alles von der Hand ging, und lustig zu hören, wie fröhlich sie dabei sang. Über dem Herde aber im Rauchfange hingen in stattlichen Reihen Würste, Speckseiten und Schinken und boten einen tröstlichen und erfreulichen Anblick dar. Das Wohnzimmer, die Putzstube und die Vorratskammer zu betrachten war nun erst recht ein Vergnügen. Die Fußböden waren blank gescheuert und mit weißem Sand bestreut, die alte Kuckucksuhr tickte behaglich, und der Sonnenschein kam durch die blanken Fensterscheiben und malte die Schatten von Geranium und Goldlack auf den Fußboden, blinkte freundlich in den grünglasierten Kacheln des alten Ofens und setzte die Schnörkel und das Schnitzwerk des riesigen braunen Erbschrankes, der den großen Leinenschatz des Hauses enthielt, ins rechte Licht. Und in der Vorratskammer, welch behaglicher Duft nach Backobst und gedörrten Äpfeln, und welche Schätze von seidenweichem Flachs und selbstgesponnenem Garn – wahrlich, da konnte mancher Hausfrau das Herz groß werden. Ging man sodann mit dem jungen Bauern durch die Hintertür und den mit gesunden, wohlgepflegten Obstbäumen besetzten Grasgarten auf den Acker, da merkte man bald, daß es in Feld und Wiese ebenso aussah wie in Haus und Hof und daß Fleiß, Ordnung und Reinlichkeit die guten Geister dieses Hauses waren.
Der andere junge Bauer, der Balthasar hieß, war recht das Gegenspiel von Valentin. Schon als Knabe hatte er am liebsten den Vögeln die Nester ausgenommen, den Katzen Schweinsblasen mit Erbsen an die Schwänze gebunden, fremde Hunde mit Steinen geworfen und die eigenen auf arme Bettler gehetzt. An der Arbeit hatte er nie Gefallen gefunden und hatte gemeint, ihm, als dem einzigen Sohne eines wohlhabenden Bauern, müsse es von selbst kommen. Später heiratete er ein hübsches Mädchen, das er auf dem Tanzboden kennengelernt hatte und dessen lustiges Wesen ihm gefiel. Das war eine Frau, die recht für ihn paßte, denn arbeiten mochte sie ebensowenig wie er, Kuchenbacken und Kaffeekochen ausgenommen. Da nun schlechte Herrschaften stets schlechte Dienstboten haben, die das Beispiel, das ihnen gegeben wird, getreulich nachahmen, so konnte es nicht verwundern, daß Haus und Feld allmählich in Verfall gerieten und daß sich auf dem Dünger, der über den ganzen Hof unordentlich zerstreut lag, die Hühner ihres erbärmlichen Hahnes und dieser sich seiner kläglichen Hühner schämte. Die Kühe und Pferde sahen mager und rauh aus, als seien sie mit Moos statt mit Haaren bewachsen, und an Stelle fröhlichen Gesanges hörte man Keifen und Schelten und widerwärtiges Fluchen durch das Haus schallen.
Aber trotzdem er an dem Verfall seines Anwesens selbst die Schuld trug, so wurde Balthasars Herz doch von Neid und Mißgunst erfüllt, wenn er die herrlichen Felder des Nachbars neben seinen kümmerlichen, verwahrlosten Äckern liegen sah, wenn er auf seine Wiese blickte, die höckerig war von bewachsenen Maulwurfshaufen, die er nicht rechtzeitig geebnet hatte, und dann auf die des Nachbars, wo grün und dicht, einer Sammetdecke vergleichbar, das süßeste Futter wuchs. Es fraß an seinem Herzen wie gieriges Ungeziefer, wenn er im Wirtshaus saß und Valentins Lob verkünden hörte, während man auf ihn spöttische Seitenblicke warf; er faßte einen tiefen Groll und Haß gegen jenen, dem nach seiner Ansicht ein blindes Glück alles in Hülle und Fülle in den Schoß warf, während er selbst von unverdientem Mißgeschick verfolgt wurde. Denn also verblendet war sein Sinn, daß er die wahren Ursachen des Rückganges seiner Angelegenheiten nicht mehr erkennen wollte. Eines Tages hatte er sich in hämischer Weise gegen Valentin darüber ausgesprochen, und als dieser ihm einfach erwiderte, der Nachbar könne dasselbe Glück haben, wenn er mehr Fleiß und Mühe auf die Bestellung seines Hauswesens und seiner Äcker verwenden wolle, denn der Boden sei derselbe wie bei ihm, und da Wetter und Wind auch dieselben wären, so müsse es wohl an anderen Dingen liegen, – da hatte er seinen Ärger verbissen und sich still beiseite gedrückt; aber von dieser Zeit an sann er Tag und Nacht, wie er es anstellen möchte, dem Nachbar einmal einen rechten Schaden anzutun.
Nun kam einmal wieder nach einem strengen Winter ein schönes Frühjahr heran. Da der Herbst auch gut gewesen war und der harte Winter den Saaten nichts geschadet hatte, so bewirkte das köstliche Frühlingswetter, daß alle Feldgewächse überaus herrlich gediehen. Und da auch Balthasar diesmal seinen Acker ein wenig besser bestellt hatte, so sah es auch bei ihm günstiger aus als seit langen Jahren. Deshalb wurmte es ihn um so mehr, als trotzdem seine Felder gegen die Valentins nur armselig zu nennen waren. Jedoch in der Hoffnung auf eine bessere Ernte lebte er noch viel lustiger denn zuvor und ließ im Wirtshaus noch mehr als gewöhnlich draufgehen, während seine Frau mehr Kuchen buk als je. Eines Abends spät kam er von dem Wirtshause eines benachbarten Dorfes nach Hause auf einem Wege, der durch seine Felder führte; da sah er plötzlich im Mondlicht eine seltsame Erscheinung. Eine schöne weiße Frau mit Haaren von der goldenen Farbe des gereiften Weizens zog schwebenden Fußes über seinen Roggen dahin, und um sie her liefen viele Kinderchen, angetan mit langen weißen Hemdchen, und ein feines Lachen und liebliches Geschwätz ging von der ganzen Schar aus.
Wäre sein Sinn nun nicht ganz verblendet und vom Trinken benebelt gewesen, so hätte er wohl bemerkt, daß es die Roggenmuhme mit den Kornkindern war, die die Felder beschützen und deren Erscheinen Segen und Überfluß bedeutet; allein er vermochte das nicht zu erkennen, sondern rief: »Was macht ihr Gesindel da in meinem Roggen?!«
Da die Roggenmuhme gar nicht antwortete, sondern ihm nur das schöne, mondbeschienene Antlitz zuwendete und ihn mit großen Augen ansah, so geriet er in mächtigen Zorn, raffte einen Stein auf und wollte damit werfen. Aber in dem Augenblick, da er den Arm erhob, streckte die Roggenmuhme die schimmernd weiße Hand nach ihm aus, und nun stand er plötzlich gebannt da, den Stein in der erhobenen Faust, und vermochte sich nicht zu rühren, bis die schöne Erscheinung mit allen Kindern in dem nebligen Dämmer des Grundes verschwunden war. Dann ließ er den Stein hinter sich fallen und ging fluchend nach Hause. Anders war es Valentin an demselben Abend mit der Roggenmuhme ergangen. Er hatte sich noch bis in die Dunkelheit hinein an dem entferntesten Ende seines Feldes zu tun gemacht, und als er nun im Mondschein in der schweigenden Stille des Frühlingsabends langsam durch die Felder nach Hause wanderte und recht in seinem Herzen vergnügt war über den reichen Segen, der sich überall ausbreitete, da sah er ebenfalls die Roggenmuhme mit ihrer leichtfüßigen Kinderschar schimmernd über sein Weizenfeld dahinziehen. Er blieb ehrerbietig stehen, um sie vorüberzulassen, und da bemerkte er, daß eines der Kinder mühsam hinterherlief und alle Augenblicke stolperte, weil ihm sein Hemdchen zu lang war und es immer mit den Füßen darauf trat.
»Komm her, Humpelchen!« rief Valentin. »Ich will dir dein Hemdchen aufbinden!« Das Kind kam erfreut angelaufen, er nahm ein Endchen Bindfaden aus der Tasche und schürzte das Hemdchen behutsam auf. Da dies geschehen war, lief das Kind fröhlich seinen Gespielen wieder nach und rief: »Ich danke dir, du guter Mann nun hab ich einen Namen!«, und die anderen Kinder riefen mit ihren feinen Stimmen durcheinander: »Humpelchen! Humpelchen! Da kommt das kleine Humpelchen!« Die Roggenmuhme aber wendete sich und nickte ihm freundlich zu. Dann zogen sie weiter über den nahen Hügel und verschwanden eins nach dem anderen dahinter. Als die Roggenmuhme im Begriff war, von der Höhe hinabzuschreiten, wendete sie sich noch einmal und nickte ihm wiederum freundlich zu. Dann schwand sie hinweg, und nur der Mond schien noch auf die Stelle, wo sie gestanden hatte. Valentin aber ging in seinem Herzen stillvergnügt nach Hause.
Als Balthasar am anderen Morgen sein Erlebnis erzählte, da schüttelten die Leute mit den Köpfen und sagten, er habe töricht gehandelt, die Roggenmuhme zu erzürnen, denn seine Felder würden es nun wohl entgelten müssen, und wenn bei ihm in diesem Jahre die Mäuse und der Reißwurm ihre Arbeit täten und der Weizen den Rost und der Roggen taube Ähren und Mutterkorn bekämen, da solle er sich nur bei der Roggenmuhme bedanken. Ein alter Schäfer riet ihm aber, er solle heute abend wieder aufs Feld gehen und der Roggenmuhme einen ganz schwarzen Hahn bringen, der keine noch so kleine andersfarbige Feder an sich habe, das würde sie wieder aussöhnen. Balthasar, der sehr in Angst geraten war, verschaffte sich einen solchen Hahn – es traf sich zufällig, daß der alte Schäfer einen gerade passenden teuer zu verkaufen hatte – und ging mit dem Tiere nach eingetretener Dunkelheit hinaus, um die Roggenmuhme zu erwarten. Aber er wartete vergebens; niemand ließ sich sehen. Er war schon eine lange Weile auf dem Feldrain, der seine von Valentins Äckern trennte, immer in den Mondschein hinausspähend, auf und nieder gegangen und wollte schon die Geduld verlieren, als er plötzlich in der Ferne eine dunkle Gestalt bemerkte, die sich von Zeit zu Zeit niederbückte und sich ihm allmählich näherte. Er schritt zu auf die Gestalt, die sich gar nicht um ihn zu kümmern schien, und als er näher kam, bemerkte er zu seinem Unbehagen, daß es die Moorfrau war, die ganz