rel="nofollow" href="#udc4892f7-9790-47be-8b39-7a83d32337b1">»White man cannot jump – oder ich habe keine Vorurteile«
Afrikanische Erfolgsgeschichten – Afrikas Umgang mit Migranten und Flüchtlingen
Überblick zur politischen Geschichte Guineas seit der Unabhängigkeit
Abdourahmane Diallo
Vorwort
Jean Claude Diallo war 62 Jahre alt, als er, für uns alle vollkommen unerwartet, starb. Sein Hausarzt hatte ihm auf Grund einer Herzschwäche, beruflicher Überbelastung und seines Übergewichts eine Kur verordnet, die er nach einer längeren Auseinandersetzung mit den zuständigen Behörden im März 2008 antrat. Ich wusste, er war müde, und wir waren überzeugt, dass eine längere Pause seinem Allgemeinzustand guttun würde, damit er das letzte halbe Jahr vor Beginn seiner Ruhephase der Altersteilzeit mit ausreichender Kraft zu Ende bringen konnte. Eine Woche nach Beginn der Reha brach er nach einer medizinischen Kontrolle zusammen.
Uns, seine vier Kinder, seine und meine Verwandten, seine Freunde, seine politischen Weggefährten und mich, seine Frau, traf sein Tod so unvorbereitet, dass es uns in einen Schockzustand versetzte. Irgendwann aber führte die Tatsache, dass »alles weiter geht«, dazu, dass sich mein Leben und das Leben unserer Kinder neu regelte; es blieb nicht stehen, wie wir anfangs glaubten, es nahm uns mit!
In dieser Zeit entstanden der Wunsch und die Idee, über Jean Claude zu schreiben, ihm ein kleines Denkmal zu setzen und anderen zu vermitteln, warum er für uns alle so wichtig war. Aus unserer kleinen Truppe »Freundeskreis Jean Claude Diallo« haben einzelne Mitglieder eigene Texte zum Buch beigetragen. Sie unterstützten und berieten mich bei der Planung, Entwicklung und Durchführung des Buches; auch meine Kinder waren mir dabei eine sehr große Hilfe. Unterschiedliche Menschen, die mit JC, so sein Kürzel in diesem Buch, freundschaftlich, politisch, beruflich und familiär verbunden waren und es noch immer sind, haben Texte geschrieben. Mein Anliegen war es, Personen zu finden, die ein Stück des Weges beschreiben, den sie gemeinsam gegangen sind, und was sie mit ihm verband. Um die einzelnen Fragmente zusammenzufügen und einen Gesamteindruck zu vermitteln, habe ich Geschichten und Erlebnisse aus unserem Familienleben eingefügt, so dass ein chronologischer Ablauf entsteht. JC führte ausführliche Arbeitskalender während seiner Zeit als Psychologe, Leiter einer Beratungs- und Therapieeinrichtung in Düsseldorf und Frankfurt sowie als Leiter eines Fachbereichs im Evangelischen Regionalverband Frankfurt. Diese Kalender habe ich benutzt, um mit Hilfe seiner Einträge meine Erinnerungen wachzurufen – Erinnerungen an Reisen, Erinnerungen an offizielle und private Ereignisse, Erinnerungen an aufregende Zeiten und alltäglichen Gleichklang.
Im ersten Teil des Buches erzählen Familienmitglieder, Freund*innen, Kolleg*innen und politische Weggefährt*innen von gemeinsam erlebten Zeiten mit Jean Claude Diallo. Die Kapitel, die im Inhaltsverzeichnis kursiv geschrieben sind, wurden von mir, Barbara Gressert-Diallo, der Herausgeberin des Buches geschrieben.
Jean Claude Diallo kommt im zweiten Teil des Buches mit Texten aus seinem beruflichen und politischen Wirken zu Wort, viele seiner Sichtweisen, Eindrücke und politischen Statements haben noch heute Gültigkeit. Seine Texte entstanden zwischen 1980 und 2005. Bis heute hinterlässt er Spuren, sowohl in der Frankfurter Stadtgesellschaft als auch in Guinea. Als Afrikaner in Frankfurt kämpfte er für eine Gesellschaft ohne Vorurteile, wo jeder und jede ihren Platz finden kann. Als Guineer kämpfte er für eine bessere Zukunft seines Landes. Wieviel er in beiden Gesellschaften erreicht hat, kann man nicht messen oder durch Zahlen belegen, aber dass er sein ganzes Leben für diese Ideale gekämpft hat, macht ihn zu einem besonderen Vorbild.
Barbara Gressert-Diallo, im September 2020
Mitglieder des »Freundeskreises Jean Claude Diallo« vor der für ihn gepflanzten Zeder in der Rose-Schlösinger-Anlage am Nußberg
I. Erinnerungen an
Jean Claude Diallo
JC beim Dreh des Filmes »FRANKFURT – CONAKRY Rückkehr ins Land des Elephanten«
FREWEINI ZERAI
Freweini Zerai aus Eritrea erinnert sich 2018 an ihren Freund Jean Claude.
JC mit seinem Patenkind Natti – Sohn von Freweini Zerai
Aus politischen Gründen flüchtete sie 1980 aus Eritrea nach Deutschland. Sie lernte Jean Claude bei ihrer Bewerbung für eine Stelle im Regenbogen – Internationale Stadtteilarbeit am Bügel kennen. Seit dieser Zeit waren sie eng befreundet. Sie leitete die Einrichtung des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt am Main bis 1992, ab1993 das Fachkräfteprogramm Eritrea bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). 1996 kehrte sie nach Eritrea zurück und arbeitete im Ministerium für Arbeit und Soziale Wohlfahrt, danach beim United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UNOCHA) und für Ärzte ohne Grenzen. 2004 musste sie ein zweites Mal flüchten. Seit einigen Jahren lebt sie in München, wo sie als Geschäftsführerin beim Verband binationaler Familien und Partnerschaften e. V. arbeitet.
Wie konnte er nur?!
Das ist der Satz, der mir immer einfällt, wenn ich mit dir reden möchte und feststelle, dass du nicht mehr da bist! Über die Jahre habe ich sehr viele enge Freunde verloren. Freunde, mit denen ich längere Abschnitte meines Lebens verbracht habe. Sie sind jung gestorben. Das tat und tut weh. Sie taten mir sehr leid. Ich war jedes Mal sehr traurig. Bei dir, Jean Claude, war und bin ich immer wütend. Ich fühle mich verlassen. Und ich weiß, nicht nur mir geht es so! Wie konntest du nur?
Nicht nur mir … Dass andere dich auch als besten Freund haben, wurde mir erst bei der Feier zu deinem 60. Geburtstag bewusst! Bis dahin dachte ich in meiner Naivität, ich wäre die einzige Nummer Eins! Jetzt wusste ich, dass doch sehr viele die Nummer Eins waren. Es kamen noch mehr hinzu. Wie hast du es nur geschafft?
Ich weiß nicht mehr, wann wir uns kennengelernt haben. Wenn ich zurückdenke – du warst immer da! Ich kann auch nicht sagen, dass uns nur eine Sache verbunden hat. Politik? Exilerfahrung? Arbeit? Gesellschaft? Du warst einfach mein Freund! Bei dir hatte ich keine Bedenken, Falsches laut auszusprechen. Ich konnte mich fallen lassen. Ich war weder Afrikanerin noch Flüchtling noch Irgendwas. Ich war einfach Weini!
Du konntest laut und engagiert diskutieren. Ja, laut warst du! Weißt du, hier in Deutschland ist es mir nicht so aufgefallen, dass du laut bist – weil für mich die meisten hier laut sind. Und groß! Aber in Asmara! Asmara – bei meiner Mutter: Fischgericht! »Das Beste, was ich je gegessen habe« – hast du immer wieder gesagt. Und dann nimmst du dir sogar Zeit, dich wie ein Kolonialherr beim Barbier rasieren zu lassen. Mir warst du immer gut für Überraschungen.
Mein Freund, mein Mentor, mein Spiegel, Patenonkel meines Sohnes. – Ach, wie schade, viele Einzelheiten unserer gemeinsamen Zeit verblassen.