Joanne Foucher

Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken


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zwischen der Mütternacht am 24. Dezember und der Perchtnacht vom 5. auf den 6. Januar) sind ihre heilige Zeit, mit besonderer Betonung der Mütternacht und der Perchtnacht (Hollenacht in Norddeutschland).

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      Ruhig und geheimnisvoll liegt das Megalithgrab von Stöckheim (Sachsen-Anhalt) in den Rauhnächten in der grau-silbernen Landschaft der Alten Winterfrau (fotografiert bei Sonnenuntergang Silvester 2008).

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       Die eisige Berührung der Winterfrau

      Zur Wintersonnenwende feiern wir die Wiedergeburt des Lichts aus der tiefsten Dunkelheit. Der kürzeste Tag und die längste Nacht sind heute erst der Beginn des Winters, und es liegen noch lange, sehr kalte Monate vor uns. Doch jeden Tag ist es von nun an wieder einige Minuten länger hell. Wir schmücken unser Heim mit immergrünen Zweigen und roten Beeren, der Farbe des Lebensblutes der Göttin, die uns daran erinnern, dass aus dem Tod das Leben entsteht.

       Perchta

      Perchta ist die Königin des Himmels, die über Wolken und Wind gebietet. Manchmal wird sie Berchta, Bertha oder die Percht genannt. Ihr Name bedeutet die Glänzende, Leuchtende, und auch die Perchtnacht wird manchmal die glänzende Nacht genannt. Auf dem Jahresrad ist dies nun die Zeit des Winterschlafes. Perchta verkörpert die Stille, den Zeitpunkt, in dem nichts geschieht; wenn wir nichts tun müssen, nur sein dürfen. Perchtas Zeit ist die Mitternacht, wenn der alte Tag vergangen und der neue noch nicht begonnen hat. Der Zeitpunkt zwischen zwei Leben, vor der nächsten Inkarnation. Sie ist das leuchtende Mysterium der Sterne am Nachthimmel, das wir ahnen aber nie ganz begreifen können. Ihr Sternbild ist die Corona Borealis, ihre Krone des Nordens.

      Sie ist auch die Anführerin der Wilden Jagd: In den Rauhnächten reitet sie einem Zug wilder Gestalten voran, die mit Rasseln, Schreien, Heulen und Johlen über den Nachthimmel ziehen. Wenn Winterstürme in die kahlen Baumkronen fahren, ist Perchta in diesem Wilden Heer das stille Zentrum des Sturms. Einerseits ist dies eine Beschreibung der Kraft der Natur, die sich in wilden Winterstürmen in dunklen Nächten entlädt, andererseits wussten die Menschen früher durchaus um die wohlmeinende Kraft der Göttin darin. Bei Jacob Grimm heißt es: »Fruchtbar wird das jahr, wenn es in den zwölften durch die luft rauscht.«15 Diese wilde Fahrt bringt Segen, und wer die Percht sieht, wirft sich nieder, um der Göttin Ehre zu erweisen.

      In manchen Geschichten wird das Wilde Heer vom Wilden Jäger angeführt, der mit seinen Gefährten in den Rauhnächten vor Sehnsucht nach der Lichtfrau, also nach der Glänzenden Perchta, die Erde durchsucht.16

      Als Todesgöttin hat Perchta einen Gänse- oder Schwanenfuß. Der Schwan ist ein Tier, das nicht nur zwischen den Welten reisen kann, sondern auch zwischen Diesseits und Jenseits.17

       Ana

       Die Todesgöttin

      Ana ist einer der ältesten Namen der Großen Göttin überhaupt. Ihr Name bedeutet Luft. Wo die Greisin die Todesbotin ist, ist Ana der Tod selbst. In der Wilden Jagd fahren die Seelen durch die Luft, kehren zur Göttin zurück. Ana hält die Seelen und die Gebeine unserer Verstorbenen, und sie ist es, die uns die Verbindung mit unseren Ahnen ermöglicht, uneingeschränkt weit in die Vergangenheit zurück. Nach Marija Gimbutas stellten sich die vor-indoeuropäischen Völker Mittel- und Südosteuropas die Todesgöttin als steife, weiße Dame vor, vermutlich in Anlehnung an die weiße Farbe ausgebleichter Knochen – und in zahlreichen Gräbern finden sich weiße Göttinfigurinen.18 Regine Leisner nennt die Todesgöttin daher in ihrem Roman »Die Rabenfrau«19 die bleiche Ana, ein wunderbarer, bewegender Titel, der bei jedem von uns sofort mit Erkennen, Verstehen und Erinnerung widerhallt. Ana nimmt die Verstorbenen in sich auf, in ihrem »träumenden Bauch« sind sie gehalten und bereiten sich auf die nächste Inkarnation vor.

      Ana ist auch die Knochenfrau, die Skelettfrau, die den Kern der Dinge enthüllt. Alles Fleisch ist von den Knochen abgelöst. Im Winter, wenn die Bäume ihr Laub verloren haben, wird ihr Skelett, die Form ihrer Äste und Zweige, sichtbar. Der Blick ist klar: Alles was Äußerlichkeit war, was vom Wesentlichen abgelenkt hat, ist fort.

      Ana bringt uns den Segen unserer Vorfahren; wie ein Flüstern im Wind können wir ihre Stimmen, ihre Ratschläge hören, die uns die Kraft und den Mut und die Anleitung geben, um unsere Visionen zu verwirklichen.

       Luft

       Das Element der Spiritualität und der Vision

      Luft symbolisiert unsere spirituelle Natur. Luft verbindet uns miteinander, wir alle atmen dieselbe Luft. Wir können uns mit der Mutter der Luft durch unsere Atmung und durch Klang verbinden. Alles, was existiert, beginnt als Idee – irgendwo im Energiefeld der Göttin. Gesang ist die magische Kraft der Göttin, durch Gesang wird die Idee manifestiert. Durch Klang und Gesang ist die Welt entstanden und durch sie bleibt sie am Leben. Diese Vorstellung ist nicht fremd, sondern war elementarer Teil der nordischen und germanischen Weltsicht.20

      Heilzeremonien sind immer von Gesang und Musik begleitet, denn Musik und Gesang sind schöpferisch, und in der Heilzeremonie wird gleichsam der Moment der Schöpfung wiederholt, und es ist die Schöpfungskraft des Gesangs, die wirkt. Tod und Schöpfung durch Gesang liegen somit beide bei der Mutter der Luft. Aus dem Tod entsteht das Leben.21

      Die Namen der Göttin zu tönen und zu singen ist eine kraftvolle Weise, sich mit der Göttin zu verbinden, laut gesprochene Gebete sind eine weitere. Weit verbreitet ist der Brauch, an heiligen Orten ein biologisch abbaubares Band, begleitet von einem Gebet, in einen Baum zu knoten. Der Wind trägt unsere Gebete zum Ohr der Göttin.

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      Mittwinterzeremonie mit den Kindern auf der Görresburg: Gebetsbänder anbringen.

      Durch konzentriertes Atmen schaffen wir Raum, die Göttin wirklich hören zu können. Zähle einfach zwanzig Atemzüge und achte auf deine Atmung. Zwing dich nicht, achte einfach auf deine Atmung und spüre, wie du ruhig wirst. In diesem Zustand können wir die Göttin wahrnehmen.

      Oft spricht die Göttin auch im Traum zu uns und im halbwachen Zustand beim Einschlafen oder Aufwachen.

      Während der Wintermonate, wenn Eis, Kälte und die Todesgöttin das Land im Griff halten, ruhen wir in Perchtas träumendem Bauch. Hier empfangen wir unsere Vision, gestärkt und genährt durch Gesang und Klang. Zu Imbolc, wenn das Jahresrad sich weiterdreht, beginnt die Vision, Gestalt anzunehmen.

      Perchta als Luftgöttin eröffnet unseren Zugang zur spirituellen Welt jeden Tag und im Tod ganz konkret. In manchen Regionen heißt das Wilde Heer der Perchta auch das Wütende Heer. Dies ist ein Missverständnis dessen, was eigentlich gemeint ist: Laut Vera Zingsem leitet sich wütendes Heer von watandes Heer ab, was übersetzt mit Geist, Spirit in Verbindung steht. Es ist kein gefährliches, tobendes Treiben, sondern das spirituelle Heer der Seelen, die von ihren Körpern gelöst unter Perchtas Leitung in die Anderswelt ziehen, zu Ana, zurück zur Quelle, der Großen Göttin. Zum Zug gehören Pferde und Hunde, und die Toten – Männer, Frauen und Kinder –, die Perchta in die Anderswelt führt, damit sie dort vor ihrer nächsten Inkarnation ruhen können.

       Vogelfrau, Steinfrau

      In ihren Sagen wird auffällig häufig Perchtas große Nase betont. Diese deutet auf einen Vogelschnabel hin