Religionen gibt, nur dem Katholizismus oder dem Protestantismus huldigen. Es ist hier nicht so wie in den Vereinigten Staaten, die durch die Religion – wenn nicht schon durch die leidige Politik – veruneinigt werden und wo es ebenso viele Sekten wie Familien gibt, wie z.B. Methodisten, Anglikaner, Presbyterianer, Anabaptisten, Wesleyaner usw. – Hier leben nur Protestanten vom calvinistischen Bekenntnis oder römische Katholiken.«
»Und welcher Sprache bedient man sich meist?«
»Englisch und französisch werden gleich geläufig gesprochen.«
»Unseren Glückwunsch dazu!« sagt Pinchinat.
»Die Stadt ist deshalb«, fährt Calistus Munbar fort, »in zwei annähernd gleiche Hälften geteilt. Hier befinden wir uns …«
»In der westlichen Hälfte, glaub’ ich?« fällt Frascolin ein, der sich nach dem Stande der Sonne orientiert.
»In der westlichen?… Nun ja, wenn Sie wollen …«
»Wie?… Wenn ich will?« erwidert die zweite Geige, sehr erstaunt über eine solche Antwort. »Verändern sich denn die Himmelsrichtungen der Stadt nach dem Wunsche jedes Beliebigen?«
»Ja und nein …« antwortet Calistus Munbar. »Doch davon später. Ich komme also auf diese Stadthälfte zurück … auf die westliche, wenn es Ihnen so beliebt, ausschließlich bewohnt von Protestanten, die auch hier immer praktische Leute geblieben sind, während die raffinierteren, mehr der Fantasie nachgebenden Katholiken die andere Hälfte einnehmen. Ich sagte Ihnen schon, dass das Gebäude vor uns der protestantische Tempel ist.«
»So sieht er auch aus. Bei seinem schwerfälligen Baustile kann das Gebet darin keine Erhebung empor zum Himmel, sondern muss eine Herniederbeugung zur Erde sein …«
»Gut gebrüllt, Löwe!« ruft Pinchinat. »Doch in einer so modern ausgestatteten Stadt, Herr Munbar, kann man wohl auch die Predigt oder die Messe durch das Telefon anhören?«
»Ganz richtig.«
»Und kann auch telefonisch beichten?…«
»So wie man sich mittels Telautografen verheiraten kann, und Sie werden zugeben, dass das eine sehr praktische Einrichtung ist.«
»Das will ich meinen, Herr Munbar«, bestätigt Pinchinat, »praktisch aus dem ff!«
1 Rasthaus an einer Karawanenstraße <<<
2 Die äußere Erscheinung von Lebewesen, insbesondere des Menschen und hier speziell die für einen Menschen charakteristischen Gesichtszüge. <<<
3 Schiffseigner <<<
Viertes Kapitel – Das verblüffte Konzert-Quartett
Um elf Uhr und nach einem so langen Spaziergange ist es gestattet, Hunger zu haben. Unsere Künstler machen von dieser Erlaubnis auch überreichlich Gebrauch. Ihre Mägen knurren im Ensemble und sie selbst harmonieren alle darin, um jeden Preis frühstücken zu müssen.
Das ist auch die Ansicht Calistus Munbars, der ebenso wie seine Gäste der täglichen Nahrungszufuhr bedarf. Da fragten sich die Künstler, ob sie bis nach dem Exzelsior-Hotel zurückkehren sollten.
Ja, denn in der Stadt scheint es nicht viele Restaurants zu geben, und offenbar zieht es jedermann vor, sich auf sein Home zu beschränken. Der Verkehr von Touristen aus beiden Welten ist allem Anscheine nach auch sehr gering.
Binnen wenigen Minuten befördert ein Tramwagen die Hungernden nach ihrem Hotel, wo sie an einer vollbedeckten Tafel Platz nehmen. Hier zeigt sich ein erstaunlicher Gegensatz zu den gewöhnlichen amerikanischen Mahlzeiten, bei denen die Vielheit der Gerichte über deren mangelnde Güte hinwegtäuschen muss. Das Rind- und Hammelfleisch ist vorzüglich; das Geflügel zart und duftend; der Fisch von verlockender Frische. Dazu gibt es, statt des Eiswassers in den Restaurants der Union, verschiedene treffliche Biere und Weine, die unter den Sonnenstrahlen der Rebenhügel von Médoc und Burgund gereift waren.
Pinchinat und Frascolin tun diesem Frühstück alle Ehre an, mindestens ebenso viel wie Sébastien Zorn und Yvernes. Es versteht sich, dass Calistus Munbar nicht unterließ, es ihnen anzubieten, und es wäre doch unhöflich von ihnen gewesen, das nicht anzunehmen.
Der Yankee, dessen Mühle es nie an Wasser fehlt, entwickelt übrigens einen bestrickenden Humor. Er spricht von allem, was die Stadt betrifft, nur nicht von dem, was seine Gäste gern erfahren hätten, d.h. welche die unabhängige Stadt ist, deren Namen er zu nennen zögert. Etwas Geduld, er wird ihn schon verraten, wenn die Besichtigung des Ganzen zu Ende ist. Sollte er gar darauf ausgehen, das Quartett etwas berauscht zu machen, damit es den Abgang des Zuges nach San-Diego versäumte? Nein, doch nach der tüchtigen Mahlzeit trinken alle wacker drauflos, und ebenso sollte das Dessert noch mit einer Tasse Tee begossen werden, da erzittern die Fensterscheiben des Hotels von einer gewaltigen Detonation.
»Was war das?« fragte Yvernes emporschnellend.
»Beunruhigen Sie sich nicht, meine Herren«, antwortet Calistus Munbar, »das war die Kanone des Observatoriums.«
»Wenn sie nur die Mittagsstunde bezeichnen soll«, erwidert Frascolin nach seiner Uhr sehend, »so behaupte ich, dass der Schuss zu spät fiel …«
»Nein, Herr Bratschist, nein! Die Sonne geht hier ebensowenig wie anderswo vor oder nach!«
Dabei umspielt ein eigentümliches Lächeln die Lippen des Amerikaners, seine Augen funkeln unter dem Binokel, und er reibt sich recht sonderbar die Hände. Man möchte glauben, er beglückwünschte sich, einen guten Schelmenstreich ausgeführt zu haben.
Frascolin, der sich von der trefflichen Bewirtung weniger als seine Kameraden gefangennehmen lässt, sieht ihn misstrauischen Blickes an, ohne sich deshalb mehr klarzuwerden.
»Nun, liebe Freunde – Sie gestatten doch, dass ich mich dieser vertraulichen Anrede bediene –«, setzt er in liebenswürdigster Weise hinzu, »wollen wir wieder aufbrechen, um noch den anderen Teil der Stadt zu besuchen; ich käme in Verzweiflung, wenn Ihnen die geringste Einzelheit entginge. Wir haben keine Zeit zu verlieren …«
»Um wie viel Uhr geht denn der Zug nach