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Fachbewusstsein der Romanistik


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Continuons à nous mobiliser; Signez et partagez la pétition. Auch familiäres und vergemeinschaftendes on wird verwendet: on signe, on partage, on se mobilise. Schließlich wird das Thema auch in Blogs von Politikern aufgegriffen, wie es bei Marc Jammet (2015) deutlich wird.

      Im Herbst des Jahres 2017 erfährt die Debatte einen neuen Höhepunkt, als 314 Lehrerinnen und Lehrer ein Manifest unterzeichnen, in dem sie erklären: „Nous n’enseignerons plus que ‚le masculin l’emporte sur le féminin‘“ (s. a. 2017). In diesem Zusammenhang wird auch eine neue Petition initiiert („Nous ne voulons plus que ‚le masculin l’emporte sur le féminin‘“, Viennot 2017). Die Académie Française reagiert mit einem Communiqué, in dem gar von einem „péril mortel“ für die französische Sprache gesprochen wird (Académie française 2017). Um dieser Debatte ein vorläufiges Ende zu setzen, veröffentlicht der französische Premierminister Édouard Philippe am 22. November im Journal Officiel die sog. circulaire du 21 novembre 2017 relative aux règles de féminisation et de rédaction des textes publiés au Journal officiel de la République française. Der écriture inclusive und der règle de proximité wird hierin eine Absage erteilt.

      5 Schlussbetrachtung

      So spät man die Relevanz auch erkannt haben mag (Schmitt 2001, 438), stellt die Beschäftigung mit sprachlichen Normen nunmehr eine linguistische Daueraufgabe dar (Schmitt 2001, 463), denn: „Eine geordnete verständnissichernde Kommunikation erscheint ohne die Befolgung von Sprachnormen unmöglich“ (Winkelmann 1990, 335). Sprachnormen entstehen in bestimmten historischen Zusammenhängen und sind in ihrer jeweiligen Ausprägung relativ arbiträr (Settekorn 1988, 7). Serianni (1991, 4) verglich den Wandel der Normen einmal mit dem Wandel des Schamgefühls in der Gesellschaft:

      Il ‚comune senso linguistico‘ è un po’ come il ‚comune senso del pudore‘ ammesso dal vigente codice penale: benché entrambi siano soggetti a cambiare nel tempo e nello spazio, esistono certi comportamenti sicuramente devianti che susciterebbero in ogni caso e in qualunque situazione una reazione di rifiuto.

      Für den Nichtsagbarkeitskodex gibt es hinreichend historische Belege. Man denke z.B. an die préciosité des 17. Jh. in Frankreich und Italien (Lebouc 2007, 82). Einige Ausdrücke konnten sich nachhaltig in der Gemeinsprache etablieren, so etwa perdre son sérieux oder laisser mourir la conversation (Lebouc 2007, 85). Auch das Hexagonal, das darin besteht, dass statt eines einfachen, klaren Ausdrucks ein möglichst prätentiöser, aufgeblasener gewählt wird, reiht sich hier ein.1

      Wunderli (2006, 362–363) zufolge ist Romanische Philologie oder vergleichende Romanistik immer dort gefragt, wo es um Sprachverwandtschaft oder um den Vergleich von (romanischen) Sprachen geht. Ergänzend zur historischen Dimension bietet eine solche Betrachtung auch Erklärungen für das aktuelle Sprachgeschehen. In einer zunehmend globalisierten und mediatisierten Welt scheint mir eine solche vergleichende Perspektive einen angemessenen Rahmen zu bilden für das Verständnis von Normdiskussion und Normwandel, aber auch von Diskussionswandel, wie er sich am Beispiel der neuen Medien zeigt. So konnte in diesem Beitrag gezeigt werden, dass zwar die Sprachverwendungskritik, die sich auf das Phänomen des sog. re-namings (Hughes 2010, 15) richtet, in Italien und Frankreich konvergiert, dass die Diskussion in anderen Bereichen, wie dem geschlechtergerechten Sprachgebrauch, jedoch unterschiedlich verlaufen kann.

      In einer übergeordneten Perspektive steht die Beschäftigung mit sprachlichen Normen im Dienste der Herausbildung und Förderung von Sprachbewusstsein (Scharnhorst 1999, 275). Zwar besteht in Italien – anders als in Frankreich – große Skepsis gegenüber staatlichen Eingriffen in die Sprachentwicklung: „C’è una gran diffidenza verso gl’interventi in fatto di lingua. Si ha paura che vengan giudicati non democratici“ (Nencioni 1995, 92). Antonelli (2016, 61) zufolge begünstigt ein gewisser Druck jedoch durchaus Veränderungen im Sprachbewusstsein. In einem mehrsprachigen Europa ist ein solches Sprachbewusstsein elementar, und die Romanistik kann viel zu dessen Herausbildung beitragen. Die Einnahme der Beobachterperspektive und die vergleichende Reflexion dürfen hier nicht unterschätzt werden. Treffender als mit den Worten Bolellis (1988, 70) könnte die Aufgabe der Linguistik in einem solchen Kontext nicht beschrieben werden.

      Io ritengo che [il linguista] debba oggi non solo osservare la realtà ma intervenire e non tanto per condannare quanto per spiegare e soprattutto per far riflettere i lettori.

      Literatur

      Abalain, Hervé (2007): Le français et les langues historiques de la France, Plouédern, Gisserot.

      Académie française (2017): Déclaration de l’Académie française sur l’écriture dite „inclusive“, http://www.academie-francaise.fr/actualites/declaration-de-lacademie-francaise-sur-lecriture-dite-inclusive (12.02.2018).

      Ammon, Ulrich et al. (eds.) (2004): Soziolinguistik. Ein internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft, vol. 1, Berlin/New York, de Gruyter.

      Anglade, Jean (2014, 1975): Le Tilleul du soir, eBook, Paris, Presses de la Cité.

      Antonelli, Giuseppe (22016): L’italiano nella società della comunicazione 2.0, Bologna, Il Mulino.

      Arcangeli, Massimo (2005): Lingua e società nell’era globale, Rom, Meltemi.

      Arcangeli, Massimo (2011): Itabolario. L’Italia unita in 150 parole, Rom, Carocci.

      Beauvais, Robert (1970): L’hexagonal tel qu’on le parle, Paris, Hachette.

      Beauzée, Nicolas (1767): Grammaire générale, ou Exposition raisonnée des éléments nécessaires pour servir à l’étude de toutes les langues, Paris, Imprimerie J. Barbou.

      Becquer, Annie et al. (1999): Femme, j’écris ton nom… Guide d’aide à la féminisation des noms de métiers, titres, grades et fonctions, Paris, La Documentation française.

      Berschin, Helmut/Felixberger, Josef/Goebl, Hans (22008): Französische Sprachgeschichte, Hildesheim et al., Georg Olms.

      Blanke, Detlev/Scharnhorst, Jürgen (eds.) (2007): Sprachenpolitik und Sprachkultur, Frankfurt a.M. et al., Lang.

      Bolelli, Tristano (1988): Italiano sì e no. I mille problemi della lingua parlata e scritta, Mailand, Longanesi.

      Bouhours, Dominique (1675): Remarques nouvelles sur la langue françoise, Paris, Sébastien Marbre-Cramoisy.

      Burr, Elisabeth (1999): „Geschlechtergerechter Sprachgebrauch in Frankreich. Was bestimmt die Sprachpolitik?“, in: Grenzgänge 6, 11, 133–152.

      Cameron, Deborah (1995): Verbal hygiene, London, Routledge.

      Canobbio, Sabina (2009): „Confini invisibili: l’interdizione linguistica nell’Italia contemporanea“, in: Iannàccaro, Gabriele/Matera, Vincenzo (eds.): La lingua come cultura, Turin, UTET, 35–47.

      Cerruti, Massimo/Crocco, Claudia/Marzo, Stefania (eds.) (2017): Towards a New Standard. Theoretical and Empirical Studies on the Restandardization of Italian, Berlin/New York, de Gruyter.

      Cravero, Federica (2017): Cambia il lessico carcerario: la cella diventa „camera di pernottamento“, https://torino.repubblica.it/cronaca/2017/04/05/news/cambia_il_linguaggio_in_carcere_la_cella_diventa_camera_di_pernottamento_-162287206/ (12.02.2018).

      Crisafulli, Edoardo (2004): Igiene verbale. Il politicamente corretto e la libertà linguistica, Florenz, Vallecchi.

      Dahmen, Wolfang et al. (eds.) (2006): Was kann eine vergleichende Romanische Sprachwissenschaft heute (noch) leisten? Romanistisches Kolloquium XX,