immer blass. Doch aus ihren Augen strahlte schon wieder die alte Lebhaftigkeit. Das war der beste Beweis dafür, dass sie alles gut überstanden hatte. »Vielleicht dürfen wir schon morgen hinaus zum Spielen«, rief sie jetzt erregt aus.
»Nein, morgen noch nicht, hat Frau Dr. Frey gesagt«, belehrte Vicky sie. »Frühestens übermorgen. Aber vielleicht auch erst in drei Tagen.«
»Aber wir haben doch überhaupt kein Fieber mehr«, warf Heidi dazwischen und strampelte unter Bärbels Decke begeistert mit den Füßchen.
»Ist doch egal«, meinte Bärbel. »Hauptsache, wir dürfen in dieser Woche noch raus. Meine Mutti hat auch angerufen, dass sie kommt.«
Das hatte Anja Frey ihr gesagt. Bärbel klatschte vor Begeisterung in die Hände und sprang dann mit einem Satz aus dem Bett, um ein Puzzlespiel zu holen. Sie stülpte den Kasten über der Bettdecke aus. »Wollen wir es alle drei gemeinsam zusammensetzen?«
Heidi und Vicky bejahten und begannen sofort, die zusammengehörenden Stücke zu suchen.
Als Anja leise die Tür öffnete, sah sie, dass die drei Mädchenköpfe zusammengesteckt und ins Spiel vertieft waren. Die drei Kinder beteiligten sich mit Eifer und Begeisterung an der Zusammensetzung des Bildes. Das war der beste Beweis dafür, dass sie die Krankheit überstanden hatten.
Lächelnd schloss Anja wieder die Tür. Sie setzte sich an ihren provisorischen Schreibtisch und vervollständigte die Krankenakten.
Als plötzlich das Durcheinander von vielerlei Kinderstimmen vor dem Fenster des Krankenzimmers erklang, schaute Anja erstaunt hinaus.
Da waren fast alle Kinder von Sophienlust vor dem Fenster versammelt und beglückwünschten die drei zu ihrer baldigen Entlassung.
»Freut ihr euch, dass ihr bald wieder mit uns spielen dürft?«, rief der kleine Fabian zu den Mädchen hinauf.
»Und wie«, bestätigten Heidi und Vicky gleichzeitig. Bärbel dachte einen Moment lang an ihre Mutti. Wann würde sie wohl zurückkommen? Doch dann freute sie sich mit den anderen auf die gemeinsamen Spiele und auf die Ausflüge zum Tierheim oder zu dem See, in dem man baden konnte.
»Wisst ihr was?«, rief Nick begeistert. »An dem Tag, an dem ihr heraus dürft, unternehmen wir alle gemeinsam einen Ritt auf den Pferden und Ponys.« Er war und blieb eben ein Pferdenarr.
Die Kinder nahmen den Vorschlag begeistert auf und redeten auf einmal alle gleichzeitig.
Anja wollte schon das Fenster öffnen und den Kindern klarmachen, dass ein Ausritt wohl doch noch etwas zu anstrengend für die drei Patientinnen sein würde, als Angelika sich einmischte. »Dürft ihr das denn?«, fragte sie Vicky. »Ich meine, so ein Ritt ist doch eine anstrengende Sache.«
Pünktchen wandte sich zu Nick um. Der schlug sich vor den Kopf. »Natürlich«, rief er schuldbewusst aus. »Dass ich daran nicht gedacht habe. Aber ich weiß etwas Besseres. Wir veranstalten euch zu Ehren eine Kaffeeparty.«
Nick hatte eigentlich sagen wollen »unserer geliebten Frau Doktor zu Ehren«, und Pünktchen erriet seine Gedanken. Sie holte das Versäumte für ihn nach. Während die anderen Kinder schon wieder vor Begeisterung tobten, machte sie ihnen lautstark klar, dass die Ehre und der Dank der geliebten Frau Doktor gebührten, weil sie die drei Mädchen gesund gemacht hatte.
Pünktchen hatte alles so schön und gekonnt gesagt, dass Nick sie einen Moment lang sprachlos anstarrte. »Ich wusste gar nicht, dass du solches Talent zum Reden hast«, staunte er kopfschüttelnd.
Pünktchen wurde über und über rot, was ihr bei einem Lob von Nick immer passierte.
»Na ja«, meinte sie und zuckte mit den Schultern, »irgendjemand musste es doch sagen. Schließlich hat sie verdient, dass wir sie feiern. Stellt euch doch bloß mal vor, sie war gesund und hat trotzdem die ganze Zeit da drin sitzen müssen.«
Die anderen Kinder hörten mit großen Augen zu, als Pünktchen ihnen in einfachen Worten klar machte, welche Leistung Anja Frey vollbracht hatte.
Anja selbst hörte hinter dem Fenster jedes Wort mit. Vor Rührung wurden ihr die Augen feucht.
»Wie sieht denn so eine Kaffeeparty aus, Nick?«, wollte Fabian nun wissen.
Nick hatte bereits ganz genaue Vorstellungen. Er schaute in den Himmel hinauf. »Das Wetter bleibt wahrscheinlich schön. Da können wir Tante Ma bitten, uns ein paar Tische in den Park zu stellen. Ich werde Magda persönlich bitten, uns ein paar leckere Torten zu backen.«
»Was für Torten wird sie denn backen?«, fragte Vicky, die gern aß und nun einige ihrer Pfunde verloren hatte.
»Alles«, versprach Nick mit einer weit ausholenden Geste. Pünktchen bedachte ihn dafür mit einem zweifelnden Blick. Doch der Junge ließ sich nicht beirren. Er zählte auf: »Schokoladentorte, Sahnetorte und vielleicht noch Obsttorte. Ist das in Ordnung?«
Die Kinder bestätigten es mit einem lauten Toben und Schreien, sodass Frau Rennert schließlich kam, um nachzusehen, was da los sei.
Da ergriff Nick die Gelegenheit beim Schopfe und brachte sein Anliegen sogleich vor.
Angesichts der großen Begeisterung und bei einem so edlen Beweggrund konnte Frau Rennert nicht nein sagen. Sie versprach, die Kaffeeparty, wie die Kinder das kleine Fest getauft hatten,