Äon lebt, wie kannst du das Ewige begreifen?‘[17].
Thöricht ist es, Widernatürliches zu begehren.
Als ich das gehört hatte, fiel ich auf mein Antlitz 12 und sprach zu ihm: Besser wäre es, wir wären nie auf die Welt gekommen[18], als nun in Sünden zu leben und zu leiden und nicht zu wissen, weshalb! — 13 Er antwortete mir und sprach[19]: ’Einst gingen die Wälder der Bäume des Feldes hin‘[20] und hielten Rat: 14 wohlan, wir wollen hinab gegen das Meer Krieg führen, daß es vor uns zurücktrete und wir uns ’einen neuen Wald‘[21] schaffen! 15 Ebenso hielten die Wogen des Meeres Rat: wohlan, wir wollen hinauf und den Wald des Feldes bekriegen, damit wir uns auch dort ein neues Gebiet erobern! 16 Aber des Waldes Plan ward vereitelt, denn das Feuer kam und verzehrte ihn; 17 ebenso auch der Plan der Wogen des Meeres, denn der Sand trat hin und hielt sie zurück[22]. 18 Wenn du nun[23] ihr Richter wärest[24], wem würdest[25] du Recht geben und wem Unrecht?[26] 19 Ich antwortete und sprach: Beide haben eitlen Rat gehalten; denn das Land ist dem Walde gegeben, der Raum des Meeres aber ist bestimmt, seine Wogen zu tragen. 20 Er antwortete mir und sprach: Du hast richtig geurteilt; warum aber hast du dir nicht selbst das Urteil gesprochen? 21 Denn wie das Land dem Walde gegeben ist, und das Meer seinen Wogen, ebenso können die Erdenbewohner nur das Irdische erkennen und nur die Himmlischen[27] das, was in Himmelshöhen ist[28].
Aber schmerzlich ist es, das Notwendigste nicht zu wissen.
22 Ich antwortete und sprach: Herr, ich flehe dich an, weshalb ist mir dann überhaupt das Licht der Vernunft gegeben? 23 Denn ich wollte dich nicht über Dinge fragen, die uns zu hoch sind, sondern über solche, die uns selber betreffen, jeden Tag aufs Neue:
’Weshalb‘[29] ist Israel den Heiden hingegeben zur Schmach,
dein geliebtes Volk[30] den gottlosen Stämmen?
Das Gesetz unserer Väter[31] ist vernichtet[32],
die geschriebenen Satzungen[33] sind nicht mehr;
24 wir schwinden aus[34] der Welt wie Heuschrecken[35];
unser Leben ist ein Rauch.
Wir [freilich] sind nicht einmal wert, Erbarmung zu erfahren; 25 aber was wird er für seinen Namen thun, der über uns ausgesprochen ist? Das war’s, wonach ich fragte[36].
Der kommende Äon giebt die Lösung.
26 Er antwortete mir und sprach: Wenn du bleiben wirst, wirst du’s schauen; und wenn du lange[37] leben wirst, wirst du erstaunen. Denn der Äon eilt mit Macht zu Ende.
Warum dieser Äon vorher zu Grunde gehen muß.
27 Er vermag es ja nicht, die Verheißungen, die den Frommen für die Zukunft[38] gemacht sind, zu ertragen[39]; denn dieser Äon ist voll von Trauer und Ungemach. 28 Denn gesät ist das Böse, wonach[40] du mich fragst, und noch ist seine Ernte[41] nicht erschienen. 29 Ehe das Gesäte also noch nicht geerntet, und die Stätte der bösen Saat nicht verschwunden ist, kann der Acker, da das Gute gesät ist, nicht erscheinen. 30 Denn ein Körnchen bösen Samens war im Anfang in Adams Herzen gesät, aber welche ’Frucht‘[42] der Sünde hat das bis jetzt getragen und wird weiter tragen, bis daß die Tenne erscheint. 31 Ermiß ’also‘[43] selber: wenn schon ein Körnchen bösen Samens solche Frucht der Sünde getragen hat —, 32 wenn einst Ähren ’des Guten‘[44] gesät werden ohne Zahl, welche große Ernte werden die geben!
Wann soll das geschehen?
33 Ich antwortete und sprach: Wie lange noch, wann soll das geschehen? Unser Leben ist ’ja‘[45] so kurz und elend[46]. 34 Er aber antwortete und sprach: Du willst doch nicht mehr eilen als der Höchste? Denn du willst Eile um deiner selbst willen, der Höchste aber[47] für Viele[48].
Das Ende kommt, wann die Zahl der Gerechten voll ist.
35 Diese deine Frage haben schon die Seelen der Gerechten in ihren Kammern[49] gethan[50]; die sprachen: Wie lange ’sollen wir‘[51] noch ’hier‘[52] ’bleiben‘?[53] Wann erscheint endlich die Frucht auf der Tenne unseres Lohns? 36 Aber ihnen hat der Erzengel Jeremiel[54] geantwortet und gesprochen: wann die Zahl von Euresgleichen voll ist[55]!
Denn Er hat auf der Wage den Äon gewogen,
37 Er hat die Stunden mit dem Maße gemessen
und nach der Zahl die Zeiten[56] gezählt[57].
Er stört sie nicht und weckt sie nicht auf,
bis das angesagte Maß erfüllt ist[58].
38 Ich antwortete und sprach: Herr, mein Gebieter, aber auch wir sind voller Sünden. 39 Wird nicht vielleicht unsertwegen die Tenne der Gerechten aufgehalten, um der Sünden der Erdenbewohner willen? 40 Er antwortete mir und sprach: Geh hin, frage die Schwangere, ob ihr Schoß, wenn ihre neun Monate um sind, noch das Kind bei sich behalten kann? 41 Ich sprach: Gewiß nicht, Herr. Er sprach zu mir: Die Wohnungen der Seelen[59] im Hades sind dem Mutterschoße gleich; 42 denn wie ein gebärendes Weib der Schmerzen[60] der Geburt möglichst bald sich zu entledigen ’strebt‘[61], so streben auch sie darnach, möglichst bald das zurückzugeben, was ihnen im Anfang vertraut ist. 43 Dann wird man dir zeigen, was du zu schauen begehrst.
Das Ende kommt bald.
44 Ich antwortete und sprach: Wenn ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe, wenn es möglich ist, und wenn ich dazu[62] fähig bin[63], 45 so zeige mir auch dies: ob noch längere Zeit, als schon vergangen ist, uns bevorsteht, oder ob wir bereits das Meiste hinter uns haben[64]? 46 Denn wieviel vergangen ist, weiß ich wohl[65]; aber die Zukunft kenne ich nicht. — 47 Er sprach zu mir: Tritt nach rechts, so will ich dir den Sinn eines Gleichnisses erklären. 48 Als ich nun hintrat, da sah ich, wie ein glühender Ofen an mir vorüberfuhr[66]; und als das Feuer vorüber war, sah ich, wie noch Rauch zurückblieb. 49 Darnach zog eine Wolke, voll Wassers, an mir vorüber; die ließ einen mächtigen Regenguß[67] herab. Als aber der Regenguß vorüber war, blieben noch einzelne Tropfen darin zurück. 50 Da sprach er zu mir: Nun überlege selbst: wie des Regens mehr ist[68] als der Tropfen und des Feuers mehr ist als des Rauchs, so ist das Maß der Vergangenheit bei Weitem größer gewesen; zurück aber sind nur noch geblieben — Tropfen und Rauch.