Jules Verne

Die Propeller-Insel


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En­thu­si­as­mus nicht ge­geizt hat …«

      »Ver­ehr­ter Herr«, glaubt Fras­co­lin hier ein­flech­ten zu müs­sen, »wir füh­len uns aufs höchs­te ge­schmei­chelt. Doch … die gast­li­che Auf­nah­me … wo könn­ten wir die durch Ihre Güte fin­den?«

      »Zwei Mei­len von hier.«

      »In ei­nem an­de­ren Dor­fe?«

      »Nein … Nein, in ei­ner Stadt.«

      »Ei­ner be­deu­ten­de­ren Stadt?…«

      »Ge­wiss.«

      »Er­lau­ben Sie, man hat uns ge­sagt, dass hier und vor San Die­go kei­ne Stadt lie­ge …«

      »Ein Irr­tum … wirk­lich ein Irr­tum, den ich nicht zu er­klä­ren ver­mag.«

      »Ein Irr­tum?…« wie­der­holt Fras­co­lin.

      »Ja, mei­ne Her­ren, und wenn Sie mir nur fol­gen wol­len, ver­spre­che ich Ih­nen einen Empfang, wie er sich für solch her­vor­ra­gen­de Künst­ler ge­bührt.«

      »Ich den­ke, das er­schie­ne an­nehm­bar«, ließ sich Yver­nes ver­neh­men.

      »Ganz mei­ne An­sicht«, be­stä­tigt Pin­chi­nat.

      »Halt, halt … noch einen Au­gen­blick«, ruft Pin­chi­nat; »nie­mals schnel­ler als der Lei­ter des Or­che­s­ters.«

      »Das be­deu­tet?«… fragt der Ame­ri­ka­ner.

      »Dass wir in San Die­go er­war­tet wer­den«, ant­wor­tet Fras­co­lin.

      »In San Die­go«, fügt der Vio­lon­cel­list hin­zu, »wo die Stadt uns zu ei­ner Rei­he von mu­si­ka­li­schen Ma­tinées en­ga­giert hat, de­ren ers­te be­reits über­mor­gen Sonn­tag statt­fin­den soll.«

      »Ah so!« ver­setzt der Frem­de mit dem Aus­druck der Ent­täu­schung.

      Gleich dar­auf er­greift er je­doch wie­der das Wort:

      »Nun, das tut nichts, mei­ne Her­ren«, setzt er hin­zu. »Bin­nen ei­nes Ta­ges wer­den Sie Zeit ge­nug ha­ben, eine Stadt zu se­hen, die des Be­su­ches wert ist, und ich ver­pflich­te mich, Sie bis zur nächs­ten Sta­ti­on zu­rück­zu­be­för­dern, so­dass Sie am Sonn­tag in San Die­go sein kön­nen.«

      In der Tat, das Aner­bie­ten ist eben­so ver­füh­re­risch, wie un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den will­kom­men. Das Quar­tett kann si­cher sein, in ei­nem gu­ten Ho­tel ein treff­li­ches Zim­mer zu fin­den, ohne von den wei­te­ren Vor­tei­len zu re­den, die sie von und durch die­sen zu­vor­kom­men­den Herrn er­war­ten dür­fen.

      »Neh­men Sie mei­nen Vor­schlag an, mei­ne Her­ren?«

      »Mit Ver­gnü­gen«, ver­si­chert jetzt Sé­bas­ti­en Zorn, den der Hun­ger und die Er­mü­dung be­stim­men, eine der­ar­ti­ge Ein­la­dung nicht ab­zu­wei­sen.

      »Also ab­ge­macht!« er­wi­dert der Ame­ri­ka­ner. »Wir bre­chen so­fort auf, sind bin­nen zwan­zig Mi­nu­ten am Zie­le, und ich weiß, dass Sie mir da­für Dank wis­sen wer­den.«

      Selbst­ver­ständ­lich hat­ten sich nach den Hur­ras, die der exe­ku­tier­ten Kat­zen­mu­sik folg­ten, die Fens­ter der Häu­ser so­gleich wie­der ge­schlos­sen. Die Lich­ter er­lo­schen und Fre­schal ver­fiel aufs neue in tie­fen Schlaf.

      Von dem Ame­ri­ka­ner ge­führt, be­ge­ben sich die Mu­si­ker nach dem Krem­ser, brin­gen dar­auf ihre In­stru­men­te un­ter und neh­men im hin­te­ren Tei­le des Ge­fähr­tes Platz, wäh­rend sich ihr freund­li­che Füh­rer ganz vorn­hin ne­ben den Mecha­ni­ker setzt. Dann wird ein He­bel um­ge­legt, die elek­tri­schen Ak­ku­mu­la­to­ren tre­ten in Wir­kung, der Wa­gen rückt von der Stel­le und kommt sehr bald in ra­sche Be­we­gung nach Wes­ten hin­aus.

      Nach ei­ner Vier­tel­stun­de leuch­tet ein aus­ge­brei­te­ter weiß­li­cher Schein auf, ein die Au­gen blen­den­des Durchein­an­der von leuch­ten­den Strah­len. Da liegt also eine Stadt, von de­ren Vor­han­den­sein un­se­re Pa­ri­ser gar kei­ne Ah­nung hat­ten.

      Der Krem­ser hält an und Fras­co­lin sagt:

      »Aha, da wä­ren wir ja an der Küs­te.«

      »An der Küs­te … nein«, ent­geg­net der Ame­ri­ka­ner. »Das ist ein Strom, den wir zu über­schrei­ten ha­ben.«

      »Doch auf wel­che Wei­se?« fragt Pin­chi­nat.

      »Mit­tels der Fäh­re hier, die gleich un­se­ren Wa­gen auf­nimmt.«

      In der Tat liegt vor ih­nen ei­nes der in den Ve­rei­nig­ten Staa­ten so häu­fi­gen Fer­ry-boats, auf das der Wa­gen samt In­sas­sen hin­über­rollt. Ohne Zwei­fel wird die­ses Fer­ry-boat durch Elek­tri­zi­tät an­ge­trie­ben, denn es stößt kei­nen Dampf aus, und schon zwei Mi­nu­ten spä­ter legt es nach Über­schrei­tung des Was­sers an der Kai­mau­er ei­nes Bass­ins im Hin­ter­grun­de ei­nes Ha­fens an.

      Der Krem­ser rollt nun durch über Land füh­ren­de Al­leen wei­ter und dringt in eine Park­an­la­ge ein, über die hoch oben an­ge­brach­te elek­tri­sche Lam­pen hel­les Licht aus­gie­ßen.

      Am Git­ter die­ses Parks öff­net sich ein Tor, der Zu­gang zu ei­ner brei­ten und lan­gen, mit tö­nen­den Plat­ten be­leg­ten Stra­ße. Fünf Mi­nu­ten spä­ter stei­gen un­se­re Künst­ler am Vor­bau ei­nes ele­gan­ten Ho­tels aus, wo sie auf ein Wort des Ame­ri­ka­ners hin mit viel­ver­spre­chen­der Zu­vor­kom­men­heit emp­fan­gen wer­den. Man ge­lei­tet sie so­fort nach ei­ner lu­xu­ri­ös aus­ge­stat­te­ten Ta­fel, und sie neh­men – wie sich wohl vor­aus­set­zen lässt, mit bes­tem Ap­pe­tit – ein reich­li­ches Abendes­sen ein.

      Nach Been­di­gung des­sel­ben führt sie der Ober­kell­ner nach ei­nem sehr ge­räu­mi­gen Zim­mer mit meh­re­ren Glühlam­pen, die durch nie­der­zu­las­sen­de Schir­me in mild leuch­ten­de Nacht­lam­pen ver­wan­delt wer­den kön­nen. Die Er­klä­rung al­ler die­ser Wun­der von dem kom­men­den Mor­gen er­war­tend, schlum­mern sie end­lich in den die vier Zim­me­r­e­cken ein­neh­men­den be­que­men Bet­ten ein und schnar­chen mit der au­ßer­ge­wöhn­li­chen Über­ein­stim­mung, der das Kon­zert-Quar­tett sei­nen künst­le­ri­schen Ruhm ver­dankt.

      1 Fi­gur in der grie­chi­schen My­tho­lo­gie, der schö­ne und ewig ju­gend­li­che Lieb­ha­ber der Mond­göt­tin Se­le­ne <<<

      2 Ge­stalt aus Schil­lers „Räu­bern“ <<<

      3 Soh­len­gän­ger, Land­wir­bel­tie­re, die bei der Fort­be­we­gung die ge­sam­te Fuß­soh­le auf­set­zen, Bsp: Bä­ren oder Men­schen­af­fen <<<

      4 Das Mot­to des Dart­mouth Col­le­ge ist „Vox Cla­man­tis in De­ser­to" („Ei­ne Stim­me ruft in der Wüs­te") Sinn­ge­mäß: Ein (ein­sa­mer) Ru­fer in der Wüs­te. <<<

      Am frü­hen Mor­gen, ge­gen sie­ben Uhr, er­schal­len nach täu­schen­der Nach­ah­mung