Dietrich Schulze-Marmeling

George Best


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Cregagh Boys gewinnen mit 2:1. Nun wird er immerhin in den erweiterten Kader der Auswahl aufgenommen. In einem Sichtungsspiel gerät die Stammauswahl mit 0:2 in Rückstand. Best wird eingewechselt und erzielt zwei Tore. Aber ein offizielles Spiel wird er für die Schülerauswahl nie bestreiten – vermutlich auch hier, weil man ihn für zu schmächtig hält.

      Es ist das ewige Drama: Wenn Spieler wie Best, Cruyff oder Xavi, technisch überragende Fußballer, in jungen Jahren aber ihren Mit- und Gegenspielern meist körperlich unterlegen, nicht ihre persönlichen Fürsprecher gehabt hätten, dann wären sie auf der großen Bühne vermutlich nie zu sehen gewesen.

      „Ich glaube, ich habe ein Genie gefunden!“

      „Bud“ McFarlane gibt nicht auf, Bests Talent anzupreisen. Er hat einen Freund namens Bob Bishop. Wie McFarlane ist Bishop nicht mit einer Frau, sondern mit dem Fußball verheiratet. Er wohnt in der Bloomdale Street in Ballymacarret und arbeitet auf Harland & Wolff als Nieter. Der Lärm am Arbeitsplatz hat ihn halb taub gemacht. Bishop hat den Boyland Youth Club mit aufgebaut, der bei den Teams der englischen First Division als Talentschmiede gilt. Manchester United rekrutiert ihn als Scout und zahlt ihm pro Woche zwei Pfund plus Reisekosten. 1950 wird er Uniteds Chefscout in Nordirland und bleibt die folgenden 37 Jahre in dieser Funktion. Als Bishop – ehrfürchtig „The Bishop“ genannt – 1987 abtritt, ist er 86 Jahre alt. Bishop entdeckt bei Spielern Dinge, die anderen Scouts entgehen. So auch bei Best.

      Etwa zehn Meilen von Belfast entfernt, in der Nähe des an der Nordküste gelegenen Ortes Helen’s Bay, hat Bishop ein altes Cottage erstanden, in das er mehrere Etagenbetten packt. Ein Bauer stellt ihm ein Feld zur Verfügung, das er „Wembley Stadium“ tauft – und fertig ist die Fußballschule. Auf McFarlanes Bitten hin lädt Bishop Best nach Helen’s Bay zu einem Trainingslager mit den Jungs von Boyland ein. Zwar ist er von dem Jungen angetan, aber es bleiben Zweifel. Zwischenzeitlich ist ein Scout von Leeds United zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt: „Der Junge wird es niemals zum Fußballspieler bringen. Er ist zu dünn.“ Für den Fußball, den Leeds spielte, mochte dies sogar zutreffen.

      Bishop organisiert nun den ultimativen Test. Best soll mit der U15 der Cregagh Boys gegen ein älteres Team von Boyland antreten. Das Spiel findet Ende April statt, drei Wochen vor Bests 15. Geburtstag. Der Kandidat muss sich mit 17- und 18-Jährigen messen und besteht die Herausforderung mit Bravour. Beim 4:2-Sieg seiner Cregagh Boys schießt Best zwei Tore. Anschließend telegraphiert Bishop nach Manchester: „Ich glaube, ich habe ein Genie gefunden!“

      George und Eric allein in Manchester

      Als George Best im Juli 1961 erstmals Nordirland verlässt, heißt dessen Ministerpräsident Basil Brooke. Der Großgrundbesitzer brüstet sich damit, dass auf seinem Landgut keine Katholiken arbeiten. Als Landwirtschaftsminister hatte Brooke protestantische Landwirte aufgefordert, ebenfalls keine Katholiken auf ihren Farmen zu beschäftigen, da dies ein „Verrat an Ulster“ sei. Stattdessen sollten sie „gute protestantische Jungs und Mädchen“ mit Arbeit versorgen. Solche Diskriminierungen gehören zum Alltag, und bis zu den ersten großen Protestaktionen einer neuen Bürgerrechtsbewegung werden noch sechs Jahre vergehen.

      Bevor George Best nach Manchester aufbricht, kauft ihm Mutter Anne sein erstes Paar langer Hosen. George geht nicht alleine an Bord der Fähre, die ihn von Belfast nach Liverpool bringt. Mit Eric McMordie hat United ein weiteres junges Talent zu einem zweiwöchigen Probetraining eingeladen. Auch McMordie kommt aus East Belfast, wo er für den Klub Orangefield gespielt hat. George und Eric sind sich zweimal auf dem Fußballplatz begegnet – bei einem Spiel ihrer Schulmannschaften und bei einer Begegnung zwischen den Cregagh Boys und Orangefield. Aber eigentlich kennen sie sich nicht.

      Die beiden 15-Jährigen sind in ihrem Leben bisher kaum aus Belfast herausgekommen. Die längsten Reisen waren Ausflüge in das 15 Meilen entfernt liegende Seebad Bangor. Im Hafen von Liverpool nimmt sie niemand in Empfang. Best und McMordie schlagen sich mit ihrem Gepäck zum Hauptbahnhof in der Lime Street durch, wo sie den Zug nach Manchester nehmen. Dort geht es mit dem Taxi weiter. Als der Taxifahrer nach dem Zielort fragt, antworten die Jungs: „Old Trafford.“ Was beide nicht wissen: In Manchester gibt es Old Trafford gleich zweimal – das United-Stadion und ein Cricket-Stadion gleichen Namens, wo an diesem Tag das Team der Grafschaft Lancashire gegen das der Grafschaft Middlesex spielt. Best und McMordie landen beim Cricket-Spiel.

      Als sie schließlich am „richtigen“ Old Trafford eintreffen, begrüßt sie dort ein schlecht gelaunter Chefscout Joe Armstrong. Die beiden hätten nicht auf das Taxi gewartet, das United angeblich zum Bahnhof geschickt habe. Er serviert den Jungs ein deftiges englisches Frühstück, das sie mehr oder weniger in sich hineinwürgen. Es ist erst drei Stunden her, dass sie das letzte Mal gegessen haben, aber weder George noch Eric wollen Armstrongs Laune weiter verschlechtern.

      Anschließend fährt der Chefscout sie zum Trainingsgelände in Urmston, wo er den Neuankömmlingen Uniteds irische Spieler vorgestellt, darunter die Torwartlegende Harry Gregg. Vermutlich will er ihnen mit dieser Aktion die Angst vor der Fremde nehmen und ihren Ehrgeiz wecken. Doch der Schuss geht nach hinten los. Konfrontiert mit dem leibhaftigen Gregg, einem kräftigen Mann von stattlicher Größe, rutscht den beiden Jungs das Herz nun vollends in die Hose.

      Heimweh

      George und Eric trainieren mit den Nachwuchsspielern, die alle älter, größer und muskulöser sind und bereits wie junge Profis wirken. Best fühlt sich unterlegen und unwohl. Nach dem Training chauffiert man ihn und Eric zu ihrer Unterkunft im Vorort Chorlton-cum-Hardy, wo in der Aycliffe Avenue Nr. 9 eine Mrs. Mary Fullaway auf sie wartet.

      Unter Manager Matt Busby hatte United seine Nachwuchsarbeit intensiviert und war zu einer heiß begehrten Adresse junger Talente geworden. United galt bald als großer Klub, der junge Spieler besser macht, bei dem der Weg in die 1. Mannschaft kürzer ist als bei vielen anderen Vereinen und in dem eine familiäre Atmosphäre herrscht. Zunächst wurden die Nachwuchsspieler in zwei größeren Wohnhäusern in der nahe dem Cricket Ground gelegenen Birch Avenue untergebracht. Joe Armstrong rekrutierte dann eine Armee von Gastmüttern, „Landladies“, die sich um die Jungs kümmerten. Eine von ihnen war Mary Fullaway.

      Beim Anblick von Best ist die Witwe etwas irritiert: „Er sah mehr aus wie ein Jockey als ein Fußballer. Er war kümmerlich und ängstlich.“ Mrs. Fullaway kann sich nicht vorstellen, dass es dieser Junge bei United schaffen kann.

      Nachdem die Landlady die Neuankömmlinge gefüttert hat, schließen die beiden sich in ihr Zimmer ein. Best und McMordie haben nicht den Eindruck, dass United sie wirklich willkommen heißt. Vor allem können sie sich nicht vorstellen, in Manchester zu bleiben. Die Größe der Stadt und des Fußballklubs erschlägt sie. Best: „Ich bin mit dem Traum aufgewachsen, eines Tages nach England zu gehen und für einen großen Klub zu spielen. Solange ich in Belfast war, war dies nur ein Traum, den viele von uns teilten. Nun war ich in der Realität angekommen. Und wie so häufig war sie ganz anders als der Traum.“

      Die beiden Belfast Boys bestätigen sich gegenseitig in der Überzeugung, dass es das Beste sei, die Zelte wieder abzubrechen und nach Belfast zurückzukehren. Keiner der beiden startet einen Versuch, den anderen zum Bleiben zu überreden. Am nächsten Morgen nehmen sie den Bus zum Old Trafford. Unterwegs müssen sie einmal umsteigen, und die Fahrt gerät ziemlich nervig: „Wir mussten dem Schaffner ein Dutzend Mal sagen, welche Tickets wir haben wollten. Er konnte unseren Akzent nicht verstehen.“

      Es wird ein kurzer Abschied. Best ist zu schüchtern, um Joe Armstrong die Entscheidung mitzuteilen. So ergreift der vier Monate ältere McMordie das Wort: „Wir möchten die nächste Fähre nach Hause nehmen.“ Nach nur 36 Stunden in Manchester sind Best und McMordie wieder auf dem Weg nach Hause. In Belfast ist niemand über die vorzeitige Rückreise informiert. George und Eric haben Angst, dass die Eltern sie dazu überreden könnten, in Manchester zu bleiben. Im Belfaster Hafen angekommen, haben beide gerade noch ausreichend Geld, um den Bus in den Osten zu nehmen.

      Zweiter Anlauf

      Dickie Best macht seinem Sohn keine Vorwürfe. Eher schon ärgert er sich darüber, wie wenig sich United um die Anreise der beiden Jungs gekümmert hat. „George und Eric waren erst 15, aber es wurde von ihnen