Leute herbei, um sich dies Wunder anzusehen, und eines Tages sogar ein Maler aus der Stadt, der es abmalte und es für über alle Maßen herrlich erklärte. Auf Valentins Feldern war aber nicht mehr blühendes Unkraut zu sehen, als zur Verzierung eines Kornfeldes nötig ist.
Balthasar hatte einen entsetzlichen Zorn auf die alte Hexe gefaßt und sich vorgenommen, sie halbtot zu prügeln, wenn er ihr einmal begegnen würde; denn er hielt die Bosheit dieses Weibes für den Grund seines Unglücks. Als er ihr daher kurz vor der Roggenernte auf einem Feldwege begegnete, sprang er sofort auf sie los, würgte sie an der Gurgel und wollte dann eben mit seinem Stock ausholen, als die Alte so erbärmlich anfing zu winseln und ihre Unschuld zu beteuern, daß er abließ und sie anhörte. Sie könne nichts dafür, sagte sie; eine fremde, stärkere Macht, wahrscheinlich die Roggenmuhme, habe ihre Kunst zuschanden gemacht und das Unheil auf Balthasars Feld gewendet. Sie wolle alles tun, was er wolle, um ihn zufriedenzustellen. Noch sei es nicht zu spät, noch könne ein Hagelschlag Valentins reichen Segen vernichten. Balthasar solle morgen mittag zu ihr ins Moor kommen, da wolle sie ein Wetterchen zusammenbrauen, daß kein Halm auf dem Felde des Nachbars stehenbliebe; dem seinen aber solle nichts geschehen. Dieser verlockenden Aussicht vermochte Balthasar nicht zu widerstehen; er ließ die Alte los und sagte sein Kommen zu.
Die Mittagssonne brannte heiß hernieder, als Balthasar am anderen Tage das Torfmoor erreichte; aber der Himmel war klar und blank und kein einziges Wölkchen zu sehen. Schauernd setzte er seinen Fuß auf den verrufenen und gemiedenen Boden. Es war ein ausgebautes Moor, überall durchschnitten von tiefen Löchern und Gruben, zwischen denen nur schmale Torfrücken stehengeblieben und teilweise nachgestürzt waren. In den Gruben war weicher Moorschlamm, oder es blinkte das schwarzbraune Grundwasser daraus hervor. Hier hatten die Sumpfvögel ihr Reich; Bekassinen flogen meckernd auf, als er stolpernd durch Gestrüpp und Heidekraut seinen Weg suchte, und mit klagendem Ruf flog der Kiebitz um sein Haupt. In der Ferne, wo die Hütte der Moorfrau lag, stieg ein hellblauer Rauch auf.
Nach der Mitte zu wurde das Weidengestrüpp dichter und der Weg schwieriger zu erkennen. Zuweilen stand er entsetzt still, wenn sich plötzlich vor seinen Füßen ein im Busch verborgenes Moorloch öffnete und die Torfbrocken, die sein Tritt gelöst hatte, in das blinkende schwarze Wasser fielen. Endlich gelangte er schweißtriefend auf einen flachen Sandhügel, der wie eine Insel im Moore lag und mit krüppelhaften Kiefern und einzelnen Birken besetzt war. Hier lag die Hütte der Moorfrau, aus Torf erbaut und mit einem ganz von Hauslauch überwucherten, morschen Strohdach überdeckt. Die Alte selbst saß vor ihrer Tür und schürte ein schwelendes Torffeuer. Neben ihr auf einem alten Polsterschemel lag eine große Kreuzotter und sonnte sich. Als Balthasar näher kam, krähte der schwarze Hahn auf dem Dach der Hütte, und die Kreuzotter richtete den Kopf auf und zischte.
»Ruhig, Kinderchen«, sagte die Alte, »der tut euch nichts!« Dann reichte sie dem Ankömmling eine große Flasche mit Branntwein hin und sagte: »Da, trinkt mal zur Stärkung.« Hierauf nahm sie selbst die Flasche, tat einen großen Schluck, schüttelte sich und sprach schnalzend: »Das tut wohl!«
Sodann holte sie eine Pfanne und eine große, seltsam bemalte Holzbüchse aus der Hütte, und indem sie beides in den Händen hielt, kicherte sie und schüttelte sich und sagte dann: »Nun wollen wir mal ein Wetterchen machen, ein Hagelwetterchen, daß die Vögel in der Luft totgeschlagen werden.« Dann setzte sie die Pfanne auf das Feuer und sammelte aus der Holzbüchse allerlei seltsame, getrocknete Kräuter und anderes wunderliches Zeug in ihre Hand und tat alles auf einmal in das heiße Gerät.
Es prasselte auf und blitzte und funkelte; kleine blaue Flämmchen flackerten umher, und plötzlich entwickelte sich ein dichter, schwarzer Rauch, der in einer dünnen, feinen Säule schnurgerade emporstieg. Die Hexe warf immer mehr von dem Kraut in die Pfanne und murmelte unverständliche Sprüche dazu; dann erhob sie die Hände, daß die weiten Ärmel von den dürren gelben Armen zurückfielen, und beschrieb Kreise in der Luft; dann fächerte sie mit einem Rabenflügel die Flamme und war in graulicher Art beweglich und geschäftig. Zuletzt rief sie kreischend: »Drauf und dran, nirgends an, über Moor und Wiesen hin zu dem Feld des Valentin!« Aus der Luft tönte ein dumpfes Brausen als Antwort. Entsetzt blickte Balthasar empor und sah, daß sich hoch oben der dünne Rauchfaden zu einer breiten, dunklen Wolke ausgebreitet hatte, aus der grauliche Gesichter hervorzulugen schienen. Jetzt waren die Kräuter verbrannt; die Rauchsäule löste sich von der Pfanne ab und wurde sogleich von der Wolke aufgesogen. »Nun ist es Zeit«, rief die Alte; »nun laufe, wenn du noch etwas sehen willst! Du bist mitten durchs Moor zu mir hergestolpert, ich will dir einen guten Fußsteig zeigen, der dich sicher hinausführt!« Sie brachte ihn auf den Weg, und Balthasar rannte wie gehetzt davon. Die Alte lachte gellend hinter ihm her und kehrte zu ihrer Hütte zurück.
»Jetzt will ich mich durch ein Schlücklein stärken auf die Arbeit«, sagte sie schmunzelnd.
Balthasar rannte keuchend dahin. Über sich hörte er ein Klirren und Rasseln, als wenn geharnischte Männer einherzögen; allein die Wolke ging schneller als er und kam ihm voraus. Als er auf seinem Felde anlangte, sah er voll Entsetzen, daß sie gerade darüber stand; die Luft über Valentins Acker war frei und leer. Ein Wunder zeigte sich seinen Blicken. Rings hoch in der Luft über der Grenze des Nachbarfeldes schwebten weiße, engelschöne Gestalten mit silberglänzenden Schilden und hielten die Flur umfriedet. Drohend ihnen gegenüber am Rande der Wolke lauerten grauschwarze, finstere Gesellen, feurige Speere in den Händen und Stahlhelme mit Spitzen auf dem Haupte. Sie schleuderten ihre Speere, die blitzend mit krachendem Donner durch die Luft fuhren, auf die weißen Gestalten, allein diese hielten ruhig lächelnd ihre Schilde vor, an denen die Waffen mit weiß aufleuchtendem Glanz zerschellten. Immer wilder und aufgeregter tobte es in der Wolke, die dunklen Gestalten wogten auf und nieder, und plötzlich stürmten sie zum letzten Angriff vor. Sie zogen den Kopf zwischen die Schultern und brausten, die Spitze des Stahlhelms voran, in mörderischer Wut gegen die weißen Gestalten. Aber kaum hatte einer in mächtigem Anprall den Silberschild nur berührt, so taumelte er wie vom Blitz getroffen zurück, überkugelte sich in der Luft und sank nieder. Im Sinken aber verschwammen die Formen des Leibes und lösten sich auf, und in entsetzlichen Hagel verwandelt, prasselte er auf Balthasars Acker nieder. So unter Geheul des Windes und unendlichem Rasseln des Hagels ging der Kampf zu Ende, die weißen Gestalten verschwammen und verschwebten, und die Sonne schien wieder rein und klar vom wolkenlosen Himmel. Sie leuchtete mit gleichem Glänze auf Balthasars zerschmettertes Feld wie auf Valentins prangende Fluren, in denen kein Hälmchen geknickt war.
Balthasar war rasend vor getäuschter Erwartung und vor Zorn auf die Hexe. Alles war vernichtet – er war ein ruinierter Mann. Wie wahnsinnig rannte er auf seinem zollhoch mit Hagel bedeckten Felde umher. Kein Halm war verschont geblieben. Auf der Höhe eines Hügels blieb er stehen und drohte mit geballter Faust unter fürchterlichen Flüchen nach dem Moorgrund hinüber. Plötzlich schien ihm ein Gedanke zu kommen; ein teuflisches Grinsen ging über sein Gesicht; er schüttelte noch einmal die Faust und rannte dann eilig auf das Moor zu.
Als er bei dem Kieferndickicht des kleinen Sandhügels angelangt war, hielt er an in seinem Lauf und schlich langsam und vorsichtig an die Torfhütte heran. Es war ganz still dort, der schwarze Hahn saß auf dem Dache, hatte den Kopf unter die Flügel gesteckt und schlief. Leise und vorsichtig wie ein spürendes Raubtier näherte er sich der Tür. Er fand sie geöffnet und sprang schnell näher, als fürchte er noch immer, seine Beute könne ihm entgehen. Mit vorgestrecktem Hals und gekrümmten Fingern stand er nun da und spähte in das Innere. Dort lag die Alte rücklings auf ihrem Strohsacklager und schlief, die geleerte Flasche neben sich. Sie hatte offenbar des Guten zuviel getan. »Desto besser!« sagte Balthasar, zog die Tür an und verschloß sie von außen. Dann warf er schnell Reisig auf das noch glimmende Feuer und fachte es zu neuer Glut, und dann schleppte er in wilder Hast die aufgestapelten Sammelholzvorräte der Hexe herbei und schichtete sie rings um das Haus auf. Der Hahn war unterdessen erwacht und schlug mit den Flügeln und krähte; allein die Hexe schlief fest. Balthasar hatte seine Arbeit beendet; nun riß er die flackernden Brände aus dem Feuer und warf sie ringsum in das von der Sonne ausgedörrte Kiefernholz, das alsbald in lichter Flamme aufloderte. Diese leckte an der Wand in die Höhe und entzündete bald hier, bald dort den ausgetrockneten Torf und loderte höher empor und setzte das Strohdach in Brand, so daß die ganze Hütte in Flammen stand. Der Hahn wollte hinabfliegen, aber er versengte