dem Markt in Meran drunten hab’ i freili anfragen lasst, aber ka Seel’ is nöt vom Sarntal da’west. — No, i denk, wann i die Mess nöt versäum’, nimmts der liebe Herrgott scho in sei Schutz. Wir haben ja den heiligen Michael fein selbst zur Fürsprach.“
Sie stand einen Augenblick und wischte erst noch das kleine Tischchen blank, ehe sie das Tablett mit der Tasse niederstellte.
„Aber was Neues gibt’s doch!“ sagte sie gewichtig.
„Ei, so erzähl’! Hoffentlich ist es recht was Gutes!“
„Dös vermein’ i scho! Just der is’ ja, der das Fräulein Baronin von dem Bär hat erlöset!“
„Was meinst du?“
Vroni machte ein sehr gewichtiges Gesicht.
„Da wissen’s die Herrschaft doch, dass der Herr von Gyurkovics dermalen in der Masul den Bär, ders Fräulein belagerte, so fein derschossen hat?“
„Was ist’s mit ihm?“ — Lobelia trat jählings näher, und Tante Adele horchte hoch auf.
„In Numero siebzehn ist er vorhin eingezogen! Gerad hier in unser Hotel. Zuvor — da hat er im Meraner Hof g’wohnt, aber da hat’s ihn nimmer ’halten, nu is er hier heraufkommen!“
Die beiden Damen wechselten einen jähen Blick des Schreckens.
„In Numero siebzehn? — Hier auf unserm Flur?“
„A na! Ein Stiegen tiefer! Am liebsten hätt’ er mögen hier droben sein. Das Annerl hat ihn drunten, die meint, er sei wohl arg ein vermöglicher Mann, er schmeisset so mit dem Geld herum!“
„So kann’s auch ein Verschwender sein!“
„Sell gewiss! Aber die Wirtsleut’ sehens allweil giern. Daheim, — bei Fronleichnam, wenn’s alle von ihre Berg herniedersteigen und a Zech’ im Schankhaus machen, da klagt’s der Vater oft, dös nur der a Ansehn g’niesst, der nöt um a Gulden feilscht!“
„Der Wirt und der Herr Direktor kennen den Herrn wohl schon von früher?“
„Nöt so vom Geschäft, aber vom Anschaun gar wohl! Der Xaverl — a i mein’ unsern Hausknecht — der hat ihn schon vor Jahren als a Lutschhascherl no hier derschaut! Sei Muatter selig liegt jo am Kirchhof drob’n — dessentweg kimmt der Herr von Gyurkovics no all Jahr fast hierher.“
„Das spricht für ihn.“
„Vroni!“
„Bitt’ schön?“
„Wenn der Herr nach mir fragen sollte, dann sag’: „Ich sei allweil noch krank, und Besuche dürfte ich keine annehmen!“
„So a Wehtag!“
„Weisst’s ja, — die Damen aus der Pension Regina, die neulich hier waren und mir Blumen bringen wollten, durfte ich auch nicht zur Visite annehmen!“
„Ja, ja, ’s is a Kreuz — allweil so alloan!“
„Also du lehnst sofort jeden Besuch ab!“
„Dös is g’wiss.“
„Halt ... Vroni!“
„Bitt’ schön?“
„Eine Ausnahme ... eine einzige, muss ich aber machen!“
„Wann vielleicht Seine Kaiserli Hoheit der Herr Erzherzog aus’m G’schlossel Roseneck — i vermein’, so heisst’s — wann der fein selber heraufkäm’?“
Die Damen lachten leise auf.
„Der kennt uns nicht, Vroni! Noch nicht einmal seinen schönen Park drunten konnten wir uns ansehn! — Ein andrer ist es, um dessentwillen eine Ausnahme gemacht wird.“
„Wann’s ihn beschreiben, mirk’ i mi’s scho!“
„Als Löselbub ist er vor kurzer Zeit hier in Meran gewesen!“
Die Vroni sass beinah auf dem Stuhl vor Überraschung.
„Alle guten Geister lob’n Gott den Herrn — a Löselbuab?“
„Ja, Vroni. Just der, der uns die wahre Hilfe in unsrer Bedrängnis in der Masul gebracht hat, denn der Vinzenz ist der erste gewesen, der die Jäger in Meran alarmiert hat!“
„Un hoasst Vinzenz?“
„Ja, Vinzenz — vom Brunneckerhof bei Sankt Leonhard, da ist er daheim.“
„Der Brunnecker Vinzenz? Der von Sankt Leonhard?“ — Die Kleine tat einen hellen Schrei und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
„Nu springet glei ein’ arm’ Seel’ aus dem Fegfeuer! Der Brunnecker Vinzenz soll daherkommen un is der oanzige, der an Anspruch vom Fräulein derhalten soll!“
„Kennst du ihn etwa?“
Vroni machte aufgeregt eine Geste. Sie deutete mit der Hand in Stuhleshöhe.
„So a kloans Lummerl bin i no g’west, da bin i mit dem Vinzenz auf oan un derselben Schulbank g’sessen!“
„Und nachher?“
„Dar sin ma auf die Senn’ nauf ...“
Lobelias freundlicher Blick lag beobachtend auf dem Gesicht des Mädchens. Sehr frisch sah es immer aus, jetzt aber war ihr das Blut glührot in die Wangen geschossen.
„Gut, dass du dich seiner noch entsinnst!“
„Gefirmt soan ma au z’samm’!“ fuhr Vroni leise fort und starrte mit weit offnen Augen auf die sonnebeglänzten Alpen hinaus, just, als stünde der schmucke Bursch droben und nickte ihr so überraschend zu.
„Un grad der hat dem Fräulein a Rettung bringt!“
„Er scheint ein sehr braver, ordentlicher Mensch zu sein!“
Da leuchtete es in den dunklen Augen auf.
„So oan find’ ma nöt oft! — Arg guat is’r.“
„Und dein Freund?“
Vroni schrak zusammen.
„Nie nöt! — Kameraden soan ma g’west. Gunst nix. Er is der Älteste un kriegt’n Hof.“
„Aber er ist ein vermögender Mann?“
Vroni schaute fast angstvoll zur Seite.
„A Geld hat’r scho! Aber dös zieht mi nöx an.“
„Nur gut, dass du ihn kennst! — Wenn er kommt, Vroni, so sagst du es uns an — und dann bringst du ihn herauf.“
„Wann er a Post für die Gnädige hat, so is ja ka Unrecht.“
„Du glaubst, andre Besucher könnten es übelnehmen, wenn sie abgewiesen werden?“
„Hast recht, Vroni. Ich wäre dir dankbar, ebenso die Frau Baronin hier und der Herr Oberst, wenn du gar kein Wort — bei niemand, auch dem Herrn Gyurkovics nicht, — davon erwähntest, dass der Brunneckersohn hier war! — Falls er überhaupt kommt, — vielleicht muss er ja gleich zu den Soldaten!“
„Du mei! — Nach Franzensfeste!“ — Das klang bitter enttäuscht, dann aber hob Vroni wieder fröhlich den Kopf.
„Aufpassen tu i, bei Tag un Nacht. Un die erste bin i, die ihn beim Fräulein meldet.“
„Du bist ein liebes, gutes Mädchen, Vroni!“
„Kiss die Hand!“
Oberst von Welten war in das Lesezimmer hinuntergegangen, um sich über die neusten Tagesereignisse zu informieren. Er hatte sich eine Zigarre angesteckt, sich behaglich in einem der grossen, bequemen Sessel zurückgelehnt und begann gerade den Lokal-Anzeiger zu studieren, als ein Schatten auf die Zeitung fiel und eine Stimme hinter ihm seinen Namen nannte.
Er schaute