werden. Seit der Geburt des Jungen war das mein größter Wunsch. Aber sein Vater hatte andere Ideen: Eine politische Laufbahn – das wünschte er sich für seinen klugen Sohn.«
KAPLAN: »Eine politische Laufbahn – unter der faschistischen Herrschaft?«
SIG. SILOTTI: »Bruno glaubte, dass unser Sohn dazu bestimmt sei, eine führende Rolle im neuen italienischen Imperium zu spielen. Er war noch ehrgeiziger für seinen Sohn als Ernesto selbst.«
KAPLAN: »Signora Silotti – sagen Sie mir die Wahrheit: Ist Ihr Mann Faschist?«
SIG. SILOTTI: »Nun, allerdings … er war in der Partei: das musste er, in seiner Stellung … wenn Sie das meinen …«
KAPLAN: »Nein, das habe ich nicht gemeint. Was ich wissen möchte, ist vielmehr, ob er Faschist ist – im H e r z e n.«
SIG. SILOTTI: »Das weiß ich nicht – wirklich, ich weiß es nicht. Er hat nie viel mit mir geredet. Er dachte, Frauen verstehen nichts von Politik. Er dachte, ich sei sehr dumm. Vielleicht bin ich das. Ich verstehe nichts vom Faschismus. Ich weiß nur, dass unser Padre nichts davon hielt, und unser Padre war ein heiliger Mann. Ich fürchte … Vielleicht hatte Bruno etwas mit der Verhaftung unseres Padre zu tun. Ich ertrage den Gedanken nicht …«
KAPLAN: »Regen Sie sich nicht wieder auf, Signora. Bleiben Sie ruhig. Sie müssen vor nichts Angst haben.«
SIG. SILOTTI: »Ich hatte immer Angst, seit Bruno unseren Jungen nach Bologna geschickt hat. Ich weiß nicht, was Ernesto studiert hat, dort unten an der Universität – Politik, nehme ich an. Außerdem ist er einer dieser gottlosen Jugendorganisationen beigetreten; aber die haben ihn nicht lange bei sich behalten: sie konnten ihn nicht brauchen, wegen seiner körperlichen Verfassung. Und es ist gut, dass er zurückgekommen ist! Die Nazis hätten ihn töten können. Sie wissen, was sie mit Krüppeln anstellen …«
KAPLAN: »Aber jetzt ist er wieder bei Ihnen. Wovor fürchten Sie sich jetzt?«
SIG. SILOTTI: »Er ist so anders – ja, das ist er. Er hat sich verändert, er ist nicht mehr derselbe. Natürlich ist er immer ein Problemkind gewesen – kein Wunder, bei seinem … seiner Verfassung … Aber in letzter Zeit ist er noch schwieriger geworden. Bologna hat etwas mit ihm gemacht.«
KAPLAN: »Wie meinen Sie das – noch schwieriger? Ist er nervös? Deprimiert?«
SIG. SILOTTI: »Ich weiß es nicht. Es ist schwer zu beschreiben. Ja, ich nehme an, er ist deprimiert. Und er ist auch verbittert. Er macht sich große Sorgen um die militärische Lage. Und um seinen Vater. Es ist schlimmer mit ihm geworden, seitdem sein Vater fort ist.«
KAPLAN: »Stand er ihm sehr nahe?«
SIG. SILOTTI: »Ja, die beiden hatten immer viel miteinander zu bereden – Politik und Strategie und andere Sachen, von denen Frauen nichts verstehen. Natürlich durfte ich nie an ihren Gesprächen teilnehmen: Ich bin zu unwissend. Aber es ging mir besser, wenn ich den Jungen so lebhaft gesehen habe, so voller Hoffnung … Dann verließ uns sein Vater – eines Nachts, ohne mir Auf Wiedersehen zu sagen. Und jetzt weiß ich nicht mehr, was ich mit dem Jungen anstellen soll. Ich habe gedacht, die Weihnachtsfeier würde ihn aufheitern; das gute Essen, die Kinder …«
Es klopft an der Tür.
KAPLAN (auf Englisch): »Wer ist da? Kommen Sie herein.«
In der offenen Tür – JACK. Hinter ihm der junge LIEUTENANT, ein ROTKREUZ-MÄDCHEN und der ERSTE GI (TOM) aus Szene 4.
JACK (auf Englisch): »Störe Sie ungern, Kaplan: aber wir sind mit allem fertig – Weihnachtsbaum und überhaupt. Denke, wir sollten jetzt mit der Feier anfangen.«
KAPLAN (auf Englisch): »Ja, natürlich! Ich wollte nicht, dass ihr auf mich wartet, Jackie. Die armen Kinder – die müssen schon ganz ungeduldig sein …«
LIEUTENANT (steht hinter Jack, lacht): »Und was ist mit uns, Kaplan? Wir sind auch ziemlich ungeduldig! Wir sind schließlich ebenfalls eingeladen!«
KAPLAN (begeistert): »Ja, natürlich! Und wie! Gut, Sie zu sehen, Lieutenant.« (An das Rotkreuz-Mädchen gewandt:) »Du auch, Betty – schön, dass du gekommen bist!« (An den GI gewandt:) »Und du … Liebe Güte, mein Gedächtnis! Wie heißt du noch einmal?«
TOM: »T-5[9] Tom McCowley, Sir.«
KAPLAN: »Tom – natürlich. Dumm von mir, dass ich das vergessen hatte. Und hör zu, Tom: Sag nicht ›Sir‹ zu mir, oder …!«
TOM: »Oder Sie nennen mich Corporal, Sir?«
KAPLAN: »Oder ich nenne dich T-5, das ist schlimmer – außerdem werde ich meiner Freundin Betty sagen, dass du keinen einzigen Donut bekommst.«
ROTKREUZ-MÄDCHEN: »Keinen einzigen! Sei also vorsichtig, Tom.«
JACK: »Also, wie ist der Schlachtplan, Kaplan? Sollen wir mit den Spielen anfangen? Oder zuerst die Geschenke? Oder die Schoko? Oder was?«
KAPLAN: »Schlage vor, zuerst die Schokolade …« (Er verlässt den Raum.)
ROTKREUZ-MÄDCHEN (im anderen Raum): »Wenn ich mich nützlich machen kann …«
KAPLAN: »Kannst du, Betty, kannst du … Also schauen wir mal: gibt es genügend Becher und Löffel?«
SIG. SILOTTI (noch in der Küche, ängstlich): »Mister Padre …«
KAPLAN (kommt zurück): »Wirklich, ich bin ja unmöglich!« (Auf Italienisch:) »Vergeben Sie mir, Signora, dass ich Ihnen meine Freunde nicht sofort vorgestellt habe …«
SIG. SILOTTI (auf Italienisch): »Nein, darum ging es mir nicht …«
KAPLAN (auf Italienisch): »Mit Ihrer Erlaubnis, Signora: Diese hübsche junge Dame ist Betty, eine wichtige Stütze des Rotkreuz-Feldlazaretts. Und dieser verwegene junge Mann ist Lieutenant … Lieutenant …«
LIEUTENANT: »Jimmy.«
KAPLAN (auf Italienisch): »Tenente Jimmy, genau. Und das ist mein Freund Tom.« (An Tom gewandt, auf Englisch:) »Muss ich ihr sagen, dass du T-5 bist?«[10]
TOM: »Sie können ihr auch erzählen, ich wäre General: Ich würde den Unterschied nicht merken. Dieses Kauderwelsch! Ich begreife nicht, wie irgendjemand das verstehen kann.«
KAPLAN (auf Englisch): »Tut ja keiner – wenn ich versuche, Italienisch zu sprechen. Meine Aussprache ist erbärmlich.«
LIEUTENANT: »Meine ist wunderbar.« (An Sig. Silotti gewandt:) »Come sta, Signorina?«
KAPLAN: »›Signora‹, Jim – bitte!«
LIEUTENANT: »Tut mir leid.«
SIG. SILOTTI (an den Lieutenant gewandt, in gebrochenem Englisch): »Danke, Mister Tenente … mir …geht … es … gut.«
Die Amerikaner brechen in Gelächter aus. SIG. SILOTTI – zuerst verwirrt über die unerwartete Reaktion – stimmt in die allgemeine Heiterkeit ein.
KAPLAN (an Sig. Silotti gewandt; auf Italienisch): »Es ist schön, Sie wieder lachen zu sehen, Signora! Und jetzt lassen Sie uns hineingehen und mit den Kindern feiern.« (Er bietet ihr den Arm, um sie ins Wohnzimmer zu führen.)
SIG. SILOTTI (hält ihn mit einer furchtsamen Bewegung zurück): »Aber, Mister Padre … Sie haben versprochen … vorgeschlagen … Wissen Sie nicht mehr? Ernesto – Sie wollten mit ihm reden …«
KAPLAN (in der Tür): »Ernesto – natürlich. Er sollte bei uns sein. Ich tue mein Bestes, ihn zu überreden … Warten Sie, ich hole nur ein kleines Weihnachtsgeschenk für ihn …« (Geht in den anderen