Dietrich Schulze-Marmeling

George Best


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schottische Einwanderer heimisch, die in der Regel Protestanten waren.

      In den 1850ern begann in Belfast ein ökonomischer Boom, der mit einer Bevölkerungsexplosion einherging. Zugleich änderte sich die konfessionelle Demografie der Stadt radikal. Ein Drittel ihrer Einwohner waren nun Katholiken. Viele von ihnen kamen aus dem Westen der Provinz Ulster, vertrieben durch die Hungerkatastrophen, die zwischen 1846 und 1851 die irische Insel plagten und als „Great Famine“ in die Geschichtsbücher eingingen. 1841 zählte Belfast noch rund 70.000 Einwohner. 1911 lebten bereits 386.000 in der Ulster-Metropole, womit sich die Bevölkerung im Zeitraum von 70 Jahren mehr als verfünffacht hatte.

      Die katholischen Neu-Ankömmlinge ließen sich vor allem im Westen der Stadt nieder. Das Hauptsiedlungsgebiet der Protestanten war der Osten, wo die großen und wichtigsten Industrien entstanden, und auch der Süden war überwiegend protestantisch. Den Norden der Stadt teilten sich die Konfessionen, aber nur in dem Sinne, dass protestantische Gebiete neben katholischen lagen. Man grenzte sich auch hier gegeneinander ab.

      In den Jahren 1857, 1864, 1872 kam es zu sektiererischen Ausschreitungen in Belfast, die die Segregation von Protestanten und Katholiken weiter verstärkten. 1901 lebten 60 Prozent der Bürger Belfasts in Straßen, die entweder zu 90 Prozent protestantisch oder katholisch waren. Aber auch in konfessionell gemischten Straßen existierte häufig eine Trennlinie: Das eine Ende der Straße wurde von Protestanten bewohnt, das andere von Katholiken.

      Als Pfeiler der Belfaster Industrie hatten sich Mitte des 19. Jahrhunderts der Schiffbau und die Leinenproduktion etabliert. 1912 war die Hälfte aller 140.000 lokalen Arbeitskräfte in diesen beiden Industriezweigen beschäftigt. Harland & Wolff, im protestantischen Osten der Stadt und an der Mündung des Flusses Lagan in die Irische See gelegen, war die größte Werft im Vereinigten Königreich und besaß das größte Trockendock der Welt. 1911 lief hier die Titanic vom Stapel. Belfast war Standort der weltweit umfangreichsten Schiffsproduktion. Deren Facharbeiterschaft bestand fast ausnahmslos aus Protestanten.

      Belfast beherbergte außerdem die größte baumwollverarbeitende Industrie der Welt, weshalb die Stadt auch „Linenpolis“ genannt wurde. Die York Street Flax Spinning Mill im Norden der Stadt war die weltweit größte Leinenfabrik.

      Ein Staat für die Protestanten

      1921/22 wurde die bis dahin komplett von England beherrschte irische Insel geteilt. 26 Grafschaften bildeten einen „Free State“, in dem die katholische Kirche das Sagen hatte. Die restlichen sechs Grafschaften verblieben als Nordirland im Vereinigten Königreich. Hier waren zwei Drittel der Bevölkerung protestantisch. Anders als Schottland und Wales bekam Nordirland ein eigenes Parlament und eine eigene Regierung, deren Minister aber bis 1972 ausschließlich von der protestantischen Unionist Party gestellt wurden. Nordirlands erster Premierminister James Craig, der von 1921 bis zu seinem Tod 1940 die Provinz regierte: „Wir sind ein protestantisches Parlament und ein protestantischer Staat.“ Auch die bewaffneten Kräfte des Staates bestanden fast ausschließlich aus Protestanten. Nordirlands Polizei sah ihre vorrangige Aufgabe darin, die protestantische Vorherrschaft gegenüber etwaigen (katholischen) Rebellen zu verteidigen.

      Die Konstituierung des nordirischen Staates wurde von Pogromen begleitet. Von den 93.000 Belfaster Katholiken wurden 11.000 vertrieben, weil ihre bisherigen Arbeitsplätze in protestantischen Gebieten lagen. 23.000 Katholiken mussten ihre Häuser verlassen. 500 katholische Geschäfte wurden geplündert und ausgebrannt. 257 Katholiken und 157 Protestanten wurden ermordet. In Nordirland hatten sich nun jene politischen Lager herausgebildet, die den Konflikt in den folgenden Jahrzehnten prägen sollten: auf der einen Seite Protestanten, die loyal zur britischen Union und zur Krone standen („Unionisten“ bzw. „Loyalisten“), auf der anderen Seite hauptsächlich Katholiken, die für ein Zusammengehen mit der Republik Irland und eine einheitliche irische Nation eintraten („Republikaner“ bzw. „Nationalisten“).

      Protestantischer und katholischer Fußball

      Auf der irischen Insel stand die Wiege des Soccers in Belfast. Aber Soccer hatte harte Konkurrenten. Bei den Katholiken waren es die gälischen Spiele Gaelic Football und Hurling, die von der 1884 gegründeten Gaelic Athletic Association (GAA) gepflegt wurden. Innerhalb des protestantischen Lagers bevorzugten dessen bessere Schichten Rugby gegenüber Soccer.

      Die Gaelic Games wurden fast ausschließlich von Katholiken/Nationalisten betrieben. Die GAA spielte im Konzept des irischen Nationalismus eine bedeutende Rolle und war somit von Beginn an eine auch politische Institution. Die Popularisierung der gälischen Sportarten sollte den kulturellen Einfluss der englischen Kolonialmacht zurückdrängen, der sich besonderes in „British sports and pastimes“ manifestierte, und das verschüttete Selbstbewusstsein der irischen Nation wecken. In Nordirland hatten Angehörige der Polizei und der britischen Armee keinen Zutritt zur GAA.

      Obwohl irisch-nationalistische GAA-Puristen den englischen Soccer als „fremdes Spiel“ und „Spiel der Kolonialherren“ denunzierten, mobilisierte Fußball in der Industriestadt Belfast auch die katholische Arbeiterschaft.

      Am 18. November 1880 wurde im Belfaster Queen’s Hotel die Irish Football Association (IFA) aus der Taufe gehoben. Nach der englischen Football Association (FA, 1863), der Scottish Football Association (SFA, 1873) und der Wales Football Association (WFA, 1876) ist die IFA der viertälteste nationale Fußballverband der Welt. In Belfast entwickelte sich fortan eine Vereinslandschaft, die dem politischen und konfessionellen Muster der Stadt entsprach. Der erste Klub Irlands überhaupt war der 1879 vom schottischen Kaufmann John McAlery gegründete Cliftonville FC im Norden der Stadt. 1882 entstand im Osten der Glentoran FC, benannt nach dem Anwesen seines ersten Präsidenten Victor Coates, Besitzer einer Eisengießerei. 1886 wurde in Süd-Belfast der Linfield FC ins Leben gerufen, auf Initiative von Arbeitern der Ulster Spinning Company in Sandy Row. Cliftonville, Glentoran und Linfield waren protestantische Adressen. Linfield unterhielt enge Beziehungen zu den Glasgow Rangers und spielte wie diese in den britischen Farben Blau-Weiß-Rot.

      1891 bekamen auch Belfasts Katholiken ihren Klub. In der Gegend um die Falls Road im katholischen Westen der Stadt wurde Belfast Celtic gegründet. Celtics Vorbild war der größere Glasgower Namensvetter, der 1888 von irisch-katholischen Immigranten konstituiert worden war. Belfast Celtic übernahm auch das Trikot vom großen Bruder.

      In den folgenden 60 Jahren lieferten sich der „protestantische“ Linfield FC und das „katholische“ Belfast Celtic einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft im Belfaster und nordirischen Fußball. Die Rivalität wurde von Beginn an von sektiererischen Ausschreitungen begleitet. Ebenso gab es Auseinandersetzungen, wenn Celtic gegen Glentoran spielte. Wie Linfield war auch Glentoran FC, der Lieblingsverein des jungen George Best, in einem protestantischen Arbeiterbezirk beheimatet. Das Stadion „Oval“ lag im Werftarbeiterbezirk Ballymacarret und in Nachbarschaft zu Harland & Wolff. Ballymacarret war das Herzstück des protestantisch-proletarischen East Belfast. Viele der Anhänger der „Glens“ arbeiteten auf den Werften und in deren Zulieferbetrieben im Belfaster Osten.

      Belfast Boy

      East Belfast ist auch die Heimat von George Best. Sein Vater Richard, genannt Dickie, arbeitet als Dreher bei Harland & Wolff, und auch dessen Vater war bereits dort beschäftigt. Dickie Best ist als Gewerkschafter aktiv, aber wie alle Arbeiter auf der Werft versteht er sich auch als überzeugter protestantischer Unionist. Harland & Wolff ist der größte industrielle Arbeitgeber Nordirlands, und seine zu fast hundert Prozent protestantische Arbeiterschaft bildet traditionell das proletarische Rückgrat der Bewegungen gegen irische Einheit und Unabhängigkeit.

      George Bests Mutter Anne, eine geborene Withers, arbeitet in der Zigarettenfabrik Gallaher’s in der York Street. Eine Zeit lang ist Gallaher’s sogar der weltweit größte unabhängige Produzent von Tabakwaren. In Belfast verdingen sich viele Frauen in der Industrie, vor allem auf katholischer Seite, wo die Männer ohne Arbeit sind oder nur magere Löhne einstreichen. In der Leinenindustrie sind zeitweise 70 Prozent der Beschäftigten Frauen, während auf den Werften ausschließlich Männer arbeiten. Im Belfast der 1940er und 1950er Jahre sind Arbeiterinnen katholisch und Arbeiter protestantisch.

      Aber Anne Best ist ein Beispiel dafür, dass auch in den protestantischen