ein Junge, dessen größter Erfolg als Senior der Aufstieg mit Wrexham in die 3. Liga sein wird: Albert Kinsey, dem ein Hattrick gelingt. Im Rückspiel trennen sich die beiden Rivalen vor knapp 22.000 Zuschauern an der Maine Road unentschieden.
Ende April spielt United im Finale gegen Swindon Town. Die erste Begegnung in Swindons County Ground endet 1:1. Vor 17.000 Zuschauern gehen die Gastgeber zunächst in Führung, doch in der 70. Minute geling Best der Ausgleich. Das Rückspiel gewinnt United vor 25.563 Zuschauern im Old Trafford problemlos mit 4:1. Dieses Mal ist es David Sadler, der einen Hattrick beisteuert. Das Siegerteam geht als „Class of ’64“ in die Klubannalen ein. Drei Spieler – Best, Sadler und John Aston – gewinnen vier Jahre später mit United den Europapokal der Landesmeister. Ein Vierter, Kapitän Bobby Noble, wäre wohl auch dabei gewesen, doch ein Verkehrsunfall torpediert seine Karriere.
Es wird 28 Jahre dauern, bis United das nächste Mal den Youth Cup gewinnt. 1992 schlägt die Generation David Beckham, die „Class of ’92“, Crystal Palace im Finale mit 3:1 und 3:2. Fünf Spieler des Teams – Beckham, Nicky Butt, Ryan Giggs, Gerry Neville und Paul Scholes – gewinnen sieben Jahre später auch die Champions League. Die Parallelen zwischen 1964 und 1992 sind nicht zu übersehen.
In der Saison 1963/64 gibt Best nicht nur sein Debüt als Profi. Er langt auch beim Alkohol erstmals kräftig zu. Aber was heißt schon kräftig? Bei einem Jugendturnier in Zürich leert er drei große Gläser Bier. Das ist keine bemerkenswerte Menge, aber für Best, den Neuling auf diesem Gebiet, dann doch viel zu viel. Im Taxi muss er sich heftig erbrechen.
Derartige Erfahrungen machen viele Jugendliche. Sie gehören gewissermaßen zum Erwachsenwerden dazu, und nur die wenigsten werden deshalb Alkoholiker. Auch Busby sieht über den Zwischenfall großzügig hinweg. Zumal es so scheint, als sei Zürich für Best eine Lehre gewesen. Vorerst lässt er die Finger vom Alkohol.
Währenddessen beginnt im Fernsehen eine Entwicklung, die zu Bests Karriere als Popstar des Fußballs wesentlich beitragen wird. Im August 1964 startet die BBC ihr Programm „Match of the Day“. Als erstes Spiel wird Arsenal London gegen Liverpool gezeigt. Allerdings sitzen nur 20.000 vor dem Bildschirm, denn BBC 2 kann zunächst nur in London empfangen werden. Im Dezember 1964 können durch den Einschluss der Midlands bereits zwei Millionen zuschauen, und in den 1970ern wird „Match of the Day“ mit zwölf Millionen Zuschauern zum erfolgreichsten Angebot der BBC.
United steht zur rechten Zeit an der Spitze des englischen Klubfußballs. Und Best zur rechten Zeit auf dem Platz. Mit „Match of the Day“ erreichen die unterhaltsamen Auftritte der „Red Devils“ mit ihrem Ober-Entertainer Best immer mehr Menschen, und United kann seine Fanbasis ausbauen. Bei Heimspielen kommen die Zuschauer nicht mehr nur aus Manchester und Umgebung, sondern auch aus Birmingham, Oxfordshire, London und sogar Cornwall. Nicht nur die geografische Herkunft des Publikums ändert sich. Old Trafford gehörte bis dahin vor allem Manchesters Arbeiterklasse, aber nun strömen auch andere Schichten durch die Einlasstore.
KAPITEL 3
Swinging Sixties
Mitte der 1960er wird George Best zum ersten Popstar des Fußballs. Nach einer Best-Gala in Lissabon ernennt ihn die Presse zum „fünften Beatle“. Dank Best wird Manchester United zum Repräsentanten der Swinging Sixties auf dem Fußballfeld. Gemeinsam mit dem FC Chelsea, in dessen Stadion Stamford Bridge er besonders gerne vorspielt. In seiner nordirischen Heimat trägt Best dazu bei, dass sich nicht nur Katholiken, sondern auch Protestanten für United erwärmen. Durch sein Können und seinen Lebensstil entwickelt er einen ökumenischen Appeal.
Belfast gets the Blues
Das mehrheitlich protestantische Belfast ist in den 1950ern und frühen 1960ern ein dröger Ort. Besonders an einem Sonntag. Der starke Einfluss der Evangelikalen sorgt dafür, dass sogar die Kinderspielplätze geschlossen bleiben. 1964 beschließt das Education Commitee zwar zunächst ihre Öffnung, aber die von Unionisten/Protestanten gestellte Stadtregierung verhindert dies. Selbst die nordirische Tourismusbehörde Northern Ireland Tourist Board (NITB) befürchtet nun, dass Belfasts evangelikal-fundamentalistisches Image potenzielle Besucher abschreckt. In East Belfast leidet die Freizeitgestaltung zudem unter der freudlosen Mentalität der Werft- und Hafenarbeiter, die eine exklusiv männliche, durch Härte gegenüber sich selbst geprägte Kultur geschaffen haben, in der für Vergnügen kaum Platz ist.
Trotzdem bekommt auch Belfast etwas von den Swinging Sixties ab – zumindest Teile der Stadt. Während des Zweiten Weltkriegs waren über 100.000 GIs in Nordirland stationiert, und ungefähr 1.800 nordirische Frauen heirateten einen amerikanischen Soldaten. Mit den GIs kam auch der Blues nach Belfast. In Belfast und Umgebung waren viele US-Soldaten schwarze Marines, die ihre Blues-LPs zu den Pfandleihern trugen. Auch nach Kriegsende blieben einige von ihnen in Belfast stationiert. In den 1960ern konnte man auf dem Smithfield Market eine Fülle von Blues-Alben erwerben oder für einen Shilling ausleihen. Darunter auch solche, die in Großbritannien normalerweise nicht erhältlich waren.
Anfang der 1960er entwickelt sich in Belfast eine starke Rhythm-and-Blues-Szene. Ihr Anführer war George Ivan Morrison, kurz: Van Morrison. Er stammt aus Ballymacarret im Osten Belfasts, gut einen Kilometer Luftlinie von Cregagh entfernt. Best erinnerte sich im Jahr 2001: „Unsere Familien kannten sich. Aber ich habe ihn erst viel später getroffen. Heute kenne ich ihn ganz gut. Ich versuche, alle seine Konzerte zu besuchen.“
Van Morrisons erste Band heißt The Monarchs. Man spielt u.a. in katholischen Gemeindehäusern und Hallen des Oranier Ordens. Bei den Oraniern müssen die Musiker vertraglich zusichern, dass alle Bandmitglieder Protestanten sind. Bald schießen überall in der Stadt R&B-Klubs aus dem Boden. Gerry McAvoy, damals Bassist der Band Deep Joy: „Van Morrison löste in Belfast einen Run auf R&B aus, er hatte enormen Einfluss auf jeden, der ihm nachfolgte. Ich schätze, seine Wirkung für den R&B war dort die gleiche wie die der Beatles für den Mersey Sound in Liverpool.“
Zentrum der lokalen R&B-Szene ist das Maritime Hotel am College Square North im Stadtzentrum Belfasts. Was für Liverpool der Cavern Club ist, das ist für Belfast das Maritime Hotel. Das ehemalige spartanische Seefahrer-Hostel wird vor allem durch die Auftritte Van Morrisons mit seiner 1964 gegründeten Gruppe Them berühmt.
Auch Musiker aus der Republik zieht es nach Belfast. Denn musikalisch ist der Norden dem Süden weit voraus. McAvoy: „Im Süden konnte man nur spielen, wenn das Programm aus Top-40-Songs bestand, da man alles mit Argwohn betrachtete, was zu sehr nach Rock oder Blues klang. Denn darin ging es nach Meinung der Iren nur um Sex und Drogen.“ So dominieren zunächst die in braven Uniformen auftretenden Showbands oder Dancebands, in denen auch der junge Gitarrenvirtuose Rory Gallagher eine Weile spielt. Gallagher ist dann einer der Ersten, der musikalisch und kleidungsmäßig aus diesem Muster ausbricht.
1966 gründet er im südirischen Cork die Band The Taste, die bald in ganz Irland bekannt ist. Gerry McAvoy, der 20 Jahre lang mit Gallagher zusammengearbeitet hat: „Dieser Erfolg und seine neu entdeckte Liebe zum Blues brachten Rory zu der Entscheidung, er sei in Belfast besser aufgehoben als in Cork, um von der hier blühenden R&B-Szene zu profitieren. Eine weitere Überlegung war, dass man von Belfast aus viel leichter als von Cork aus nach England kam.“
Denn irgendwie orientierten sich alle nach England – ob Fußballer oder Musiker, ob Protestant aus dem Norden (wie Best) oder Katholik aus dem Süden (wie Gallagher). Die Jugend will aus den Zwangsjacken ausbrechen, die ihr der nordirische Protestantismus und der südirische Katholizismus angezogen haben.
1966 treten Gallagher und Taste erstmals in Belfast auf. Die Band wird nun zum festen Bestandteil des Angebots im Maritime Hotel. Im Vorprogramm spielt Gerry McAvoys Deep Joy, die auch bei Konzerten von John Mayall und Jethro Tull einheizt. McAvoy: „Es war die ganze Atmosphäre rund um die Belfaster Blues-Szene, die den jungen Rory Gallagher aus seiner Heimatstadt Cork tief im Süden nach Nordirland lockte.“ Gallagher widmet später dem Maritime Hotel ein eigenes Stück („Maritime“); die rein instrumentale Nummer ist u.a. auf seinem legendären Live-Album „Irish Tour“ zu hören.
Spaß nur bei den Katholiken
In