„Nun, ich, äh –“
„Nur zu.“ Sie versetzte ihm einen sanften Stoß. „Keine Sorge, ich werde Sie nicht ausrauben. Sie können mir vertrauen. Und nehmen Sie sich ruhig Zeit.“
Zu ihrer Erleichterung protestierte er nicht weiter. Der arme Mann, vermutlich hielt er sie für vollkommen durchgeknallt. Aber während sie darauf wartete, dass das Essigwasser heiß wurde und durch die Kaffeemaschine lief, wusste sie, dass es der Mühe wert war, die Kaffeemaschine von seinem alten Filterkaffee zu reinigen.
Mit leicht schlechtem Gewissen sah sich Willow in seiner Küche um, während sie darauf wartete, dass die Kaffeemaschine entkalkte. Irgendwie konnte sie nicht anders. Ihre Neugier war zu groß. Die Holzschränke waren weiß gestrichen und makellos sauber. Die schwarz-weißen Bodenfliesen wirkten alt, aber gut gepflegt. Zwar gab es keinen Geschirrspüler, doch der blaue Herd und Kühlschrank waren wirklich bezaubernd und schienen aus den 50er-Jahren zu sein. Abgesehen von der Kaffeemaschine und dem Toaster gab es keine modernen Geräte auf der Arbeitsfläche. Aus irgendeinem Grund überraschte sie das nicht. George war altmodisch … beinahe wie jemand aus einer anderen Zeit.
Sie fragte sich, ob er wohl Milch oder Sahne für den Kaffee da hatte und warf einen Blick in den Kühlschrank. Er war mit allem Nötigen, wenn auch etwas spartanisch, ausgestattet. Nicht dass sie sich darüber ein Urteil erlauben könnte, denn ihr eigener, viel modernerer Kühlschrank enthielt im Augenblick nicht einmal das.
Sie nahm einen Karton Eier heraus, ein Stück Cheddarkäse, eine rote Zwiebel und etwas Spinat. Während das jetzt klare Wasser durch die Maschine lief, machte sie sich daran, die Zutaten zu reiben, zu schneiden und zu verquirlen. Zwischendurch mahlte sie die Kaffeebohnen, und während jetzt der aromatische Kaffee durchlief, briet sie die Zwiebeln an. Schließlich fügte sie den Spinat, die Eier und den Käse hinzu … und rührte alles durcheinander. Während die Rühreier auf dem Herd brutzelten, nahm sie Teller und Becher aus dem Schrank. Im Garten entdeckte sie einen alten Picknicktisch, und ihr kam die Idee, dass sie draußen frühstücken könnten.
Sie hatte gerade den Tisch gedeckt und sogar ein Glas mit Blumen, die sie in einem etwas vernachlässigten Blumenbeet im Garten gefunden hatte, in die Mitte gestellt, als George mit einem nicht zu deutenden Gesichtsausdruck erschien.
„Frisch geduscht.“ Sie winkte ihn herüber. „Das Frühstück ist fertig.“
„Aber wie haben Sie –“
„Das stört Sie hoffentlich nicht.“ Sie gab Rührei auf seinen Teller und legte einen Muffin dazu. „Aber ich hatte schrecklichen Hunger. Darum habe ich mich einfach bei Ihnen wie zu Hause gefühlt.“
Sie lächelte nervös, als sie die Kanne mit dem frisch aufgebrühten Kaffee nahm und ihm einen Becher eingoss. „Bitte setzen Sie sich doch.“
Nachdem er Platz genommen hatte, sprach sie ein stummes Dankgebet und nahm ihre Gabel zur Hand. „Essen Sie, bevor es kalt wird.“
Und ohne weitere Umstände schob sie eine Gabel voll in den Mund. Rühreier waren schon immer ihre Spezialität gewesen, und dieses hier war beinahe perfekt – obwohl es mit ein paar Pilzen noch besser geworden wäre.
„Das schmeckt köstlich.“ George tupfte sich seinen Mund mit einer Papierserviette ab. „Vielen Dank.“
„Probieren Sie Ihren Kaffee“, forderte sie ihn auf.
Ganz vorsichtig trank er einen Schluck und lächelte sie an. „Der ist sehr gut. Und nur, weil Sie die Kaffeemaschine mit Essig entkalkt haben?“
Sie erklärte ihm, dass sie die Bohnen frisch gemahlen hätte. „Aber ich konnte mich nicht überwinden, sie in eine verkalkte Kaffeemaschine zu geben. Das hätte den Kaffee verdorben.“ Sie kräuselte die Lippen. „Wenn man genau darüber nachdenkt, ist das schon fast ein geistliches Bild.“
„Wie das?“ Er brach ein Stück von seinem Muffin ab.
„Na ja, manchmal wirken Menschen nach außen ganz fehlerlos und sauber, aber innerlich sind sie verdorben.“ Sie lachte. „Eigentlich entspricht das fast genau dem, was Jesus zu den religiösen Führern seiner Zeit gesagt hat.“
„Wie bitte?“ Jetzt schien ihr George gar nicht mehr folgen zu können.
„Entschuldigen Sie bitte.“ Sie nahm noch einen Bissen. „Ich wollte Sie nicht anpredigen.“ Willow deutete mit dem Kopf zur Seite hinüber, wo ein blonder Kopf zu sehen waren. „Und schauen Sie jetzt nicht hin, aber wir haben Zuschauer.“
„Mrs Atwood?“, fragte er leise, ohne sich umzuwenden.
Sie nickte. „Soll ich sie zu uns herüberbitten?“
„Nein.“ Er biss in seinen Muffin und kaute nachdenklich. Seine Augen leuchteten auf.
„Besser als ein Cupcake?“
„Entschieden besser.“
„Habe ich jetzt einen falschen Eindruck vermittelt, weil ich einfach so hier aufgetaucht bin?“ Sie senkte die Stimme. „Ich meine, Ihrer Nachbarin gegenüber.“
Er grinste. „Nun, und wenn das so wäre, müsste ich mich bei Ihnen bedanken. Also, herzlichen Dank.“
„Hey, ich tue, was ich kann.“
Willows Sorge, sie hätte ihn vielleicht zu sehr überrumpelt, verflüchtigte sich, während sie im Sonnenschein frühstückten und nett miteinander plauderten. Obwohl sie vermutete, dass George ihr Verhalten immer noch etwas seltsam fand, hatte sie den Eindruck, dass er sich wohlfühlte … und dass auch das Essen ihm schmeckte.
„Das war alles so unerwartet“, gestand er, als sie zu Ende gefrühstückt hatten. „Aber sehr willkommen.“
„Ich freue mich, dass es Ihnen geschmeckt hat.“
„Ich habe in der Nacht kaum geschlafen“, gestand er. „Normalerweise trinke ich am Nachmittag keinen Kaffee mehr. Ich fürchte, der hat mich wach gehalten.“
„Sind Sie sicher, dass es am Kaffee lag?“ Willow unterdrückte ein Lächeln, als sie ihr Frühstücksgeschirr in die Küche trugen.
George bestand darauf, den Abwasch zu übernehmen, und erneut empfand sie Mitleid mit diesem Mann. Er führte ein so farbloses und ödes Leben. Es war beinahe so, als wäre er irgendwie gefangen, vielleicht trug er aber auch eine nicht greifbare Angst in sich, die ihn daran hinderte, voll am Leben teilzunehmen. Was auch immer es war, sie war mehr als entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Aber das würde bestimmt nicht leicht werden, vermutete sie. Sicher müsste sie ihn immer wieder sanft anschubsen. Und manchmal vielleicht auch nicht ganz so sanft.
6
George wusste nicht so recht, was er denken sollte, als er hastig das Frühstücksgeschirr spülte. Willow machte keine Anstalten, sich zu verabschieden. Das schmutzige Geschirr im Spülbecken stehen zu lassen, brachte er nicht übers Herz. Er hasste Unordnung in seiner Küche. Aber natürlich war es wenig gastfreundlich, sie allein in seinem Wohnzimmer sitzen zu lassen. Willow mochte eine gute Köchin sein, aber sie hatte auch ein großes Chaos hinterlassen.
George wusste nicht so genau, warum es ihm so unangenehm war, Willow in seinem kleinen Haus zu wissen. Er hatte doch nichts zu verbergen. Aber es passte ihm nicht, dass sie an seinen Kühlschrank gegangen war und in seinen Schränken herumgewühlt hatte. Genauso verstörend fand er es, dass sie es sich dort draußen gemütlich gemacht hatte.
George musste sich eingestehen, dass er kein guter Gastgeber war. Eigentlich hatte er noch nie Gäste gehabt. Sosehr er Willow mochte, aber er konnte nicht leugnen, dass sie ihn an die Grenzen seiner Geduld brachte.
„So, das soll für den Augenblick genügen.“ Mit dem feuchten Geschirrtuch in der Hand gesellte er sich zu ihr. „Ich mache das hier später fertig.“ Er trocknete seine Hände an dem Geschirrtuch ab und faltete es anschließend zusammen.
„Und ich kann Ihnen bestimmt nicht helfen?“, fragte sie von seinem kleinen Sofa aus.
„Nein,