und das Klappen der Kinnladen sind ziemlich beunruhigend.
»Wenn wir nun alle nach verschiedenen Seiten Fersengeld gäben?« schlägt Seine Hoheit vor.
»Nein, das lassen wir bleiben«, antwortet Frascolin. »Einer von uns würde doch von dem Burschen gehascht und müsste allein für die anderen zahlen.«
Diese Unklugheit wurde nicht begangen, und es liegt auch auf der Hand, dass sie hätte schlimme Folgen haben können.
Das Quartett gelangt so als »Bündel« an die Grenze einer minder dunkeln Waldparzelle. Der Bär hat sich jetzt bis auf zehn Schritte genähert. Sollte er den Ort für günstig zu einem Angriff halten?… Fast scheint es so, denn er verdoppelt sein Brummen und beschleunigt seinen Schritt noch mehr.
Die kleine Gruppe weicht deshalb noch schneller zurück, und die zweite Violine mahnt dringend:
»Kaltes Blut!… Den Kopf nicht verlieren!«
Die Lichtung ist überschritten und der Schutz der Bäume wieder erreicht. Vermindert ist die Gefahr hierdurch doch eigentlich nicht. Von einem Stamme zum anderen schleichend, kann das Tier die Verfolgten plötzlich anspringen, ohne dass diese seinem Angriffe zuvorzukommen vermögen, und das mochte der Bär wohl auch vorhaben, als er sein Brummen einstellte und sich etwas zusammenkrümmend fast still hielt …
Da ertönt eine laute Musik in der dicken Finsternis, ein ausdrucksvolles Largo, in dem die ganze Seele des Künstlers aufzugehen scheint.
Yvernes ist es, der die Violine aus dem Etui gezogen hat und sie unter mächtigem Bogenstriche erklingen lässt. Wahrlich, ein Geniestreich! Warum sollten auch Musiker ihr Heil nicht bei der Musik gesucht haben? Sammelten sich die von den Akkorden Amphions bewegten Steine nicht freiwillig um Theben an? Legten sich nicht die mit lyrischem Sinne begabten wilden Tiere besänftigt zu Orpheus Füßen nieder? Nun, hier kam man zu dem Glauben, dass dieser kalifornische Bär unter atavistischer Beeinflussung ebenso künstlerisch veranlagt gewesen sei, wie seine Kameraden aus der Sage, denn seine Wildheit erlischt unter der hervortretenden Neigung für Melodien, und ganz entsprechend dem Zurückweichen des Quartetts folgt er diesem in gleichem Tempo nach und lässt wiederholt ein leises Zeichen dilettantischer Befriedigung hören. Es fehlte gar nicht viel, dass er »Bravo!« gerufen hätte.
Eine Viertelstunde später befindet sich Sébastien Zorn mit seinen Gefährten am Saume der Waldung. Sie überschreiten ihn, während Yvernes immer flott drauflosgeigt.
Das Tier hat haltgemacht. Es scheint keine Lust zu haben, noch weiter mitzutrotten; dagegen schlägt es die plumpen Vordertatzen aneinander.
Da ergreift auch Pinchinat sein Instrument und ruft:
»Den Bärentanz! Und in flottem Tempo!«
Während nun die erste Violine die weitbekannte Melodie in Dur mit vollen Bogenstrichen heruntergeigt, begleitet sie die Bratsche scharf und falsch in Moll …
Da fängt das Tier zu tanzen an, hebt einmal die rechte, einmal die linke Tatze hoch auf, dreht und schwenkt sich hin und her und lässt die kleine Gesellschaft unbehelligt sich weiter auf der Straße entfernen.
»Bah!« stößt Pinchinat hervor, »das war nur ein Zirkusbär!«
»Tut nichts«, antwortet Frascolin, »der Teufelskerl, der Yvernes, hat doch eine famose Idee gehabt.«
»Nun trabt aber davon … allegretto«, mahnt der Violoncellist, »und ohne euch umzusehen.«
Es ist gegen neun Uhr abends, als die vier Jünger Apolls heil und gesund in Freschal eintreffen. Sie haben die letzte Wegstrecke in stark beschleunigtem Schritte zurückgelegt, obgleich der Bär ihnen nicht mehr folgte.
Etwa vierzig Häuschen oder richtiger Hütten aus Holz rund um einen mit Buchen bestandenem Platz … das ist Freschal, ein vereinsamtes Dorf, das gegen zwei Meilen von der Küste liegt.
Unsere Künstler schlüpfen zwischen zwei von großen Bäumen beschatteten Wohnstätten hindurch, gelangen damit nach einem freien Platze, in dessen Hintergrunde sich der bescheidene Glockenturm eines Kirchleins erhebt, sie treten zusammen, als wollten sie ein Musikstück aus dem Stegreif vortragen, und bleiben an der Stelle stehen, um zu beratschlagen.
»Das … das soll ein Dorf sein?« fragte Pinchinat.
»Na, du hast doch nicht erwartet, hier eine Stadt von der Art New Yorks oder Philadelphias zu finden!« erwidert Frascolin.
»Unser Dorf liegt aber bereits im Bett!« bemerkt Sébastien Zorn wegwerfend.
»O, wir wollen ein schlummerndes Dorf ja nicht erwecken!« seufzt Yvernes melodisch.
»Im Gegenteil, lasst es uns munter machen!« ruft Pinchinat.
Freilich, wenn sie die Nacht nicht unter freiem Himmel zubringen wollten, blieb ihnen am Ende nichts anderes übrig.
Im Übrigen ist der Ort völlig verlassen und totenstill – kein Laden geöffnet, kein Licht hinter einem Fenster. Für das Schloss Dornröschens wären hier alle Vorbedingungen ungestörtester Ruhe gegeben gewesen.
»Wo ist denn nun das Gasthaus?« fragt Frascolin.
Ja, das Gasthaus, von dem der Kutscher sprach, wo seine verunglückten Fahrgäste freundliche Aufnahme und gutes Nachtlager finden sollten?…
Und der Gastwirt, der sich beeilen würde, dem noch schlimmer verunglückten Kutscher Hilfe zu senden?… Sollte der arme Kerl das alles nur geträumt haben?… Oder – eine andere Hypothese – sollten sich Sébastien Zorn und seine Gesellschaft verirrt haben?… Wäre das gar nicht die Dorfschaft Freschal?…
Diese verschiedenen Fragen verlangen schleunige Beantwortung. Es ergibt sich also die Notwendigkeit, einen der Landesbewohner zu befragen und, um das zu können, an die Tür eines der kleinen Häuser zu klopfen … womöglich an die des Gasthofs, wenn ein glücklicher Zufall diesen entdecken lässt.
Die vier Musiker beginnen also eine Untersuchung der finstern Ortschaft und streifen an den Häuserfronten hin, um vielleicht irgendwo ein heraushängendes Schankzeichen zu erspähen. Von einem Gasthofe findet sich aber keine Spur.
Gibt es auch keine Herberge, so ist doch gar nicht anzunehmen, dass sich nicht wenigstens eine gastfreundliche Hütte fände, und da man hier nicht in Schottland ist, kann man auf amerikanische Weise vorgehen. Welcher Eingeborene von Freschal würde es wohl abschlagen, ein oder auch