Nataly von Eschstruth

Ewige Jugend


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seinen Arm stützte, dass ihr Gang immer zögernder und schleppender wurde.

      „Da hat’s grad an Holzblock, wie derschaffen fürs Fräulein! — Mit Vergunst — i brauch’ s’ Kluftel nöt mehr! Die Sonn’ meint’s halt gut!“

      Er riss die Lodenjoppe mit den breiten frischgrünen Aufschlägen ab, dass die rote Weste und der breite, altertümlich gestickte Ledergürtel in dem Lichtschein leuchteten, warf sie über den morschen Stamm und wandte sich zu dem Oberst.

      „Wann der Baron nun das Wolltüchel dahergeben möcht’ und die Gnädige fein einpacken! Der Martel und i laufens geschwind bis zum Weg und haltens Ausschau.“

      „Wann no nix in Sicht is, lauf’ i den Rössern entgegen und lenks dahierher!“

      „Un i kimm flux z’rück, dös nimmer alloan sin!“

      „Danke Ihnen, Vinzenz! Danke tausendmal!“

      „Fein sicher sinds hier! Tausig mal besser wie in der rauchigten Stub’ drinn’!“

      Der Sprecher beobachtete noch mit schnellem Blick, ob’s dem Fräulein auch an nix mangelte, dann ruckte er energisch und wohl zufrieden das Grünhütel mit den roten Schnüren auf dem Kopf zurecht.

      „Famose, prächtige junge Kerls!“ nickte Herr von Welten nachdenklich. „Ich glaube, Lobelia, wir verdanken ihnen viel, dass sie uns von der lästigen Gesellschaft deines ‚exotischen‘ Verehrers erlösten!“

      Das junge Mädchen nickte lächelnd und atmete tief auf, wie aus drückender Angst erlöst.

      „Ich weiss nicht, warum ich mich gleich vom ersten Augenblick an so sehr vor dem Kroaten fürchtete, — und warum der einfache deutsche Bauer mir solches Vertrauen einflösst.“

      Sie blickte der hohen, schlanken und doch so kraftvollen Gestalt des Vinzenz nach, dessen grell weisse Hemdärmel noch ein paarmal durch das Tannengrün aufleuchteten.

      Über ihnen in dem dichten Geäst raschelte es, ein Eichhorn oder Vögel, die, aus ihrem Genist aufgeschreckt, dem hellen Tag entgegenstrebten.

      Und dann wieder still, — eine Einsamkeit in der Bergwildnis, die jetzt ihre Schrecken verloren hatte.

      Fünftes Kapitel

      Gaj Gyurkovics war mit ungestümen Schritten nach der Senne zurückgekehrt.

      Bevor er eintrat, strich er den Schnauzbart fesch empor.

      Dann schaute er sich um.

      Zuerst ein wenig überrascht, beinah stier. — Dann trat er zur Ofenbank.

      Die Rucksäcke und das Plaid, in das die Baronin eingehüllt gewesen, fehlten.

      „So ist der Wagen scho kommen. So schnell. Sakra! Der Flank von aam Löselbub’n hat’s Madel gewiss herzugetragen. Und das Kaffeewasser kocht no nöt. — Aber im Ofen ballert’s. — Mocht nix. I find’ die Spur von am allerschönsten Madel noch sichrer wie das Bärengeschmeiss in den Schluften.“

      Er stiess mit einem Holzscheit in das Feuer.

      Nicht aufgeregt, nicht zornwütig, ganz behäbig.

      „Wann’s kocht, trink’ i erst an Mokka. I kimm drunten scho zur Zeit.“

      Die Tür knarrte hinter ihm.

      Er wandte sich halb um.

      „Ah so! Der Herr Aloys Sturmlechner.“

      „Da habt’s wohl grad an heissen Schluck für mi braut?“ lachte er.

      „No nöt. Aber bal. — Wollt’s warten darauf?“

      „Wann’s verstattet is, giern. Der Oberst und die Gnädige soan woll scho z’ Tal?“

      „Ni nöt! I hab’ mi nöt von der Bärenmutter trennen kunnt. Wisst’s, wann eim so an Höllenvieh, so an vermaledeites, ane ganze Nacht hat in Todesangsten gehalten, nachen schaut ma gern so an gestreckten Feind ins Gebiss!“

      Der Kroate lachte.

      „I hätt’ gern für das Fräulein erst no an Essenz g’braut! Sah fein zum Verjammern aus, dös arme Hascherl! — Is schnell gangen, dös mit dem Wagen!“

      Einen Augenblick herrschte Stille; der Sturmlechner warf sich in den Lehnstuhl im Ofeneck zurück und streckte ächzend die dünnen Beine von sich.

      Halb in die Stube reichten sie hinein, so lang waren sie.

      Dann griff er nach dem Rucksack.

      „An Hunger hab’ i, — und der Durst a nöt z’ knapp.“

      Wieder bot der Kroate seine Feldflasche an.

      „Wann’s mi a B’scheid tun wollt’?“ Und der Österreicher entkorkte sein dickbauchiges Fläschchen.

      „Nix für unguat. Ma macht jo gern a neue Bekanntschaft!“ — Gaj Gyurkovics griff mit breitem Lachen zu: „I sprech’s für an Wacholderschnaps an!“

      „Gewiss nöt. An Granawitter aus dem Bayrischen soll’s vorstellen!“

      „A nöt schlecht.“

      „Zur G’sundheit!“

      „Könnens glei auf das Wohl von dem armen Madel trinken. Wie a weisses Papierel hat’s ausgeschaut. I vermein’, Ihr könnt die Herrschaften scho z’vor?“

      „Gonz extra! Der Oberst is mei Bekannter vom Café Gilf her! A Baron von Welten is’. Aus Deutschland droben, — i vermein’, Hannover habens als Heimatstadt genannt.“

      „Die Gnädige is sa Nichten? Heisst a so?“

      „An viel feinen Namen hats: Lobelia.“

      Der Kroate wiederholte: „Lobelia. Dös klingt wie a Musik. Gehört hab’ i’s no nöt z’vor.“

      Einen Augenblick herrschte Stille. Das Wasser kochte, und Gaj Gyurkovics hob behutsam den Kessel und goss den Kaffee auf. Den Trichter verschmähte er, nahm alsgleich den Topf und stellte ihn mit dem „Mokka“ nochmals aufs Feuer.

      Sturmlechner zuckte die Achseln. Es fiel ihm plötzlich so mancherlei ein. Von unten herauf streifte sein Blick den Fremden.

      Der stand, seine robuste Gestalt grell vom Feuer beleuchtet, das Gesicht mit dem brutal sinnlichen Ausdruck über den rauchenden Topf gebeugt, dessen Inhalt er vorsichtig umrührte.

      „So viel i hört hab’, is dos Fräulein scho in Deutschland versprochen, und wann die Hochzeit bal’ stattfinden soll, muss es woll z’rück.“

      „Versprochen? — Dös macht nix.“ Der Bärenjäger aus dem Ivantschitzkagebirge lächelte seltsam. „Was will dös für uns moderne Menschen no besagen. Selbst a Ehering derf nöt zum Sklaven uns machen, keinen, dös Weib nöt, und den nöt, der’s haben will.“

      „I versteh’ dös nöt.“

      „Und is doch so kloar! Wann i mir vornimm: selb Weib willst haben, — was genieret mi an Ring, den’s tragt?“

      „I sollt’ vermeinen, alles. — Wann’s scho vergeben is, kimmt a zwoater z’ spät!“

      „I nöt! — I sag’: Nöx is unmöglich. Wenn ma’s nur recht anfangt. Um an Eheweib bedeutet’s scho an härteren Kampf, aber lediglich mit am Verspruch ... da macht ma ka lange Händel!“

      „Und wann’s den Bräutigam liebt?“

      „Daran glaub’ i nöt. A Madel will heiraten, weiter nix. Wer am meisten dransetzt, der kriegt’s.“

      „An Geld dransetzt?!“

      „Nöt allein. — Gehören tut’s a dazu. Aber man muss verstehn, so an Fratzel an süsses in sich verliabt z’ machen! A Kunst, die freili nöt für jedermann is!“

      Wieder ein geheimnisvolles Lachen.

      Aloys