Dietrich Schulze-Marmeling

George Best


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Orden. Ziel der Institution ist es, die Prinzipien der protestantischen Reformation zu verteidigen und zu verbreiten.

      Als der junge George Best mitmarschiert, verlaufen die Umzüge am 12. Juni noch weitgehend friedlich, auch weil Belfasts Katholiken sich an diesem Tag wegducken. Schon damals dient „The Twelfth“ allerdings nicht nur der Selbstvergewisserung der eigenen Identität. Die Märsche sollen auch demonstrieren, dass Nordirland den Protestanten gehört und die Minderheit nur geduldet ist. George Best selbst wird sich später kritisch darüber äußern: „The Twelfth“ sei schon damals, also vor Ausbruch des nordirischen Bürgerkrieges, ein „sektiererischer Karneval“ gewesen.

      Glentoran

      Die fußballerische Tradition der Familie verkörperte Georges Großvater väterlicherseits, James ‚Scottie‘ Best. Den Spitznamen „Scottie“ verdankt er dem Umstand, dass er die erste Phase seines Lebens in Schottland verbracht hat. Als James zwei Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Glasgow. Harland & Wolff hatte damals Werften am Clyde erworben, exportierte nun ihre sektiererische „No catholics“-Politik und schickte protestantische Facharbeiter in die schottische Industriemetropole. Die Immigranten gossen eine gehörige Portion Öl in das auch in Glasgow lodernde religiös-sektiererische Feuer. Mit ihrer Ankunft verschärfte sich die Rivalität zwischen den Fußballklubs Rangers und Celtic.

      James Best wuchs in Glasgow auf und arbeitete auf einer der Werften am Clyde. Nach seiner Rückkehr nach Belfast lebt er in der Nähe des Glentoran-Stadions „Oval“ in Ballymacarret. Mit seinem Sohn Dickie und später seinem Enkel George geht James regelmäßig zu den Heimspielen des Klubs.

      Als George erstmals ein Spiel der „Glens“ besucht, hat sich Belfast Celtic, in der Saison 1947/48 noch Nordirlands erster Nachkriegsmeister, vom Spielbetrieb verabschiedet. Vorausgegangen war die „Jimmy-Jones-Affäre“ am Boxing Day 1948: Belfast Celtic musste beim Linfield FC antreten. 25.000 Zuschauer waren in den Windsor Park gekommen, eine für den heutigen nordirischen Ligafußball unvorstellbare Masse. Die Begegnung wurde von beiden Seiten mit äußerster Härte geführt. Nach einem Zusammenprall mit Celtics (protestantischem!) Torjäger Jimmy Jones musste Linfields Bryson vom Platz getragen werden. Die ohnehin angespannte Stimmung wurde weiter angeheizt, als die Zuschauer über die Lautsprecheranlage des Windsor Park erfuhren, dass sich der Linfield-Spieler ein Bein gebrochen habe. Nach dem Schlusspfiff – das Spiel endete unentschieden – wurden die Celtic-Spieler tätlich angegriffen. Dabei hatte es der Linfield-Anhang vor allem auf Jimmy Jones abgesehen. Jones wurde über ein Geländer auf die Stehterrasse gestoßen, wo man ihn übel zurichtete. Sein Bein wurde gebrochen, und es dauerte einige Zeit, bis sich Jones von dem Zwischenfall wieder erholt hatte und seine Karriere fortsetzen konnte. Nach langen Diskussionen entschied Celtics Vereinsführung, dass Spielern und Fans eine weitere Beteiligung an der Irish League nicht zuzumuten sei. Eine komplette Mannschaft wurde auf die Transferliste gesetzt, und für Belfast Celtic wurde Crusaders FC in die Irish League aufgenommen, ein Klub aus einem Viertel protestantischer Hafenarbeiter im Norden Belfasts.

      In den folgenden Jahren heißt der Meister entweder Linfield oder Glentoran. 1948/49 und 1949/50 holt Linfield den Titel, 1950/51, 1951/52 und 1952/53 Glentoran. Anschließend ist wieder Linfield dran. Da es keinen katholischen/irisch-nationalistischen Widersacher mehr gibt, spielt sich Belfasts Fußballrivalität nun nur noch zwischen protestantischen Klubs ab.

      Too long in exile?

      Wie eingangs erwähnt, hält George Best Glentorian für einen „katholischen“ Klub und wundert sich darüber, dass sein Vater und Großvater dorthin pilgern. Seine Vermutung rührt vermutlich daher, dass die „Glens“ nach dem Ausstieg der Belfast Celtics nun Linfields hauptsächlicher Widersacher sind. Und dass – im Unterschied zum FC Linfield – bei Glentoran auch einige Katholiken mitkicken dürfen. Außerdem machen sich Linfield-Fans einen Spaß daraus, die „Glens“ wegen ihrer grünen Trikots aufzuziehen – denn Grün gilt als Farbe der irisch-katholischen Nationalisten (allerdings spielt auch die nordirische Nationalelf in Grün). Bis heute kommt es bei Spielen zwischen den beiden Klubs immer wieder zu Ausschreitungen, die aber nur Ausdruck einer geografisch bestimmten Rivalität innerhalb der protestantischen Community sind. In den Führungsetagen der beiden Klubs sitzen ausschließlich Protestanten, auf den Rängen ebenso. In Belfast kommt niemand auf den Gedanken, die „Glens“ als „katholisch“ zu bezeichnen.

      Für Eamon McCann dokumentieren Bests verzerrte Erinnerungen eine Unsicherheit bezüglich seiner Herkunft: „Es sind Aussagen eines Mannes, der Probleme damit hat, sich der Kultur, die ihn geformt hat, zu erinnern. Der versucht und dabei scheitert, sich vorzustellen, was wohl der Inhalt dieser Kultur gewesen sein mag. Er war zu lange im Exil, zu früh und zu weit weg, als dass ihm eine echte Verwurzelung Sicherheit geben könnte.“ Too long in exile – der ebenfalls aus East Belfast stammende Musiker Van Morrison wird später einen Song darüber schreiben.

      Vielleicht gibt es für Bests widersprüchliche und fehlerhafte Aussagen noch einen weiteren Grund. Sowohl George wie seine Schwester Barbara legen größten Wert darauf, dass ihre Eltern keinen Unterschied zwischen protestantischen und katholischen Mitbürgern gemacht hätten, dass sie gewissermaßen mit einer antisektiererischen Haltung aufgewachsen seien. Die Familie sei unpolitisch gewesen. Im Großen und Ganzen mag dies zutreffen. Aber wie bereits geschildert, bewegt sich auch die Familie Best nicht völlig außerhalb des sektiererischen Grundmusters der nordirischen Gesellschaft. Dies ist auch kaum möglich.

      Eins teilt sich in zwei

      Nach der Teilung der irischen Insel hatten der Norden und der Süden auch im Fußball getrennte Wege eingeschlagen. Die führenden Klubs des Free State sagten sich von der in Belfast beheimateten und von Unionisten dominierten IFA los und gründeten mit der Football Association of Ireland (FAI) einen eigenen Verband, der bald auch seine eigene Nationalelf auf den Rasen schickte.

      Allerdings durfte die IFA für Spiele um die britische Meisterschaft auch Spieler aus dem Süden nominieren. Eine Reihe von Spielern lief für beide Verbände auf – so u.a. die aus der südirischen Grafschaft Donegal stammende Celtic-Glasgow-Legende Patsy Gallagher. 1947 bestritt Nordirland sein zweites Nachkriegsländerspiel gegen Schottland im Glasgower Hampden Park mit sieben Südiren. Doch nachdem der Süden sich ganz aus dem Commonwealth gelöst hatte, verhärtete sich das Verhältnis zwischen IFA und FAI. 1949 rief die Regierung in Dublin die Republik aus. Aus dem Irish Free State wurde die Republic of Ireland. Mit Auftritten für beide Verbände war es nun vorbei.

      Die Gaelic Games und Rugby blieben von der Teilung unberührt. Die Gaelic Games schon deshalb, weil sie eine nationalistische und damit gesamtirische Zielsetzung verfolgten. Beim Rugby ist es komplizierter. Auf der Aktivenebene war und ist das Spiel in Irland ein Sport der Mittel- und Oberschichten. Gesamtirisch wird Rugby von beiden Konfessionen betrieben, ist aber im Norden unionistisch/protestantisch dominiert. In Nordirland sind katholische Rugby-Aktivisten in der Regel gut situiert und frönen keinen irisch-nationalistischen Aspirationen. International tritt die Insel mit einer gesamtirischen Mannschaft auf.

      Innerhalb Belfasts findet der politische und kulturelle Konflikt seinen deutlichsten Ausdruck im Soccer, da dieser von beiden Communitys gespielt und verfolgt wird. Auch sein Charakter als Sport der unteren Schichten dürfte hierzu beitragen. In einer „Apartheid-Gesellschaft“ wie der nordirischen bietet Soccer einen der wenigen Anlässe, bei dem größere Mengen von Katholiken und Protestanten an einem Ort zusammentreffen. GAA-Sports ist für Auseinandersetzungen „ethnisch“, politisch und kulturell zu homogen; im Rugby mischen zu viele Gentlemen mit.

      1951 bekommt Nordirlands Nationalelf mit Peter Docherty einen ersten richtigen Trainer. Nicht alle IFA-Funktionäre sind begeistert. Vielen ist Docherty zu intelligent. Und er ist Katholik. Der ehemalige Manchester-City-Spieler ist ein moderner Übungsleiter und vielen seiner englischen Kollegen voraus.

      In den Jahren vor Doherty hat die nordirische Nationalelf eine Serie deftiger Niederlagen kassiert. Von den 19 Begegnungen zwischen dem 28. September 1946 und 19. März 1952 wurden nur zwei gewonnen, 13 endeten mit einer Niederlage. Unter Docherty wird es nun besser. Er setzt auf junge Talente und lässt ihnen Zeit. Vorher hatte ein Selection Team die Aufstellung ständig gewechselt, und ein Debütant, der nicht auf Anhieb überzeugen konnte,