Nataly von Eschstruth

Ewige Jugend


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Grenz’ daheim seid!“

      „Der Oberst hat vorhin gemeint, die Tante tät’ sie voll Sorgen im Hotel erwarten. Mit Verlaub ... in welch oan sind’s die Herrschaften abgestiegen?“

      Der alte Hagestolz schien sich an seinem „Flascherl“ verschluckt zu haben, er hustete längere Zeit so intensiv, dass er gar nicht antworten konnte, und als er wieder zu Atem kam, wetterte er auf das Pech, einen zu engen Schlund zu haben, der nicht das nötige Gefäll hat.

      Der Kroate wartete ganz ruhig.

      Dann wiederholte er seine Frage, und Herr Sturmlechner sah ein, dass ein Umgehen nichts nützen würde. Ausserdem hatte es keinen Zweck, denn der Mann aus dem wilden Kroatien konnte aus jeder Fremdenliste und von jedem Hausknecht eines jeden Hotels erfahren, ob ein Herr Oberst von Welten mit seinen Damen da abgestiegen sei.

      Wenn er nun doch mal den Namen wusste, so gab es kein Verstecken mehr, und das tat der ehrlichen Haut leid; denn er wusste jetzt, warum der Oberst so betroffen und Lobelia so erschreckt bei dem Anblick des überraschend auftauchenden Bärenjägers ausgesehn hatte.

      Er nannte das Parkhotel in Obermais ganz gelassen und gleichgültig.

      Gross genug war es ja, wenn man jemanden, der nicht genehm war, aus dem Wege gehn wollte.

      Dann dehnte er die Arme.

      „So an Nacht macht doch sakrisch müde; anitzt ruck i mei Sackerl auf und blas’ die Feder hoamwärts.“

      „Is gut. Wann’s recht is, klopf i in nächsten Tagen mal an un frag’, wie das Abenteuer bekommen is.“

      Sturmlechner hatte seinen Rucksack auf den Rücken geworfen und bot dem Kroaten höflich die Hand.

      „Hob’ die Ehr’! Dann sag’ i also dem Herrn von Gyurkovics ein ‚auf Wiederschaun!‘“

      Der Österreicher rückte sein grünes Hütchen und der Kroate seine Jagdmütze vom rechten Ohr auf das linke, und dann wieder von dem linken aufs rechte, und dann schieden sie voneinander. Herr Aloys wollte eigentlich darüber nachdenken, warum der Mensch da ihn mit seinem Besuch beehren wollte, aber er kam nicht dazu.

      All seine Sinne lagen im Bann des wundervollen Abenteuers.

      Was werden die Meraner dazu sagen! Das neiden ihm viele.

      So tagelang reden sie nichts weiter in der Stadt, als von dem furchtbaren Renkontre, das Herr Aloys Sturmlechner mit seinen Freunden, dem Baron von Welten und dessen Nichte, in dem Heustadel bei der Masulschlucht droben zu bestehen hatten.

      Weisse Haare hat das Fräulein drüber gekriegt, daran kann man sehn, wie es auf Tod und Leben gegangen!

      Grade die weissen Haare! Sie freuten Herrn Alloys am meisten.

      An seinem Fenster wird er nach einer erquicklichen Rast aufpassen, bis der Bär, das Ungeheuer, vorübergefahren wird.

      Dann schliesst er sich an, und der Triumphzug geht durch die Gassen Merans.

      Herr Aloys Sturmlechner wird ebenso bescheiden wie verdienstvoll hinterherschreiten, um sich von der gaffenden Menge bewundern zu lassen.

      Das gab zu denken.

      Er pfiff sich eins und schritt fürbass.

      Währenddessen trank Gaj Gyurkovics seinen Kaffee aus und lachte dabei sehr angeregt vor sich hin.

      Das war ein Tag heut!

      Das war ein Morgen gewesen!

      Einen Bär geschossen, — und endlich, ganz aus Glückszufall, das verteufelt süsse Madel, das es ihm wie durch einen Zauberspuk angetan, doch noch aufgestöbert!

      Im Theater hatte er sie gesehn.

      Radikal geschehen war es um ihn.

      Nachgespürt hatte er ihr und sie gesucht bis ins Vintschgau hinein, — wiedersehn wollte er sie um jeden Preis, und heute fand er sie!

      Zum Lachen ist’s.

      Nun hat er hier in der Sennhütte nichts mehr zu schaffen.

      Nun kann er wieder all seiner wilden Jagdpassion die Zügel schiessen lassen.

      Erst in die Schlucht hinab!

      Heranschleichen — ausspähen — in keckem Wagemut zuspringen, — schiessen, schlagen, stechen — bis die Bestie sich im Blut wälzt! Juh! — Ein rauher Schrei des Triumphs! — So ist’s daheim in den dunklen, rauhen, auf Schritt und Tritt todgefährlichen Bergen. Hier ist’s zahmer.

      Nachher ziehen sie alle mit der Beute durch Meran.

      Gleichviel — das reizt ihn nicht.

      Nur eins — wenn die Lobelia am Fenster stünd’, und die Leute schrien „Eljen! Der Gaj Gyurkovics ist ein Held!“

      Auch nicht. Der Weg führt nicht am Parkhotel vorüber.

      Mögen sie schreien, die Menschen, was sie wollen!

      Der Gaj Gyurkovics sitzt daheim, und vor ihm steht der heisse, heisse Ungarwein und eine grosse Flasche Raki ... und er trinkt — trinkt — trinkt.

      „Prost, Madel!“ — und trinkt weiter.

      Die Südzimmer im Parkhotel erfreuten sich besonderer Beliebtheit.

      Leuchtendes Sonnengold flutet durch die hohen Spiegelscheiben, spielt auf den blanken Dielen und dem Muster des Teppichs, der den Wintergästen ein behagliches Stücklein nordischer Kultur vorzaubert, während draussen ein fast italienischer Blauhimmel lacht, nicht ganz so ewig wie in Griechenland, aber wolkenlos und licht, wie unter südlichen Breiten.

      Die Balkontür steht offen.

      Wie warm die Luft, wie balsamisch und rein sie einströmt!

      Lobelia erhebt sich von der Chaiselongue und schaut mit verklärtem Blick zu den Alpen empor.

      Tagelang ist sie sehr elend gewesen. Die Nerven wollten den Dienst versagen, — aber der Arzt lächelte und versicherte im voraus, dass die Jugend solch einen Schock bald abzuschütteln pflege. Das junge Mädchen war ja sonst so kerngesund!

      Der Aufenthalt in Meran hatte ihre Kräfte, gleichsam wie auf Vorrat, gestärkt.

      Ein Spezialist nahm das Haar in Behandlung.

      Es war und blieb weiss, da liess sich trotz aller Versuche nichts daran ändern.

      Der Farbstoff war geschwunden, die Lufträume um ein beträchtliches vermehrt. Die Papillen arbeiteten noch, auch die Talgdrüsen taten unverändert ihre Schuldigkeit.

      Eine elektrische Behandlung sollte dem noch stumpfen Weiss Glanz verleihen. Konnte man dem Haar die duftige, leicht lockige Fülle erhalten und ihm den Silberglanz der Perle verleihen, so war eine so fremdartige, neue Schönheit geschaffen, als sei eine der reizendsten Ahnfrauen, mit rosigen Wangen, tiefroten Lippen und dunklen Augen unter ihrer Allonge aus der Gruft erstanden.

      Man versuchte hin und her, man verwarf und fand, — und endlich konnte der Arzt mit liebenswürdiger Verbeugung versichern: „Es ist geglückt, gnädiges Fräulein! Die ‚weisse Dame‘ aus dem Rokokoschloss rediviva!“

      Er hatte recht.

      Lobelia selber lachte ihrem Spiegelbild erstaunt zu.

      „Nun führe ich ja eine ewige Maskerade auf! Und Tantchen hat ihren Willen, dass ich eigentlich immer eine weiss gepuderte Perücke tragen müsste! Würdig macht das weisse Haupt mich so gar nicht. — Wenn die Herren keinen Hut aufhaben, wird es keinem einfallen, sich vor mir zu neigen!“

      Frau von Welten liess es sich in ihrem Entzücken nicht nehmen, die Nichte zum erstenmal zu frisieren.

      Das bauschte und lockte und glänzte um das reizende, frische Gesichtchen!

      „Wie doch oft auch das Schlimmste, was uns zu begegnen scheint, zu unserm Besten dienen muss!“ sagte sie. „Gott sei Lob und Dank hat dich die grausige Bestie, die dich so lang geängstigt hat,