Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Die Uhr ist abgelaufen


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hatte er ein paar Tage in Houston zu tun gehabt und wollte die Gelegenheit benutzen, einen kurzen Urlaub auf der Ranch einzuschieben.

      Seit er den Turnpike verlassen hatte, befand er sich auf dem Grund und Boden der Bowl Ranch. Benedict bildete gewissermaßen eine Insel in diesem riesigen Gelände, aber auch in dem Ort gehörte Jordan das meiste.

      In der Feme tauchten zwei winzige Lichter auf, die sich langsam näherten. Wenig später passierte Joe das Camp der Straßenbaukolonne. Das Asphaltband hörte auf, und die Straße ging über in einen tief gefurchten Sandweg. Joe drosselte die Geschwindigkeit.

      Jetzt konnte er erkennen, daß die Lichter vor ihm zu einem Lastwagen gehörten, der mit hoher Geschwindigkeit durch den Sand pflügte. Joe stellte den 190er an den Straßenrand und wartete.

      Gleich darauf donnerte der Truck an ihm vorbei. Einen Augenblick lang sah er schemenhaft die Umrisse des Fahrers.

      „Hol’s der Teufel!“ knurrte Joe verblüfft und rieb sich das Kinn. „Ich wette meine Automatic gegen ein rostiges Taschenmesser, wenn der Bursche nicht eine weiße Kapuze trug,“

      Er schüttelte den Kopf und fuhr weiter. Nach zwanzig Minuten hielt er wieder an. Hier hatte der Truck die Straße erreicht. Deutlich waren die Fahrspuren zu erkennen. Sie verloren sich weiter rechts in dem hügeligen Gelände.

      Neugierde hatte von jeher zu den hervorstechendsten Eigenschaften Joe Barrys gehört. Kurzentschlossen kurbelte er das Lenkrad nach rechts und folgte den Spuren.

      Er brauchte nicht weit zu fahren. Die Reifenspuren bogen in eine flache Senke, die gerade tief genug war, um Schutz gegen Sicht von der Straße her zu bieten. Ein paar verkrüppelte Bäume spielten Wald. Der tiefzerpflügte Boden zeigte, daß der Truck hier gewendet hatte.

      Joe stieg aus und ging zu Fuß weiter. Ein brenzliger Geruch stieg in seine Nase.

      „Teer“, stellte er fest. „Hier ist Teer gekocht worden. Was, zum Teufel, soll das?“

      Er tauchte aus dem hellen Mondlicht in das Dunkel der Bäume. Fast wäre er über einen unförmigen Körper gestolpert, der am Fuß eines Baumes lag. Die Tashchenlampe flammte auf.

      Jeder Muskel in Barrys Gesicht spannte sich.

      Vor ihm lag ein Neger. Er war tot. Sein Leichnam war von Kopf bis Fuß mit Teer übergossen, der noch nicht erkaltet war.

      Ein toter Mann ist eine eindeutige Tatsache. Joe war sich über zweierlei im klaren:

      Der Mann war ein Neger und er war einer Lynchjustiz zum Opfer gefallen. Es gab in den Südstaaten eine Menge Leute, die das für eine gute Justiz hielten. Joe gehörte nicht zu ihnen.

      Er untersuchte den Tatort. Ein leeres Teerfaß überraschte ihn nicht weiter. Daneben lagen mehrere Holzprügel, die nur zu deutlich zeigten, wie der arme Teufel ermordet worden war. Joe trat aus dem Baumschatten. Daß dies ein Fehler war, merkte er zu spät.

      Zwei Schritte hinter ihm ertönte ein Geräusch, das mit dem Entsichern eines Revolvers verzweifelte Ähnlichkeithatte.

      „Nimm die Flossen hoch!“ sagte eine Stimme ih dem gedehnten Singsang der Texaner.

      Joe rechnete blitzschnell seine Chancen durch und kam zu dem Schluß, daß es das beste war, der Aufforderung Folge zu leisten.

      Aus den Augenwinkeln sah er, wie zwei Männer aus dem Gebüsch kamen. Sie trugen weiße Kapuzen. Die kalte Mündung eines Fünfundvierzigers drang in Barrys Genick.

      „Ich bin ein friedlicher Handelsreisender, Gentlemen“, sagte Joe sanft.

      Eine Hand tastete an seinem Jackett entlang und holte mit geübtem Griff seine Automatic heraus.

      „Handelsreisender“, sagte der Mann spöttisch. „Damit du es weißt: In dieser Gegend sehen wir es verdammt ungern, wenn Kerls so schwer bestückt herumlaufen.“

      Die beiden Männer sahen sich an.

      „Der Bursche interessiert mich“, sagte der eine gedehnt. „Ich schlage vor, wir nehmen ihn mit und sehen ihn uns näher an. Vorwärts jetzt!“ Der Druck der Revolvermündung in Barrys Genick verstärkte sich.

      Seine Chancen waren nicht besser geworden. In Barrys Kopf klingelte es schon eine ganze Weile. Die beiden Burschen sprachen wie zwei Hinterwäldler, benahmen sich aber wie zwei erfahrene Killer aus Al Capones Schule. Das paßte so wenig zusammen wie ein Mann in ein Mädchenpensionat. Joe überquerte gehorsam die Lichtung. Hinter den Bäumen blinkte etwas im Mondlicht. Es war ein Willys-Jeep, den er von der Straße aus nicht hatte sehen können.

      Jetzt war alles klar. Aus irgendeinem Grund waren die beiden zurückgeblieben und hatten in aller Ruhe gewartet, als sie seinen 190er kommen sahen.

      Als sie den Wagen erreichten, versuchte er es mit Stolpern. Die Reaktion der beiden bewies ihm, daß sie gehobene Klasse waren.

      „Spar dir die Mätzchen!“ knurrte der eine. „Wenn du dich nicht anständig benimmst, knallen wir dich gleich bier ab.“

      „Mein Benehmen war immer anständig, seit mich der Präsident der USA mein lieber Freund’ genannt hat.“

      „Witzbold!“ knurrte der eine.

      Sie verfrachteten Barry in den Jeep und fuhren los, quer über das Gelände auf die Berge zu, die sich dunkel vor ihnen abzeichneten. Den Revolver spürte Joe immer noch an seinem Genick.

      Barry hatte genügend Muße, seine Lage zu überdenken. Um zu erkennen, daß sie nicht rosig war, bedurfte es keiner Anstrengung. Andererseits hatte er begründete Aussicht, sich mit Anstand aus der Klemme zu winden. Die Burschen wollten zweifellos herausbekommen, wer er war, und brachten ihn deshalb zu ihrem Oberkiller.

      Die Schweigsamkeit seiner Begleiter machte Joe wenig Freude.

      „Wie wär’s mit einer Zigarette, Sonnyboy“, wandte er sich an den Fahrer.

      „Nerven hast du“, sagte der Bursche anerkennend. Er holte eine Marlboro aus der Tasche, zündete sie geschickt an und gab sie Barry.

      „Ich habe keinen Grund, dir deinen letzten Wunsch nicht zu erfüllen“, sagte er großspurig.

      „Das klingt aber herzlos“, gab Joe zurück. „Habt ihr auch bedacht, daß ich in der Blüte meiner Jahre stehe?“

      „Dann hättest du eben daheim bleiben sollen, statt nachts in der Prärie herumzustolpern.“

      „Ich wollte einen romantischen Abend verleben“, sagte Joe und blies eine Rauchwolke in die Luft. „Das ist weder verboten noch ungewöhnlich!“

      „Uns hat’s gestört“, stellte der Fahrer fest. „Deshalb wirst du jetzt gründlich durchleuchtet. Das Weitere entscheidet der Boß. Ich kann mir ganz gut vorstellen, was er tun wird.“

      „Einen Boß habt ihr?“ stellte sich Joe naiv. Er sprach soviel, um die Burschen abzulenken. Ihm war ein Einfall gekommen.

      Das Gelände stieg steil an, und der Jeep arbeitete sich mit hochtourendem Motor ein langgezogenes Tal aufwärts. Ab und zu machte er einen Sprung, wenn der Fahrer das Lenkrad jäh herumriß, um einem Geröllbrocken auszuweichen.

      Joe schob den linken Fuß langsam nach vorn, während er gemütlich mit den Burschen plauderte. Er hatte in Korea genug Jeeps gefahren, um sich auszukennen.

      Als er Widerstand spürte, wußte er, daß er den Benzinhahn erreicht hatte. Langsam schob er ihn nach vorn, bis er fast geschlossen war.

      Der Erfolg trat nach wenigen Minuten, ein. Der Motor begann zu spucken und lief unregelmäßig.

      „Das fehlt uns gerade noch!“ knurrte der Driver und trat das Gaspedal durch. Das Resultat war, daß der Motor nach einem letzten Aufheulen abstarb.

      Der Mann am Lenkrad stieß einen nicht wiederzugebenden Fluch aus und kletterte ins Freie.

      „Paßt auf ihn auf!“ ermahnte er seinen Kollegen und klappte die Motorhaube hoch. Eine Weile fingerte er an der Maschine herum,