Will Berthold

Die ehrenwerten Diebe


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Drittel Liebe«, erklärte sie lapidar, »ein Drittel Geld.«

      »Einverstanden«, stimmte ich zu.

      Dann leerten wir eine Pulle Rotwein so rasch, als müßten wir uns Mut für die Nacht antrinken.

      Jeder hatte sein eigenes Abteil.

      Die Verbindungstür stand offen.

      Ich lag rauchend auf meinem Bett und hörte, wie sich meine angebliche Frau nebenan auszog. So verfänglich die Situation schien, schließlich war ich nur beruflich mit ihr verheiratet. Um diese Feststellung nebst Konsequenz kam ich nicht herum, aber ich war ein Mann, Adams Bruder, verdammt noch mal, und dadurch ein Schwein aus der Herde Epikurs, um mich klassisch auszudrükken, und das Geschlecht stellte nun einmal seine Anforderungen an den Mann. In gewisser Hinsicht reagieren wir Männer auf weibliche Reize alle gleich; es macht uns oberflächlich, aber ohne diese fatale Eigenschaft wären wir keine Männer. Ein Mann ist ein Individuum, das hinter Eva her ist wie ein Jagdhund hinter dem falschen Hasen, ohne zu begreifen, daß er ihn nie einholen wird.

      Das Spiel kommt teuer: Vom Geld ganz abgesehen, zahlen wir zum Beispiel dafür mit einer um sechs Jahre verkürzten Lebenserwartung. Ich weiß nicht, ob ich mich schlaflos der Philosophie des Verzichts überließ, nur weil mir die Lage zur Wahl stellte, eine Situation auszunutzen oder eine Gelegenheit zu verschlafen.

      Jedenfalls fand meine neue Assistentin ihre Rolle offenbar mehr erfreulich als beängstigend.

      »Wie ist das mit dem Gutenachtkuß?« rief sie durch die offene Tür.

      »Wird sofort erledigt, Liebling«, antwortete ich, stand auf, ging hinüber und küßte sie mit scheinheiliger Sachlichkeit.

      »Du taugst wohl mehr zum Sherlock Holmes als zum Liebhaber«, sagte sie mit einem hintergründigen Lächeln.

      »Alles zu seiner Zeit«, brummelte ich und ging durchaus unlustig in das Nebenabteil.

      Ich konnte nicht schlafen: Vielleicht lag es an der Duftglocke, die im Abteil schwebte, ein Gemisch von Guerlain und Evas Haut. Außerdem schaukelte ich auf einem Achsenbett. Jedenfalls zählte ich die Bahnhöfe einzeln mit. Und am meisten ärgerte mich dabei, daß meine Begleiterin tief und sorglos schlief. Ich versuchte mich auf Hamburg zu konzentrieren, verglich ähnliche Fälle.

      »Schläfst du schon?« fragte Eva alias Helga unvermittelt.

      »Schön wär’s«, antwortete ich.

      Sie kam in mein Abteil; sie trug ein gewisses Lächeln, ein durchsichtiges Nachthemd und die Haare offen. Sie stand auf hohen Absätzen, beugte sich zu mir herunter und fragte: »Hast du Feuer?«

      »Aber ja«, entgegnete ich. »Hier, in meiner Jackentasche. «

      »Du willst dir wohl nicht die Finger verbrenn nen?« versetzte sie.

      »So ist es«, erwiderte ich. »Übrigens sollte man im Schlafwagenabteil nicht rauchen.«

      »Man sollte überhaupt vieles lassen«, konterte sie und ging wieder zurück.

      »Wolltest du mich provozieren?« rief ich hinüber.

      »Testen«, sagte Eva lachend. »Du hast bestanden.«

      Ich drehte mich auf die andere Seite und hoffte, daß meine morganatische Ehefrau über Nacht nicht auch noch meine traumatische werden würde.

      Endlich schlief auch ich ein. Schon bald weckte uns der Schaffner mit dem Frühstück.

      »Kommen wir also zur Sache«, wandte ich mich an meine Pseudo-Frau. »Erstens brauche ich dich als Staffage, doch kannst du mir auch sonst behilflich sein. Noch ein Brötchen?«

      »Nein, danke.«

      »Du besichtigst Werkswohnungen, die bald frei werden und in unmittelbarer Nähe des Fabrikgeländes liegen. Du erzählst überhaupt, wie verliebt du bist – verstell dich eben ein bißchen! – und daß wir bald Kinder haben wollen. Wieviel eigentlich?« unterbrach ich meine Anweisungen.

      »Beginnen wir mit zwei«, erwiderte sie lächelnd.

      »Gut«, meinte ich. »Ein Junge und ein Mädchen.« Wir lachten beide.

      »Du redest mit den Leuten wie ein Wasserfall – wenn’s auch schwerfällt.«

      »Wenn’s sein muß, bin ich eine richtige Plaudertüte«, erwiderte sie.

      »In Ordnung: also Mund auf, Augen auf und viel Glück.«

      Der Zug lief in Hamburg ein.

      Wir nahmen ein Taxi. Ein Hotel brauchten wir nicht zu suchen, es war vereinbart, daß wir im Gästehaus der ELUX-Werke wohnen sollten.

      Helga alias Eva spielte ihre Rolle mustergültig, und ich ertappte mich dabei, daß ich ihre Zärtlichkeiten erwiderte, ohne an meinen Auftrag zu denken – ich nahm mir einiges vor für die Siegesfeier, aber davon waren wir noch weit entfernt.

      Die Herren, mit denen mich noch am Vormittag Generaldirektor von Kettener bekanntmachte, verhehlten nur sehr oberflächlich, daß sie mich für einen lästigen Eindringling und protegierten Parvenü hielten. Noch schlimmer ging es mir mit Kriminalkommissar Sperber, der wie ein Hamster aussah und die Polizeifahndung nach den Werkspionen leitete.

      »Wo kommen Sie denn so plötzlich her?« fragte er und musterte mich wie ein ausgestopftes Krokodil.

      »Steht alles in meinen Papieren«, erwiderte ich. »Im übrigen sollten Sie Ihre Manieren etwas aufbügeln lassen.

      Normalerweise komme ich mit Kriminalbeamten sehr gut aus, aber mit Sperber verband mich keine Liebe auf den ersten Blick. Der Mann war verbittert, weil er nicht vorankam. Polizisten sind gewohnt, mit Dieben, Räubern, Einbrechern und Mördern umzugehen, aber nicht mit Straftätern, die als Rechtsanwälte, Marktforscher, Unternehmensberater, Werbefachleute, Steuerberater, Computer-Spezialisten und Börsen-Jobber auftreten und – vielleicht – zu den ehrenwerten Dieben gehören.

      Hier ist der normale Kriminalbeamte hoffnungslos unterlegen. Um den White Collar-Tätern ebenbürtig zu sein, müßte er Wirtschaftswissenschaft, Juristerei und Ingenieurwesen zugleich studiert haben und dazu noch ein ausgebildeter Kriminalist sein.

      Deutschlands größtes Versandhaus zum Beispiel hatte durch den Verlust seiner Kundenkartei einen Schaden von mehr als einer Million erlitten. Die Firma gab für private Ermittlungen über 300000 Mark aus. Die Spur führte zu einer Briefkastenfirma in Vaduz, die das von ugetreuen Mitarbeitern unterschlagene Material – Mikrofilme, Magnetbänder, Lochkarten und Geschäftskorrespondenz – auswertete und an eine Schmuckwarenfirma in Pforzheim verkaufte.

      Sie konnte – Ausnahme der Regel – tatsächlich vom Gericht für den Schaden haftbar gemacht werden; aber nicht die an sich zuständige Polizei hatte den Fall gelöst, sondern hochqualifizierte und hochdotierte Privatfahnder, die sich das Versandhaus leisten konnte. Andere geschädigte Firmen konnten schon deswegen keine ähnlichen Untersuchungen anstellen, weil sie durch unlautere Machenschaften in den Konkurs getrieben worden waren.

      Sperber trat auf der Stelle. Polizeiliche Routine rotierte längst im Leerlauf. Der Mann war froh, daß er etwas Neues zwischen den Zähnen hatte, und ich überlegte, wie lange er brauchen würde, um in mir den Konkurrenten zu entdecken. Jedenfalls war mir klar, daß er noch an diesem Tag meine Referenzen einzeln zerlegen würde.

      Da der Personalchef ›erkrankt‹ war, besetzte ich sein Zimmer.

      Obwohl ich mir zunächst nur die Akten der XYZ-Mitwisser vornahm, brauchte ich einen ganzen Tag, um mich durchzubeißen. Die Vernehmung, der sich die drei Vorstandsmitglieder freiwillig unterzogen hatten, war offensichtlich zu einer Zerreißprobe geworden: Kriminalkommissar Sperber hatte weder ihnen noch sich etwas geschenkt.

      Der distinguierte, würdige Generaldirektor mußte zugeben, daß seine Ehe unter einer schweren Krise litt, weil er mit einer Freundin liiert war, die im Alter seiner jüngsten Tochter stand.

      Der technische Direktor gestand Schulden ein, die aus einer verfehlten Aktien-Spekulation