Melody Carlson

Ein Junggeselle zum Verlieben


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fragte er ganz unvermittelt. „Ich wollte heute sowieso noch hingehen. Am Wochenende sehe ich im Haus meiner Großeltern normalerweise immer nach dem Rechten.“

      „Ich würde mir die Werkstatt sehr gerne ansehen“, rief sie. „Ist es in der Nähe?“

      „Einen knappen Kilometer entfernt. In Talbot Hill.“

      „Talbot Hill“, wiederholte sie neckend. „Wohnen dort nicht alle reichen Snobs?“

      Er zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht. Meine Großeltern waren keine Snobs.“

      „Entschuldigung. Ich glaube, meine Großeltern haben mal so etwas gesagt. Sie lebten auf der falschen Seite der Schienen. Buchstäblich.“ Sie lachte. „Also, worauf warten wir noch?“

      „Wäre es Ihnen recht, wenn wir zu Fuß gingen?“

      „Aber natürlich.“

      Er lächelte. „Ich besitze nämlich kein Auto.“

      „Im Ernst?“

      Er öffnete die Haustür. „Ich habe nie die Notwendigkeit gesehen, mir eines anzuschaffen.“

      „Interessant.“ Sie folgte ihm nach draußen und wartete ab, bis er die Haustür abgeschlossen hatte. Und da sie ihn beobachtete, unterdrückte er den Drang, sie noch zweimal zu kontrollieren, ob sie auch tatsächlich zu war.

      Auf dem Weg nach Talbot Hill erzählte er ihr ein wenig von seinen Großeltern. „Ich habe sie eigentlich nie als so wohlhabend eingeschätzt, aber das waren sie wohl. Der Familie meiner Mutter gehörte das Sägewerk in der Stadt.“

      „Sie meinen Rockwell Lumber?“

      „Genau. Als ich ein Kind war, wurde das Werk aufgrund der Abholzungsbeschränkungen der Regierung wegen gefährdeter Eulen beinahe geschlossen. Und mein Großvater hat sich immer darüber beklagt, dass die Regierung ihn aus dem Geschäft drängt. Deshalb dachte ich, dass meine Großeltern nicht wirklich wohlhabend waren.“

      „Dann waren Ihre Großeltern also die Rockwells?“

      „Genau. Die Eltern meiner Mutter.“

      Willow musterte ihn neugierig. „Die Rockwells galten früher immer als ziemlich wohlhabend. Und Sie haben alles geerbt?“

      „Ja, das schon, aber die guten Zeiten waren damals schon lange vorbei. Die Holzindustrie ist eingebrochen, als ich die Highschool besuchte. Mein Großvater hat irgendwann das Werk verkauft, und ich glaube, dass das Geld dann in meine Collegegebühren geflossen ist. Die Käufer des Sägewerks behielten den Namen Rockwell bei und machten eine Türen- und Fensterfabrik daraus. Wie ich hörte, geht es ihnen heute ganz gut.“

      „Und was ist mit der Rockwell Villa?“, fragte sie. „Steht die unter Denkmalschutz?“

      „Nein.“

      „Mir ist aufgefallen, dass das Haus ein wenig heruntergekommen und vernachlässigt wirkt. Hat Ihre Familie das auch verloren?“

      „Nein. Wir sind gerade dorthin auf dem Weg. Dort befindet sich die Werkstatt meines Großvaters. Sie haben das Anwesen mir hinterlassen.“

      „Sie machen Witze. Das ist Ihr Haus?“

      Er nickte kurz. Ihre letzte Bemerkung ging ihm durch den Kopf. „Sie finden wirklich, dass das Haus heruntergekommen und vernachlässigt wirkt?“

      „Entschuldigen Sie. Mir war nicht klar, dass es Ihnen gehört, George.“ Sie verzog das Gesicht. „Aber ich habe dieses Haus immer geliebt. Wann immer ich es sehe, wünschte ich, jemand würde ihm ein wenig Liebe zeigen und es wieder herrichten. Die meisten anderen historischen Häuser auf dem Berg wurden restauriert.“ Sie boxte ihn spielerisch gegen den Arm und grinste ihn an. „Vielleicht haben Sie ja Zeit dafür, wenn Sie pensioniert sind.“

      „Ich denke schon, dass ich bald mehr als genug zu tun haben werde.“ Als sie in die Straße einbogen, in der seine Großeltern gewohnt hatten, wurde er auf einmal von seinen Gefühlen überwältigt. Es war beinahe so, als würde er ertrinken – oder so ähnlich. Als bekäme er keine Luft mehr. Was tat er hier mit dieser Frau? Und warum wollte er ihr das Haus seiner Großeltern zeigen? Hatte er denn vollkommen den Verstand verloren?

      Willow war interessant, aber auch ziemlich anstrengend. Vielleicht zu anstrengend für seinen Geschmack. Was würde sie sagen, wenn sie das Haus seiner Familie aus der Nähe sah? Was, wenn sie ihn kritisierte oder zu viele Vorschläge machte – oder gar lachte? Damit könnte er nicht gut umgehen, das war ihm bewusst – schon gar nicht nach einer schlaflosen Nacht. Was, wenn er dann unfreundlich reagierte und ihr seine Meinung sagte? Warum nur hatte er sie gefragt, ob sie ihn begleiten wollte? Fieberhaft überlegte er, wie er sie doch noch abwimmeln könnte. Gerade wollte er einen Vorwand erfinden, warum er unbedingt nach Hause zurückkehren müsse, als er einen Klingelton hörte.

      „Das ist mein Telefon.“ Willow zog ihr Handy aus der Hosentasche. „Entschuldigung.“ Sie schaute auf das Display. „Oh, das ist die Galerie. Ich muss das Gespräch annehmen. Entschuldigen Sie.“

      Höflich trat George zurück und versuchte nicht zu lauschen, während sie über etwas redete, das dringend zu sein schien.

      „Es tut mir leid.“ Willow steckte ihr Handy wieder in die Tasche. „Das war Leslie. Sie braucht mich in der Galerie. Ich muss in die Stadt zurück.“

      George nickte und spielte ihr Enttäuschung vor, doch eigentlich empfand er eine riesengroße Erleichterung. „Kein Problem.“

      „Dann vielleicht ein anderes Mal?“ Willow lächelte ihn hoffnungsvoll an.

      „Natürlich.“ George dankte ihr noch einmal für das Frühstück und verabschiedete sich.

      Als wäre ihm eine schwere Last von den Schultern genommen, setzte er seinen Weg zum Haus seiner Großeltern fort. Irgendwie musste er diese Freundschaft mit Willow ein wenig ausbremsen. Sie war sehr nett und irgendwie faszinierte sie ihn. Aber sie überforderte ihn und machte ihm Angst. Ihre Nähe war enorm anstrengend für ihn. Willow West war genau das, was er in seinem Leben nicht brauchen konnte. Sie war der Typ Mensch, der herumstochern und alles aufwühlen würde. Eigentlich wollte er sie nicht mit Lorna Atwood vergleichen, doch sie war seiner etwas aufdringlichen Nachbarin nicht unähnlich. Solche Frauen brachten Ärger. In den vergangenen drei Jahrzehnten war George derartigen Komplikationen lieber aus dem Weg gegangen, und er hatte nicht vor, sie sich jetzt in sein Leben zu holen.

      Außerdem musste er über den Ferienbeginn und seine bevorstehende Pensionierung nachdenken. Ihm blieb noch eine Woche, um sein Büro auszuräumen, die Noten seiner Schüler festzulegen und sich endgültig von seinem Beruf zu verabschieden. Da konnte er keine anstrengende Beziehung gebrauchen, die alles noch komplizierter machte.

      7

      Sehr schnell begriff Willow, was los war. George Emerson ging auf Distanz zu ihr. Am Sonntag hatte sie ihn nach dem Gottesdienst angerufen und ihn eingeladen, mit ihr und einigen Freunden zusammen auf ihrer Dachterrasse Tee zu trinken, doch er lehnte ab mit den Worten, er hätte bereits andere Pläne.

      Und bei einem Abendspaziergang mit Collin am Montag waren sie zufällig durch Georges Straße gelaufen. Collin hatte George auf seiner Veranda entdeckt, doch als sie näher kamen, war George im Haus verschwunden. Bestimmt hatte er die Befürchtung, dass sie ihn stalkte. Und vielleicht war das ja auch so.

      Auch wenn ihr das nicht ganz behagte, wurde Willow klar, dass sie loslassen musste. Brauchte sie denn wirklich jemanden wie George Emerson in ihrem Leben? Sie hatte so viel um die Ohren, so viele Projekte fertigzustellen, die Galerie, neue Freunde, mit denen sie zusammen sein wollte – warum sollte sie sich mit jemandem abgeben, der eine Beziehung zu ihr ganz offensichtlich nicht wollte?

      Und trotzdem drehten sich in der folgenden Woche ihre Gedanken während der Arbeit fortwährend um Mr Emerson. Morgens fand sie einen Vorwand, um Collin auf seinem Schulweg zu begleiten in der Hoffnung, ihn zu sehen. Und am Nachmittag, nach Schulschluss, machte sie oft einen Spaziergang durch die Stadt, um ihm auf seinem Heimweg zu begegnen. Vielleicht verfolgte