Joe Barry

Privatdetektiv Joe Barry - Die Uhr ist abgelaufen


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hatte. Er tauchte zur Seite weg.

      Der Mann hinter ihm handelte unverzüglich, wie es von einem erfahrenen Killer nicht anders zu erwarten war. Er zog den Drücker seines Colts durch.

      In seinen Berechnungen war nur ein winziger, aber entscheidender Fehler: Er hatte nicht bedacht, daß Joe schon aus der Schußlinie heraus und daß dafür sein Komplice hineingeraten war.

      Die Kugel durchschlug die Frontscheibe des Jeeps und bohrte sich dem Kapuzenmann in den Hals. Zu einem zweiten Schuß kam der andere Gangster nicht.

      Barrys Handkante traf ihn an der Gurgel und setzte ihn urplötzlich außer Gefecht.

      Joe angelte sich den Colt und stieg aus dem Wagon. Der Mann neben dem Motor war tot.

      Joe packte den leblosen Körper und schleifte ihn auf den Rücksitz. Dann fesselte er den Bewußtlosen mit dem Nylonabschleppseil und verstaute ihn so, daß er im Falle seines Wiedererwachens keinen Ärger machen konnte.

      Barry klappte die Motorhaube zu, drehte den Benzinhahn wieder auf und ließ den Motor an. Dann fuhr er los. Der Jeep hüpfte bei dem hohen Tempo wie ein Kängeruh über Geröllbrocken und Hügel.

      Als Joe die Baumgruppe erreicht hatte, hielt er an. Mit der Baumwinde am Heck des Jeeps hievte er seinen 190er vorn hoch und schleppte ihn dann ab.

      Eine Stande später hielt der Konvoi vor dem Sheriffsoffice in Benedict.

      Sheriff Euskins Laune befand sich zu diesem Zeitpunkt drei Strich unterhalb des absoluten Tiefpunkts. Die Beamten der Mordkommission aus Waco hatten erst vor einer Stunde ihre Untersuchungen abgeschlossen und Euskins ein paar wenig liebenswürdige Dinge gesagt. Mit grimmigem Gesicht trat der Sheriff in die offene Tür und blickte Barry entgegen.

      „Hallo, Sheriff!“ rief Joe ihn an. „Ich brauche drei Dinge in folgender Reihenfolge: einen großen Whisky, eine freie Zelle und den Leichenbeschauer.“

      „Ich hoffe, junger Mann, Sie brauchen nicht alles für sich“, knurrte Euskins, der es sich in fünfunddreißig Dienstjahren abgewöhnt hatte, sich zu wundern.

      „Für mich nur den Whisky“, erwiderte Joe.

      „Überrascht es Sie, wenn ich Ihnen sage, daß der Ausschank alkoholischer Getränke nicht zu den Amtspflichten eines Sheriffs gehört?“

      „Nicht im geringsten. Andererseits wären Sie der erste Sheriff, den ich kenne und der Abstinenzler ist.“ Joe holte seine Lizenz heraus und hielt sie dem Sheriff unter die Nase.

      „Sieht ja echt aus“, meinte Euskins und strich sich über seinen Schnurrbart. „Welchem Umstand verdankt Benedict die Ehre des Besuches eines so außergewöhnlichen Mannes?“ Der Sarkasmus troff wie Honig von seinen Lippen.

      Joe sah sich den Sheriff genauer an und grinste. Euskins war ihm sympathisch.

      „Wenn Euere Lordschaft gütigst den Inhalt dieses Jeeps ansehen wollten“, sagte er bescheiden.

      Euskins trat an den Wagen und machte ein verblüfftes Gesicht.

      „Beim heiligen Antonius von San Sebastian, wie haben Sie das gemacht?“ „Mit meinen zarten Händen“, sagte Joe schlicht.

      Euskins entwickelte jetzt eine Energie, die Joe gefiel. Fünf Minuten später war der gefangene Kapuzenmann seine Kapuze los und in einer Zelle. Sein toter Kumpan wurde im Office auf den Boden gelegt. Euskins sah sich die Gesichter an und telefonierte dann nach dem Doktor.

      „Kennen Sie die beiden?“ fragte Joe.

      „Leider nein. Ich habe die Gesichter noch nie gesehen. Ans der Gegend hier sind sie nicht, soviel steht fest.“ Euskins griff in den Wandschrank und stellte eine Flasche Black and White auf den Tisch. „Und jetzt erzählen Sie, was geschehen ist, junger Mann.“

      „Es ist keine aufregende Geschichte“, erwiderte Joe und gab seinen Bericht.

      „Das hatte ich befürchtet“, sagte Euskins finster. „Den Leuten von Benediet spukt immer noch die Erinnerung, an die Zeit im Kopf herum, da jeder Neger ein Sklave war. Dreißig Prozent der Einwohner hier sind Schwarze. Ich fürchte, es wird noch viel Stunk geben.“

      „Mir gefällt eines bei der Geschichte nicht“, sagte Joe. „Ich würde es verstehen, wenn die Leute, die hier Ku-Klux-Klan spielen, Einwohner von Benedict wären. Aber Sie haben gesagt, daß die beiden Galgenvögel Fremde sind.“

      „Genau“, bestätigte Euskins. „Das muß Ihrer Theorie aber nicht widersprechen, Barry. Es ist genausogut möglich, daß sich ein paar einflußreiche Leute hier Killer von auswärts geholt haben.“

      „In der kurzen Zeit?“ sagte Joe zweifelnd. „Scheint mir ziemlich unwahrscheinlich. Aber wir wollen den Gedanken im Auge behalten. Wer in Benedict ist Ihrer Meinung nach ein ausgesprochener Negerfeind?“

      „Das ist schwer zu sagen“, meinte Euskins. „Überrascht es Sie, wenn ich an erster Stelle Sam Jordan von der Bowl Ranch nenne?“

      „Sam?“ rief Joe überrascht. „Ausgeschlossen, Sheriff! Ich kenne Sam ziemlich gut.“

      „Dann wissen Sie auch, daß er eine Schwester hat. Vor ein paar Monaten machte sich ein Schwarzer an sie heran. Es geschah zwar nichts, aber Sie können sich wohl vorstellen, wie Sam Jordan reagiert hat. Ich hatte Mühe, ihn zur Vernunft zu bringen.“

      „Das ist allerdings etwas anderes“, erwiderte Joe nachdenklich. „Wenn Sam sich über etwas aufregt, ist er unberechenbar. Trotzdem glaube ich nicht, daß er mit dieser Sache zu tun hat.“

      „Möglich,“ Euskins zuckte die Schultern. „Außer ihm kommen noch eine Menge anderer Leute in Frage. Einer so gut wie der andere. Es wäre daher sinnlos, Namen zu nennen.“

      „Sind zur Zeit Fremde in der Gegend?“ erkundigte sich Barry.

      „Ein Haufen Mexikaner, wie jedes Jahr um diese Zeit“, erwiderte der Sheriff. „Außerdem ein Meßtrupp von einer Ölgcsellschaft. Die Männer suchen in der Gegend nach Öl und haben auch schon welches gefunden.“

      „Wo wohnen sie?“

      „Sie haben ein Camp mit Wohnwagen außerhalb von Benedict.“

      „Und sonst?“

      „Nichts.“ Euskins griff zum Telefon. „Ich rufe jetzt die Gentlemen von der Mordkommission an. Sie haben sich in Benedict einquartiert. Schätze, sie werden sich wundern.“

      Fünf Minuten später wimmelte das Sheriffsoffice von verschlafen wirkenden Gesetzeshütern. Joe Wußte aus Erfahrung, daß nichts auf Gangster so abstoßend wirkt wie ein Menge Polizisten. Er empfahl sich still und leise mit dem Versprechen, am anderen Morgen seine Aussage zu Protokoll zu geben.

      Inzwischen war es für Joe zu spät geworden, um noch zur Bowl Ranch zu fahren. Auf dem Land gehen die Menschen früh zu Bett. Deshalb lenkte Joe seinen grünen 190er die Main Street hinunter, bis er das Benedict-Hotel fand.

      Er trommelte den verschlafenen Portier wach, und handelte ihm ein Zimmer ab. Gleich darauf schlief Privatdetektiv Joe Barry den Schlaf des Gerechten.

      Joe hatte ein feines Gehör dafür, wenn jemand es im Schutze der Nacht auf seine Gesundheit abgesehen hatte. Das Geräusch eines Dietrichs hörte sich in Benediet richt anders an als in Manhattan.

      Joe schlug die Augen auf. Die rote Neonchrift einer Esso-Reklame gegenüber dem Hotel erleuchtete das Zimmer. Joe fixierte den Türknopf und wunderte sich nicht, als dieser sich beweste. Lautlos glitt Barry aus dem Bett und stellte sich in den Winkel, den die aufgehende Tür mit der Wand bilden mußte.

      Jenseits der Tür hörte er die leisen Atemzüge eines Mannes. Dann schob sich die Tür Zentimeter um Zentimeter auf. Joe war gespannt, was folgen würde.

      Er sollte darüber nicht lange im unklaren bleiben. Ein blinkender Gegenstand pfiff durch die Luft. Mit einem dumpfen Geräusch bohrte sich der Dolch in das Kopfkissen, genau an der Stelle, wo sich noch zwei Minuten zuvor Barrys Kopf befunden hatte.