bei ihnen doch allgemein verbreitet. Dadurch, dass sie die Gemälde alter und neuer Meister mit Gold aufwogen, um private oder öffentliche Sammlungen zu füllen, und dass sie berühmte lyrische oder dramatische Künstler, ebenso wie die besten Instrumentalisten oft für unerhörte Preise heranzogen, hatten sie sich endlich den ihnen so lange mangelnden Sinn für schöne und edle Dinge allmählich eingeimpft.
Was die Musik betrifft, begeisterten sich die Dilettanten der Neuen Welt anfänglich an den Werken eines Meyerbeer, Halévy, Gounod, Berlioz, Wagner, Verdi, Massé, Saint-Saëns, Reyer, Massenet und Delibes, der berühmten Tonsetzer der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Dann gelangten sie nach und nach zum Verständnis der tiefsinnigeren Arbeiten eines Mozart, Beethoven und Haydn und strebten den Quellen jener höchsten Kunst entgegen, die im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts so reichlich flossen. Da folgten den Opern die lyrischen Dramen, den lyrischen Dramen die Symphonien, Sonaten und die Orchestersuiten. Zurzeit, von der wir sprechen, machten gerade die Sonaten in den verschiedenen Staaten der Union gewaltiges Aufsehen. Man bezahlte sie willig Note für Note, die halbe mit zwanzig, die viertel mit zehn, die achtel Note mit fünf Dollar.
Von dieser Modetollheit unterrichtet, unternahmen es vier hochangesehene Instrumentalisten, sich in den Vereinigten Staaten von Amerika Ruhm und Schätze zu erringen. Es waren vier gute Kameraden, frühere Schüler des Pariser Konservatoriums, und in der französischen Hauptstadt sehr bekannte Leute, die vorzüglich von den Liebhabern der in Amerika noch wenig verbreiteten sogenannten »Kammermusik« besonders geschätzt wurden. Mit welch seltener Vollendung, welch herrlichem Zusammenspiel und tiefem Verständnis brachten sie aber auch die Werke eines Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Haydn und Chopin zu Gehör, diese unsterblichen Kompositionen, die für vier Streichinstrumente, eine erste und eine zweite Geige, eine Bratsche und ein Violoncell geschrieben sind! Da gab es keinen Lärm, nichts Geschäftsmäßiges, wohl aber eine tadellose Ausführung, eine unvergleichliche Virtuosität! Die Erfolge des Quartetts erscheinen umso begreiflicher, als man zu jener Zeit gerade anfing, der ungeheuern harmonischen und symphonischen Orchester müde zu werden. Ist die Musik auch immer eine aus kunstvoll kombinierten sonoren Wellen erzeugte Seelenerschütterung, so braucht man diese Wellen doch nicht zu betäubenden Sturmfluten zu entfesseln.
Kurz unsere vier Musiker beschlossen, die Amerikaner in die sanften und unaussprechlichen Genüsse der Kammermusik einzuführen. Sie reisten zusammen nach der Neuen Welt, und seit zwei Jahren sparten ihnen gegenüber die Yankee-Dilettanten auch in keiner Weise, weder mit Hurras, noch mit ebenso erhebend klingenden Dollar. Ihre musikalischen Matinéen oder Soiréen waren außerordentlich begehrt. Das »Konzert-Quartett« – so lautete die übliche Bezeichnung – war kaum imstande, den Einladungen der reichen Leute nachzukommen. Ohne jenes gab es kein Fest, keine Réunion, keinen Raout, keinen Five o’Clock Tea, ja keine Gardenparties, die der öffentlichen Aufmerksamkeit empfohlen zu werden verdient hätten. Bei dieser allgemeinen Begeisterung hatte genanntes Quartett schon ganz gewaltige Summen eingeheimst, die, wenn sie sich in den Panzerschränken der Bank von New York aufgesammelt hätten, schon ein recht hübsches Kapital dargestellt haben würden. Doch, warum sollten wir es verheimlichen? … Unsere amerikanischen Pariser streuten das Geld auch mit vollen Händen wieder aus. Die Fürsten des Bogens, die Könige von vier Saiten, dachten gar nicht ans Aufspeichern von Schätzen. Sie hatten an ihrem etwas abenteuerlichen Leben Geschmack gefunden in der Gewissheit, überall gute Aufnahme und reichlichen Verdienst zu finden, und so flatterten sie von New York nach San Franzisko, von Quebec nach Neu-Orléans, von Neu-Schottland nach Texas – vielleicht etwas à la Bohème, aber in der Bohème der Jugend, die ja die älteste, liebenswürdigste und beneidenswerteste überall auf Erden ist.
Wenn wir uns nicht arg täuschen, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Leutchen persönlich und mit Namen denen unserer freundlichen Leser vorzustellen, die das Vergnügen, jene zu hören, weder gehabt haben, noch je haben werden.
Yvernes – die erste Violine – zweiunddreißig Jahre alt, von etwas übermittlerer Statur, bestrebt mager zu bleiben, hat blondes, unten etwas gelocktes Haar, glattes Gesicht, große dunkle Augen, lange Hände, die dazu geschaffen scheinen, auf seiner Guarnerio alles mögliche zu greifen, zeigt elegantes Auftreten, liebt es, sich in einen dunkelfarbigen Mantel zu hüllen, trägt gern einen hochköpfigen Seidenhut, ist vielleicht etwas schauspielerischer »Poseur«, doch jedenfalls der Harmloseste der Gesellschaft, der sich um Geldangelegenheiten nicht kümmert, sondern vor allem anderen Künstler, begeisterter Bewunderer alles Schönen und Virtuose von großem Talent und glänzender Zukunft ist.
Frascolin – die zweite Violine – dreißig Jahre alt, klein, mit Neigung zu Fettleibigkeit, worüber er oft in helle Wut gerät, braun von Bart- und Kopfhaar, mit starkem Kopf, dunkeln Augen, langer Nase mit sehr beweglichen Flügeln und geröteten Flecken an den Stellen, wo die Federn seines goldgefassten Lorgnons mit stark konkaven Gläsern, das er leider nicht entbehren kann, aufsitzen; übrigens ein gutmütiger, zuvorkommender, dienstwilliger Mann, der sich jeder Mühewaltung unterzieht, um sie seinen Kollegen zu ersparen, führt er die Kasse für das Quartett und empfiehlt immer äußerste Sparsamkeit, freilich ohne damit je Gehör zu finden. Ohne jeden Neid auf den Erfolg seines Kollegen Yvernes und ohne den Ehrgeiz, das Pult der ersten Violine jemals für sich zu erobern, ist er doch ein vortrefflicher Künstler. Über dem Reiseanzug trägt er stets einen weiten Staubmantel.
Pinchinat – die Bratsche – gewöhnlich »Seine Hoheit«3 genannt, siebenundzwanzig Jahre alt, der Jüngste der Truppe und auch der witzigste, lustigste Patron derselben, einer jener unverbesserlichen Typen, die ihr Leben lang übermütige Straßenjungen bleiben, mit seinem Kopf, geistvollen, stets aufmerksamen Augen, ins Rötliche spielendem Haar und mit spitzauslaufendem Schnurrbart. Er schnalzt gern mit der Zunge an den weißen, scharfen Zähnen und ist eingefleischter Liebhaber von Kalauern und Calembours, ebenso bereit zum Angriff wie zur Abwehr, das Gehirn voller Schnurren – »eine vollständige Ausstattung«, sagt er – von unverwüstlichem Humor, immer Possen treibend und ohne sich deshalb, weil sie seine Kollegen zuweilen in Verlegenheit bringen, ein graues Haar wachsen zu lassen. Darum treffen