gelacht wie mit dir! Das gelingt mir eher auf Tigrinia1. Sogar über deine direkte Kritik konnte ich lachen! Lob – naja, das war nicht so dein Ding!
Dein Lieblingsthema – Vodoo – wir Eritreer kennen das nicht. Was für viele Europäer nicht nachvollziehbar ist. Durch dich bin ich ein Stück näher zu Afrika gekommen. Durch deine Geschichten konnte ich oft die Klischees verstehen und gleichzeitig durch deine Biografie, die in keine Schublade passt – widerlegen.
Das Hier und Jetzt voll erleben und leben… das hast du vollkommen beherrscht. Bis heute – wenn ich mich hetze und merke, dass ich am Rande eines Stuhls sitze, muss ich sofort an dich denken und in die Mitte rutschen. Ja, die Mitte! Ist es dir bis zum Schluss gelungen, in der Mitte zu sein? Ich habe dich ja in den letzten Jahren nicht so oft gesehen. Du hattest mir versprochen, mich nach Frankfurt zu holen … dazu sollte es wohl nicht kommen. Aber mir geht es gut, Jean Claude! Wie hast du immer zu mir gesagt: »Bei dir wird es wohl nie langweilig.« Bei dir auch nicht, Jean Claude.
Ich stelle mir dich vor – wie du irgendwo sitzt, ganz bequem, du hörst und siehst mein Verzweifeln, was ich hier schreiben soll – und sagst: »Oh Weini, jetzt musst du alleine durch, ich will mich entspannen und meine Ruhe haben.« So kenne ich dich nicht, Jean Claude. Wie kannst du nur?!
1980 Beginn der Kalenderaufzeichnungen und Erinnerungen an unser gemeinsames Leben in Frankfurt am Main.
Unsere Hochzeit im Standesamt von Königstein i. T., schwarz-weiß einmal umgekehrt (1978)
Ein neuer Lebensabschnitt beginnt
Seit 1977 lebte und arbeitete ich in Königstein / Falkenstein als Ergotherapeutin und wohnte in einem sehr, sehr kleinen Häuschen in Falkenstein. Jean Claude kam 1978 aus Marokko, und wir begnügten uns mit dieser minimalistischen Wohnsituation. Wir heirateten, ich wurde schwanger, und wir zogen nach Eschborn.
Durch einen glücklichen Zufall erfuhr Jean Claude 1980 über eine Nachricht im Radio, dass das Diakonische Werk in Hessen und Nassau einen afrikanischen Psychologen für Beratung und Therapie afrikanischer Flüchtlinge im Psychosozialen Zentrum für ausländische Flüchtlinge in Frankfurt am Main suchte. Es war gerade die Zeit, als viele Geflüchtete aus Eritrea in Deutschland eintrafen. JC bewarb sich und bekam die Stelle.
Wir wohnten seit einem Jahr in Eschborn in einer schönen Dachwohnung, in die wir nach langem Suchen hatten einziehen können. Ein freundlicher, weltoffener Hausbesitzer nahm uns damals auf, in seiner Anzeige stand der seltsame Satz: »Vermiete Dreizimmerwohnung an junge Familie möglichst mit Kind.« Wo gibt es so etwas noch? Als wir – ich hochschwanger, er dunkelhäutig – vor der Haustür standen, um die Wohnung zu besichtigen, fürchteten wir die nächste Absage. Wir hatten in Königstein und Umgebung schon viele Vermieter gehört oder gesehen, die, sobald sie hörten, dass wir ein Kind bekommen und dass der Vater auch noch schwarz ist, alle nur möglichen Ausreden fanden, um uns die zu vermietende Wohnung nicht zu geben. Bei Ali und Heidrun war es anders. Wir bekamen die Wohnung, wurden mit offenen Armen aufgenommen und blieben fünf Jahre. Erst als unser drittes Kind kam, benötigten wir mehr Platz und zogen nach Frankfurt. Auch hier hatten wir Glück. Die Evangelische Kirche besaß ein leerstehendes Pfarrhaus im Frankfurter Stadtteil Bockenheim mit einem wunderbaren großen Garten, und 1982 zogen wir dort ein. Wir hatten genug Platz, um Jean Claudes Bruder Gérard, der gerade aus Conakry kommend bei uns gelandet war – Dauer des Aufenthalts unbekannt –, und meine Schwester Gabi, die ebenfalls einen neuen Lebensabschnitt begann, bei uns aufzunehmen.
CHRISTOPH BUSCH
Christoph Busch, ein engagierter Pfarrer, und seine Frau Veronika waren unsere Nachbarn. Wir wurden Freunde. Chistoph war und ist engagiert in der Flüchtlingsarbeit, sodass Jean Claude und er nicht nur viele Berührungspunkte privat, sondern auch im beruflichen Alltag hatten. Sie führten auch einige gemeinsame Projekte durch. Über eines dieser Projekte schrieb Chistoph 2018/19 diesen Text.
Christoph Busch und JC
Seit 1970 evangelischer Pfarrer. Von Anfang 1980 bis zu seiner Pensionierung war er Pfarrer in der Evangelischen St. Jakobs-Gemeinde in Frankfurt-Bockenheim.
Die kurze Zeit einer Hoffnung
Mit Jean Claude Diallo in Bosnien
Bei einer der Fahrten von Frankfurt nach Sanski Most haben Jean Claude und ich auch einmal über den Tod geredet. Ich habe damals gelacht: »Jean Claude, ich bin Jahre älter als Du! Du überlebst mich! Bestimmt! Viele Jahre!«
Es ist anders gekommen.
Wir kannten uns bereits seit mehr als zehn Jahren. Jean Claude und ich hatten mehrere Jahre mit unseren Familien in guter Nachbarschaft Haus an Haus gewohnt. Wir hatten uns angefreundet. Barbara und Veronika, unsere Ehefrauen, gehörten selbstverständlich in diese Freundschaft. Unsere Familien auch. Jean Claude und ich hatten beruflich das ein oder andere auf die Beine gestellt, er als leitender Repräsentant der kirchlichen Ausländerarbeit, ich als Gemeindepfarrer. So haben wir zum Beispiel Seminare zu Afrika gehalten oder Veranstaltungen zum Thema Flucht organisiert. Sogar ein Besuch bei den Diallos in Conakry war möglich geworden. Und dann tauchte Ende der 1990er Jahre das Projekt auf – »Sanski Most«!
Sanski Most ist eine Stadt im westlichen Bosnien. Sie wurde – wie alle Städte in Bosnien – von den Kriegshandlungen zwischen 1992 und 1995 tief getroffen und schwer gezeichnet. Hier wollte der Evangelische Regionalverband Frankfurt am Main (ERV) ein mit EU-Geldern finanziertes Aufbauprojekt organisieren. Ein Begegnungszentrum mitten in der Stadt sollte errichtet werden. Jean Claude war Initiator und Organisator dieses ungewöhnlichen Projektes. Ungewöhnlich, weil so gut wie alles an diesem Projekt für jede und jeden der Beteiligten neu war – nicht nur für uns Frankfurter, die wir uns in diesem Projekt engagiert hatten, ungewöhnlich war es auch für die bosnische Seite: ein Begegnungszentrum – wie sollte das gehen in der mehrheitlich muslimischen Stadt, die noch mitten dabei war, sich neu zu finden nach dem heftigen Krieg!? Jean Claude hatte eine kleine Gruppe zusammengestellt, die jeweils mit besonderen Aufgaben in dem Projekt tätig wurde: Zwei Mitarbeiter der Sozialberatung waren dabei, ebenso eine Psychologin des Psychosozialen Zentrums, auch ein Mitarbeiter der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit und die Geschäftsführerin des Fachbereichs in Jean Claude Diallos Büro. Der Hessische Rundfunk konnte als Medienpartner des Projektes gewonnen werden. Esther Gebhardt, Vorstandsvorsitzende des ERV11, hatte sich eigens Zeit genommen, bei einer der Fahrten nach Sanski Most mit dabei zu sein und sich vor Ort selbst ein Bild von der Situation zu verschaffen.
Ich war in der Zeit als Religionslehrer in einer Frankfurter Schule tätig, einer Schule, die von zahlreichen Kindern aus Familien von Kriegsflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien besucht wurde. So erhielt ich die Aufgabe, eine Schulpartnerschaft zwischen dieser Frankfurter Schule und dem Gymnasium in Sanski Most aufzubauen.
Kriegsflüchtlinge aus dem Jugoslawienkrieg – sie waren der Grund für Jean Claude, sich für dieses Projekt zu engagieren. Viele der Geflüchteten hatten eine erste Unterkunft und Betreuung in evangelischen Kirchengemeinden gefunden. Notunterkünfte für sie gab es in Gemeindezentren, manchmal sogar auf der Empore einer evangelischen Kirche.
Begegnungszentrum für Sanski Most – eine Idee der Verständigung und des Dialogs
Der Evangelische Regionalverband wollte nun mit diesem Projekt den Geflüchteten den Gedanken an eine Rückkehr in ihr Blickfeld rücken. Denn die Rückkehr der Geflüchteten gestaltete sich zögerlicher als erwartet. Nur wenige von ihnen konnten sich ein Herz fassen und in ihre alte, durch den Krieg zerstörte Heimat wieder zurückkehren. In dieser Situation sollte das Begegnungszentrum in Sanski Most für die Flüchtlinge ein Hoffnungszeichen werden für einen Neuanfang nach dem