sind gleich weitergeschickt worden.«
Sie packten ihren Untersuchungskoffer in die Wippe. Auf dem Weg zur Galerie berichtete der Inselpolizist, was es an Erkenntnissen gab. »Wir haben den Fundort so weit wie möglich unberührt gelassen. Wenn ihr fertig seid, veranlasse ich, dass der Leichnam ans Festland kommt.«
»Gut, dann man los.« Martin Brinkmann zog seine Jacke aus. »Ganz schön warm hier. Auf Norderney war es kälter.«
»Übernachtet ihr hier? Dann muss ich ein Zimmer besorgen.« Röder überlegte, ob sie auf dem Weg zum Einsatzort beim Hotel Sonnenstrand anhalten sollten. Henning und Birgit Ahlers machten es immer möglich, für Einsatzkräfte der Polizei einen Raum zur Verfügung zu stellen. Und das seit – er überlegte – seit 14 Jahren. Auch den Klubraum überließen sie der Polizei, wenn er nicht durch Bridgespieler oder andere Vereine belegt war. Dort war einfach mehr Platz als auf der kleinen Wache.
»Wir gehen erst einmal nicht davon aus. Wir haben in Aurich jede Menge zu tun und möchten nach Inaugenscheinnahme gerne wieder ans Festland fliegen«, sagte Martin.
»Schade, sonst könntet ihr meinen Tanzkurs übernehmen.« Michael Röder erzählte den beiden, was es damit auf sich hatte. Dass die ganze Woche unter dem Motto »70er« lief.
Lars lachte. »Nichts lieber als das. Tausche Mord gegen Musik. Kein schlechter Gedanke.«
»Ihr könnt es euch überlegen«, schlug der Inselpolizist vor, »aber erst einmal müsst ihr eure Arbeit erledigen. Wir sind da.« Er öffnete die Haustür, und gleich darauf stand Meta Paulsen vor ihnen. Diesmal ohne Tracht.
»Kommt rein«, sagte sie nur.
»Schlage vor, ihr schaut euch zunächst im Laden und im Büro um, damit wir den Toten wegbringen können. Dann steht das Zimmer des Mannes an.« Röder ging voraus und machte Martin Brinkmann und Lars Haltegrund mit Daniel Gebert bekannt. Die beiden Männer vom Kriminaldauerdienst begannen mit der Arbeit. Die Lage des Toten, jede offene Schublade und alles, was sie auf dem Schreibtisch fanden, wurden peinlich genau abgelichtet und archiviert. Sie tüteten den Böller ein, nahmen Fingerabdrücke und verstauten alles in ihrer großen Kiste. Dann nickte Martin Brinkmann den Baltrumer Kollegen zu. »Hier wären wir soweit. Veranlasst ihr den Abtransport? Wir gehen dann schon einmal nach oben.«
»Alles klar«, sagte Röder. »Daniel, nimmst du Kontakt mit der Ärztin und Axel Meinders, dem Feuerwehrchef, auf? Wenn zeitnah eine Fähre geht, kann der Tote damit ans Festland gebracht werden, ansonsten muss der Hubschrauber her.«
»Wird erledigt.«
Die drei Männer ließen sich von Meta Paulsen das Quartier des Künstlers zeigen, baten sie jedoch, es nicht zu betreten, bevor sie es gründlich untersucht hatten. Der Raum war nicht groß und sehr gemütlich eingerichtet. Es herrschte Ordnung. Zumindest konnte Brinkmann nicht ein persönliches Teil entdecken, das wahllos herumlag. Das Bett war gemacht, als ob nie jemand darin geschlafen hätte. Er öffnete den Kleiderschrank. Drei Unterhemden und drei Unterhosen lagen gefaltet auf dem Regalbrett, daneben ein Schlafanzug. Zwei Hosen hingen nebeneinander, darunter standen Schuhe wie mit dem Lineal gezogen in einer Reihe. Alles war unauffällig, wenn nicht eine schwarze Ledermappe hinter der Wäsche Brinkmanns Aufmerksamkeit erregt hätte. Er nahm sie, öffnete den Reißverschluss und pfiff leise. »Was haben wir denn da?«
Haltegrund schaute ihm neugierig über die Schulter. Brinkmann zog einen Zeitungsartikel nach dem anderen heraus. Es waren alles Berichte über Wurzellage. Eine Überschrift lautete: Knöllchen-Peter in Aktion. »Na, der hat sich zu Hause in Brake keine Freunde gemacht.« Er wandte sich an Meta. »Haben Sie das gewusst? Hat er Ihnen gegenüber von seiner Mission erzählt?«
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Nein. Hat er nicht.«
Der Schrank war leer. Er hob die Bettdecke an, aber hier fand er nur einen sorgsam zusammengelegten Schlafanzug. Lars Haltegrund durchsuchte derweil die Taschen einer Jacke, die an einem Haken an der Tür hing. Er fand eine Geldbörse mit ein paar Scheinen, mehr nicht. Auch im Badezimmer gleich gegenüber war alles aufgeräumt. Eine Zahnbürste stand in einem blauen Becher, der Rest befand sich, sorgsam verstaut, in einer dunkelblauen Kulturtasche.
»Bettwäsche und Handtücher habe ich ihm zur Verfügung gestellt. Was soll ich mit seinen Sachen machen? Kann ich sie zusammenpacken und irgendwo deponieren, bis wir wissen, ob er Familie hat? Was ist mit den Bildern? Kann ich sie verkaufen, oder soll ich die auch für die Angehörigen aufbewahren? Wer holt sie ab? Der nächste Künstler kommt erst in drei Wochen, aber bis dahin …«
»Meta, beruhige dich«, warf Röder ein, »wir werden alles besprechen, wenn wir Wurzellage weggebracht haben und der Kriminaldauerdienst hier fertig ist. Versprochen.«
7
Sigmar knallte die Reisetasche auf den Tisch. Wo war seine Lesebrille? Er war sich sicher, dass er sie eingesteckt hatte.
»Geht es auch ein wenig leiser?«, brummte Ulf vom Bett her.
»Geht es nicht«, erwiderte Sigmar. »Denn wenn man wütend ist, und das bin ich, schmeißt man schon einmal mit Dingen um sich. Mich treibt nämlich eine Frage um – was sollte eigentlich dieser dämliche Spruch bei der Polizei?«
Ulf richtete sich auf. »Welcher Spruch?«
»Das weißt du genau. Nämlich der, dass ich unbedingt auf die Insel wollte. So, als ob ich den Termin, an dem ich den Künstler hier finde, genau ermittelt hätte. Nur um ihn dann um die Ecke zu bringen. Wie bekloppt ist das denn?«
»Hast du nicht?«
Sigmar glaubte, sich gerade verhört zu haben. Meinte sein Mann das wirklich ernst?
Ulf schob seine Beine aus dem Bett. »Schließlich hast du darauf bestanden, genau jetzt die Insel zu besuchen, obwohl du genau wusstest, dass mir die nächste Woche beruflich viel besser gepasst hätte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und wenn ich mich erinnere, wie du daheim auf Wurzellage geschimpft hast, bleiben so manche Überlegungen einfach nicht aus.«
Sigmar ließ sich in den Sessel plumpsen, der energisch unter seinem Gewicht knarrte. Was war mit Ulf los? Sie waren seit fünf Jahren verheiratet, kannten sich seit zehn Jahren und hatten einander immer vertraut. So zumindest hatte er es wahrgenommen. Und jetzt? Jetzt traute Ulf ihm einen Mord zu? Das durfte nicht wahr sein.
Was sollte er antworten? Wie die Lage erklären? Es war doch ganz einfach. Das Jahr 1977 war auferstanden. Genau in dieser Woche. Das war es, was ihn hergelockt hatte, und er hatte sich sehr gewünscht, dass Ulf ebenfalls seine Liebe für die Insel fand. Er zumindest hatte sie trotz allem, was sich heute ereignet hatte, wiederentdeckt. Beziehungsweise, sie war nie weggewesen. Nein, er musste sich nicht rechtfertigen. Aber er wollte es wissen. »Ulf, bist du der Meinung, dass ich Wurzellage getötet habe? Dann sag es mir.«
Ulf zögerte. »Ich habe dich bei dem Toten gefunden, deine Hände an seinem Kopf. Du hast ihn gehasst. Sage mir, was ich denken soll! Sage es mir!« Ulf nahm eine Weste aus dem Schrank, zog sie über und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.
Verdammt, er hatte bei der Polizei in Ulfs Gegenwart genau erklärt, was vorgefallen war. Dass Wurzellage im Bürostuhl gesessen hatte und dann heruntergerutscht war. Warum glaubte ihm denn keiner? Wenn es gegangen wäre, wäre Sigmar noch ein Stück in sich zusammengesunken. Was für ein Tag. Auch die beiden Polizisten hatten bei ihm nicht den Eindruck hinterlassen, dass er verdachtsmäßig aus der Schusslinie war. Im Gegenteil, sie hatten Ulf und ihn eindringlich gebeten, die Insel nicht zu verlassen. Zur Klärung anfallender Fragen, wie der jüngere der beiden erwähnte. Wie hieß er noch? Gebrecht? Nein, Gebert. Auch egal. Er, Sigmar, hatte versprochen zu bleiben. Auch deswegen, weil er sich die Woche einfach nicht kaputt machen lassen wollte. Er war gespannt, ob Ulf zu seinem Wort stand. Also was lag an? Zunächst einmal verspürte er Appetit. Dann wartete der Film beim Heimatverein. Er drückte sich aus dem schmalen Sessel und prüfte, ob er seine Geldbörse dabeihatte. Auf dem Tisch lag der Schlüssel. Bisher hatten sie das Zimmer abgeschlossen, wenn sie rausgegangen waren. Aber nun? Ulf war unterwegs, und sie hatten keinen Zweitschlüssel. Ob Frau Flegel aushelfen konnte? Er verließ