Will Berthold

Die ehrenwerten Diebe


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dem Namen nach von zahlreichen Veröffentlichungen in Fachzeitschriften: Sein einziger Sohn verbüßte gerade in einer Strafanstalt eine dreijährige Gefängnisstrafe wegen Betrugs im Rückfall.

      Handschriftliche Anmerkung eines Polizeibeamten: ›Ein Anruf bei der Gefängnisleitung hat ergeben, daß der Betreffende tatsächlich noch einsitzt.‹

      »Ach, nein«, sagte Kriminalkommissar Sperber (er war eingetreten, ohne anzuklopfen), »das ist ja lustig. Sie wühlen in meinen Vernehmungsprotokollen, während ich mich mit Ihren Bewerbungsunterlagen befasse.«

      »Würden Sie bitte das nächstemal anklopfen?« fragte ich ihn.

      »Entschuldigen Sie«, erwiderte er. »Sie wissen doch, daß wir Polizisten ungehobelte Burschen sind.«

      Vor allem wußte ich, wie gefährlich er war. Ich sollte erleben, daß er sich durchaus glatt und höflich zu benehmen wußte – er provozierte nur, wenn er seinen Gesprächspartner aus der Reserve locken wollte.

      »Sie scheinen ja ein außergewöhnlich tüchtiger Mann zu sein«, kam der Polizeibeamte zum Thema. »Trotzdem hätte ich gern von Ihnen erfahren, welche Leiche Sie mit dem Generaldirektor im Keller haben?«

      »Was heißt das?« fuhr ich ihn an.

      »Sie wissen doch ganz genau, daß außer dem Hausherrn kein Mensch von Ihrem Eintritt in die Firma begeistert ist.«

      »Das ist mir gleichgültig.«

      »Ihre Frau kommt besser an als Sie«, fuhr er betont beiläufig fort.

      »Immerhin.«

      »Nur ist sie leider nicht Ihre Frau«, stieß er zu. »Jedenfalls weiß das Standesamt von keiner Traung.«

      »Gut«, schaltete ich schnell. »Wir sind nicht verheiratet. Ist das ein Verbrechen?«

      »Das nicht«, erwiderte er gedehnt, »aber doch eine Lüge – wenn nicht vielleicht doch ein Anstellungs-Betrug.« Er genoß seinen Triumph. »Und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch …«

      »Ich hab’ zu tun«, entgegnete ich mit gespieltem Ärger.

      Die kleine Panne, die mir unterlaufen war, bewies mir nur, wie ausgezeichnet die von Generaldirektor von Kettener – unter Mitwirkung Siebeners – beschafften Unterlagen gewesen sein mußten.

      Ich kam nicht weiter. Es erging mir wie Kriminalkommissar Sperber. Trotz meiner Fachausbildung verbiß ich mich in Nebensächlichkeiten – letztlich war es nur Beschäftigungs-Theorie.

      Innerhalb des Werks gab es lediglich drei Mitwisser, und diese waren lupenrein. Wissentlicher Verrat schien auszuscheiden, also konnte es sich nur um unbewußten handeln.

      Ich aß mit dem Generaldirektor im Kasino.

      ›Noch ein paar Fragen‹, sagte ich. »Die Herren des Vorstands nehmen hier täglich ihr Essen ein?«

      »Fast immer«, entgegnete er.

      »An einem Tisch?«

      »Manchmal«, erwiderte er. »An sich wird ja selten über berufliche Dinge gesprochen, aber wenn man so aus den Sielen kommt, neigt man natürlich dazu, über seine Arbeit zu sprechen.«

      Es gab Paprikaschoten, ich biß auf ein Pfefferkorn und schluckte es hinunter, spülte etwas Rotwein hinterher. Küche und Service waren übrigens ausgezeichnet. Der Kellner André, der uns bediente, hätte jedes Grandhotel geziert.

      »Zahlen Sie denn so gut, daß Sie sich ein so hervorragendes Personal leisten können?«

      »Die meisten sind schon sehr lange bei uns, und mit André haben wir einfach Glück gehabt.«

      Wir erhoben uns, ich begleitete den Genereddirektor in sein Büro, eigentlich nur, um ihm meinen Mißerfolg einzugestehen.

      »Wie weit ist Ihr Patent eigentlich schon in unrechte Hände geraten?«

      »Wichtige Einzelheiten wurden verraten«, erwiderte er. »Aber ich darf annehmen, daß das Herzstück unserer Erfindung …«

      Wir begegneten meiner klatschsüchtigen Leih-Frau.

      »Was Neues?« fragte sie.

      »Nein«, antwortete ich, »das heißt eigentlich …«

      Sie hatte Angst, sich lächerlich zu machen, aber vielleicht war sie doch auf einen Hinweis gestoßen: In einer Wohnung öffnete man ihr nur zögernd, wobei sich eine Frau wie erschrocken einen riesigen Kopfhörer vom Schädel riß.

      »Und wo war das?« fragte ich rasch.

      »Kopernikusstraße 16.«

      Wir gingen in das Büro des Generaldirektors, er wollte sich die Wohnungs-Unterlagen kommen lassen und sah unwillig dem eintretenden Kriminalkommissar Sperber entgegen.

      Der Mann schoß auf mich zu, baute sich auf: »Ich eröffne Ihnen, daß Sie vorläufig festgenommen sind.«

      »Ach nein«, antwortete ich.

      »Und nun erklären Sie mir, wo Sie Ihren Sender versteckt haben!« fuhr er mich an.

      Der Hausherr wollte eingreifen, um das Mißverständnis aufzuklären, aber ich winkte ihn mit den Augen zurück.

      »Hören Sie sich das einmal an«, fuhr der Kriminalbeamte fort.

      Er stellte ein Taschentonbandgerät auf den Schreibtisch. Und auf einmal quäkte meine Stimme:

      »Noch ein paar Fragen.« Nach einer kurzen Pause fuhr ich fort: ›Die Herren des Vorstands nehmen hier täglich ihr Essen ein?‹

      »Das sind doch Sie«, sagte Kommissar Sperber.

      »Allerdings«, erwiderte ich trocken. »Wo ist das nächste Krankenhaus?«

      »Wieso?« fragte er entgeistert.

      »Kommen Sie!« forderte ich ihn auf.

      Ich hatte die Lösung des Rätsels gefunden.

      Wir rasten los. Es ging um Minuten. Ich war entschlossen, mir auf schnellstem Weg den Magen auspumpen zu lassen. Ich erinnerte mich plötzlich an das Pfefferkorn, auf das ich gebissen hatte.

      Es war eine scheußliche Prozedur, aber sie half.

      Eine Stunde später – inzwischen wußte Kriminalkommissar Sperber natürlich längst, wer ich war – hatten wir einen Mini-Mini-Sender in der Hand, sozusagen eine Magen-Wanze.

      »Sehen Sie«, sagte ich. »Das ist das ganze Geheimnis. Irgend jemand schmuggelt unseren Geheimnisträgern diese übrigens hinreißend und völlig neuartig konstruierten Mikrofone in den Leib. Das Sendehaus im eigenen Bauch. Und irgendwo in der Nähe sitzt dann ein Kerl am UKW-Empfänger und registriert aus vielen kleinen Einzelheiten das große Ganze. Kapiert?«

      »Und ob«, erwiderte er. »In ein paar Stunden liefere ich Ihnen die Täter.«

      Er hielt Wort.

      Den vorbildlichen Kellner André schnappte er als ersten. Der Mann war deswegen am verdächtigsten, weil er erst die kürzeste Zeit im Kasino arbeitete. Er wurde durch die Mangel gedreht und nannte die Namen seiner Komplizen, die noch am gleichen Tag in der Kopernikusstraße 16 festgenommen werden konnten.

      Die Täter spionierten im Auftrag eines ausländischen Konzerns, der das XYZ-Patent an sich reißen wollte.

      »Sie haben uns einen ungeheuren Dienst erwiesen«, verabschiedete mich Generaldirektor von Kettener.

      »Nicht ich«, erwiderte ich. »Wir haben einfach Glück gehabt.«

      Wir fuhren zurück.

      Helga hieß wieder Eva, und die Verbindungstür zwischen unseren Abteilen war geschlossen. Was meine Assistentin anbelangte, bedauerte ich ein wenig, daß der Fall so rasch geklärt worden war. Ich überreichte ihr einen üppigen Scheck. Sie bedankte sich, damit trennten sich eigentlich unsere Wege.

      »Werden wir uns einmal