Dinesh Bauer

Bayerische Hinterhand


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die Klampfen kreischen lassen, Sweet Home, TNT, weißt schon.«

      Sonnleitner legte eilig nach. »Das musst du dir mal geben, da wird vor deinen Augen ein alter Freund erschossen, da wärst du auch auf Hundert!«

      Pföderl biss auf Granit. Sollte er nachbohren, dem »Verhör« eine andere Richtung geben? »Jetzt druckst nicht herum, als ob ihr vor versammelter Klasse die ›Glocke‹ von Schiller auswendig aufsagen sollt.« Pföderl suchte den Blick Sonnleitners, der mehr zu verlieren hatte als sein Spezl, der auf der Gehaltsliste einer privaten Security-Firma stand.

      Rabensteiner raunzte angefressen. »Wir haben nix gesehen, wir wissen ned, wer auf den Ehgartner geschossen hat, was hätten wir also aussagen sollen?«

      »Beim Schafkopfen musst mitdenken, mitzählen. Da bist du total fokussiert und nimmst deine Umgebung nur schemenhaft wahr – auf einmal macht’s bumm und den Ehgartner haut’s um!«

      So kam er nicht weiter – er würde seine Taktik ändern und von der Flanke her attackieren. »Wie war der Ehgartner drauf? War er irgendwie aufgeregt, angespannt oder hat er einen verängstigten Eindruck gemacht?«

      Sonnleitner winkte ab. »Im Gegenteil, die Sudsau war super drauf. Drei Solo, zwei Wenz, alle einwandfrei. Der hat uns über den Tisch und das Geld nur so aus der Tasche gezogen. Ich war gewiss schon an Dreißiger in den Miesen, dann hat er ein Herz Solo angesagt.«

      Rabensteiner fuhrwerkte mit seinen Pranken herum. »Lauter Luschen, aber das Solo hätt’ er verlieren können. Der Tiroler hatte ein Eins-a-Blattl auf der Hand.«

      Pföderl war Bayer, ein geduldig abwartender Ermittler, aber er ließ sich ungern für dumm verkaufen. »Ein Wort noch über Eichel Ober und Gras Sau, dann sehen wir uns morgen früh bei mir im Büro in Rosenheim. Also, ist euch an ihm etwas aufgefallen? Hat er etwas erzählt – über diesen Tiroler zum Beispiel?«

      Rabensteiner wuchtete sich von der Bierbank hoch. »Sorry Leut’, i muaß dringend aufs Häusl. Sepp, wia schaut’s aus, geht no’ a Hoibe?« Sonnleitner hob den Daumen und Vitus Rabensteiner stakste im Stelzenschritt zum Dixi-Toilettenhäuschen.

      »So, jetzt sind wir unter uns, Sepp. Gab’s da was, was dir sonderbar vorgekommen ist?«

      Sonnleitner glotzte ihn aus seinen Albinoäuglein an. »Gesoffen hat er wie ein Loch. Ein Helles nach dem anderen.« Sonnleitner versuchte vergeblich, die Pose des tiefsinnigen Denkers einzunehmen. »Der Erwin war schon allerweil ein Wichtigtuer. An dem Abend hat er hinausposaunt, dass er die Bräuberger Brauerei zur Premiummarke pushen werde. Wie der Pascha ist er da gehockt und hat von der geplanten Imagekampagne erzählt. Parallel dazu würden sie in Tirol ein engmaschiges Vertriebsnetz aufbauen – und dafür sorgen, dass die Getränke-Discounter das Export Hell und das Hefe-Weizen Spezial ins Sortiment aufnehmen.«

      »Und wie hat sein Spezl auf die hochfliegenden Pläne reagiert?«, erkundigte sich Pföderl.

      »Gar ned, der Typ kam ja ein bisserl später – und hat in seinen Bart genuschelt, dass er mit Bergbahn- und Liftbetreibern verhandeln tät’. Unter dem Motto ›Bräuberger ist Spitze‹ sollte das Bayern-Bier bei den Ösis einschlagen wie die Schartner Bombe.«

      Der Kriminalkommissar nahm die Steilvorlage dankend an. »Top of Tirol, oder wie? Hast ihm diese Liftstüberl-Nummer abgenommen?«

      »Ah geh, nix wie heiße Luft. Aber was geht’s mich an, was die beiden treiben? Der Ehgartner war noch nie der bescheidene Hackler im Weinberg des Herrn.« Sonnleitner blinzelte, als ob er sich eine Träne verdrücken müsste.

      Eine durchaus ansprechende schauspielerische Leistung, einen Tick zu theatralisch vielleicht, befand Pföderl. »Und was hast du dir gedacht?«

      »Im Prinzip war der Erwin ein Pfundskerl – aber in letzter Zeit hat er es mit der Gschaftlhuberei übertrieben. Vor einem Dreivierteljahr haben s’ ihn mit dem Sanka in die Klinik eingeliefert. Verschluss der linken Herzarterie, hat es geheißen. Aber er wollt’ partout ned kürzertreten! Stattdessen macht er Wahlkampf für die Patrioten-Front, der alte Depp!«

      Pföderl war überrascht – er hatte nicht geahnt, dass Ehgartner ein schwer kranker Mann gewesen war. »Bei der Obduktion werden wir Genaueres über den Zustand von Herz, Lunge, Leber und Nieren erfahren.«

      Sonnleitner übte sich in Galgenhumor. »Frage: Wenn einer eh schon auf der Abschussrampe steht, wieso noch ein Risiko eingehen und ihn umlegen?«

      Pföderl krakelte ein paar Stichpunkte in seinen Notizblock: »Zustand der inneren Organe« – »Ehgartners Krankenakten einsehen« – »Wer wusste von der Herz-OP?« Barthl setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf: »Das werden wir herausfinden. Hatte Ehgartner berufliche oder private Probleme?« Er blickte auf und sah Rabensteiner neben Sonnleitner stehen.

      »Probleme?« Vitus Rabensteiner wieherte wie ein Hengst, der eine brunftige Stute erspähte – und knallte zwei Flaschen Bräuberger Ägidius-Trunk auf den Biertisch. »Das wäre etwas untertrieben, tät ich sagen. Sein Privatleben, ein einziges Desaster. Er hat ja unbedingt diese Liana oder Liora, wie das geldgierige Weiberts geheißen hat, heiraten müssen. Diese rumänische Schnalle hat ihn ausgenommen wie eine Kirchweihgans. Und dann wollt s’ ihm auch noch ein Kuckuckskind anhängen – das nicht von ihm war.«

      Sonnleitner hielt es offenbar für taktlos, die familiären Verhältnisse Ehgartners in aller Ausführlichkeit zu sezieren, doch auch er merkte in süffisantem Ton an: »Die Scheidung war nicht billig, dieses Drecksluder hat ihn richtig bluten lassen.«

      Rabensteiner neigte gedankenschwer sein Haupt und schien mit sich zu ringen, ob er noch mehr »Intimitäten« preisgeben sollte. »Dazu die Geschichte mit der gspinnerten Hex’, der Schönhuberin.«

      »Dieses Flintenweib hat ihn doch zur Kandidatur gedrängt«, ereiferte sich Sonnleitner.

      Der Kommissar machte sich erneut stichpunktartige Notizen. »Schönhuber« – »politisches Engagement« – »Kandidatur«. »Und im Job, wie ist es da gelaufen?«, erkundigte sich Pföderl.

      »Da hat ois gepasst. Von Bierflaute keine Spur. Der Absatz ist stetig gestiegen, die Brauerei hat in neue Sudkessel, Edelstahltanks und Abfüllanlagen investiert. Da ist er als Geschäftsführer fest im Sessel gesessen, aber der Stress war enorm.« Sonnleitner zog ein nüchternes Fazit. »Der Erwin hat sich überhoben. Die Politik, der Wahlkampf, die ganzen Anschuldigungen und Anfeindungen haben ihm das Genick gebrochen. Er wollte einfach immer mehr – und am besten alles auf einmal.«

      Rabensteiner orakelte: »Wer den Hals nicht vollkriegt, dem wird irgendwann das Maul gestopft.«

      Pföderl merkte kurz und lapidar an: »Zu viele Jäger sind des Hasen Tod!« Und unter den Jägern würde der Mörder zu finden sein.

      Wie er es im Seminar »Praktische Verhörtechnik« gelernt hatte, sondierte er geduldig alle möglichen Spuren. »Wollte er sich hernach noch mit jemandem treffen?«

      Eine tiefe Zornesröte entflammte Rabensteiners Wangen. »Was soll diese depperte Fragerei, Pföderl? Wen hätte er denn treffen sollen? Den Padrone von der Inntaler Mafia oder seinen Führungsbeamten vom BfV?«

      Sonnleitner hob beschwichtigend die Arme: »Du musst das fragen, o. k.! Aber der Ehgartner war sturzbesoffen, er hat noch nicht einmal die Arschbacken der Trachten-Trutschen betatscht.«

      »Und das will was heißen«, scherzte Rabensteiner.

      Pföderl wurde das komische Gefühl nicht los, dass ihn diese Bauernbazi wie einen Ochsen am Nasenring herumführten. Das Gespräch hatte sich bislang ausschließlich um das Opfer, aber nicht um den mutmaßlich an der Tat beteiligten flüchtigen Tiroler gedreht. »Was wisst ihr über seinen Geschäftspartner? Was hat der hier gewollt?«

      Sonnleitner hebelte den Kronkorken aus der Flasche. »Mei, den haben wir noch nie hier gesehen. Getränke-Tandler aus Hall, glaub ich zumindest. Ein ziemlicher Unsympath, wenn du mich frägst.«

      Rabensteiner schlug seine schwarze Erdmann-Jacke mit der Aufschrift »IS-Security« zurück, darunter kam ein Pistolenhalfter zum Vorschein. »Ein eingebildetes