Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 2 – Tarzans Rückkehr


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      Als Tar­zan Ol­gas Heim er­reich­te, er­war­te­te Jaques ihn am Ein­gang.

      Kom­men Sie hier her­ein, mein Herr! sag­te er und führ­te ihn die brei­te Mar­mor­trep­pe hin­auf. Im nächs­ten Au­gen­blick hat­te er eine Tür ge­öff­net, und in­dem er einen schwe­ren Vor­hang bei­sei­te zog, ge­lei­te­te er Tar­zan in einen matt er­hell­ten Raum. Dann ver­schwand er.

      Am Ende des Zim­mers sah Tar­zan Olga vor ih­rem klei­nen Schreib­tisch sit­zen, auf dem ihr Te­le­fon stand. Sie klopf­te un­ge­dul­dig auf die po­lier­te Tisch­plat­te. Sie hat­te sein Ein­tref­fen nicht be­merkt.

      Olga, sag­te er, was ist ge­sche­hen?

      Er­schro­cken auf­schrei­end, wand­te sie sich nach ihm um.

      Jean! schrie sie. Was tun Sie hier? Wer ließ Sie her­ein? Was soll das hei­ßen?

      Tar­zan war wie vom Blitz ge­trof­fen, aber in ei­nem Au­gen­blick er­riet er einen Teil der Wahr­heit.

      Ha­ben Sie mich denn nicht ru­fen las­sen, Olga?

      Sie ru­fen las­sen? Um die­se Zeit – mit­ten in der Nacht! Mein Gott, Jean, glau­ben Sie denn, dass ich ver­rückt bin?

      François te­le­fo­nier­te mir, ich möch­te so­fort kom­men; Sie wä­ren in Ver­le­gen­heit und ver­lang­ten nach mir.

      François? Wer in al­ler Welt ist François?

      Er sag­te, er wäre Ihr Die­ner. Er sprach, als ob ich ihn ken­nen müs­se.

      Ich habe kei­nen Die­ner, der François heißt. Es hat je­mand sich einen Scherz mit Ih­nen er­laubt, Jean! Und Olga lach­te.

      Ich fürch­te, dass es ein sehr bö­ser Scherz ist, Olga, ant­wor­te­te er.

      Was mei­nen Sie? Sie den­ken doch nicht etwa, dass … Wo ist der Graf? un­ter­brach er sie.

      In der deut­schen Bot­schaft.

      Das ist wie­der ein Streich Ihres eh­ren­wer­ten Bru­ders. Mor­gen wird der Graf es er­fah­ren. Er wird die Dienst­bo­ten be­fra­gen. Al­les lässt dar­auf schlie­ßen, dass – nun, dass der Graf den­ken wird, was Ro­koff wünscht. Der Schur­ke! rief Olga. Sie war auf­ge­stan­den und nahe an Tar­zan her­an­ge­tre­ten. Ängst­lich schau­te sie zu ihm hin­auf. In ih­ren fra­gen­den Au­gen war ein Aus­druck, wie ihn der Jä­ger in de­nen ei­nes ar­men, ge­hetz­ten Re­hes sieht. Sie zit­ter­te, und um sich auf­recht­zu­hal­ten, griff sie nach sei­nen brei­ten Schul­tern. Was sol­len wir tun, Jean? sag­te sie lei­se. Es ist schreck­lich! Mor­gen wird ganz Pa­ris es le­sen, – er wird schon da­für sor­gen.

      In ih­rem Blick, ih­rer Hal­tung, ih­ren Wor­ten lag der be­red­te Hil­fe­ruf des be­dräng­ten Wei­bes an sei­nen na­tür­li­chen Be­schüt­zer, den Mann. Tar­zan nahm eine der klei­nen, war­men Hän­de, die an sei­ner Brust la­gen, in sei­ne ei­ge­nen, star­ken Hän­de. Das ge­sch­ah ganz un­will­kür­lich, und eben­so leg­te er sei­nen schüt­zen­den Arm um die Schul­tern der jun­gen Frau.

      Das Er­geb­nis war elek­trisch. Nie­mals war er ihr so nahe ge­tre­ten. Wie über­rasch­te Schul­di­ge sa­hen sie ein­an­der plötz­lich in die Au­gen. Wo Olga de Cou­de hät­te stark sein sol­len, war sie schwach, denn sie drück­te sich fes­ter in des Man­nes Arme und schlang ihre ei­ge­nen um sei­nen Hals. Tar­zan aber nahm die schwerat­men­de Ge­stalt in sei­ne mäch­ti­gen Arme und be­deck­te ihre hei­ßen Lip­pen mit Küs­sen.

      *

      Raoul de Cou­de ent­schul­dig­te sich ei­lig bei sei­nem Gast­ge­ber, nach­dem er das Bil­lett ge­le­sen hat­te. Er gab ir­gend­ei­nen Grund für sein Fort­ge­hen an. Es war ihm al­les wie ver­schlei­ert vor den Au­gen bis zum Au­gen­blick, wo er auf der Schwel­le sei­nes Hau­ses stand. Dann aber wur­de er kalt­blü­tig und ging ru­hig und vor­sich­tig vor­an. Aus ei­nem ihm un­er­klär­li­chen Grun­de hat­te Jaques die Türe schon ge­öff­net, ehe er noch die Trep­pe halb­wegs er­stie­gen hat­te. In dem Au­gen­blick fiel es ihm al­ler­dings nicht wei­ter auf, doch er­in­ner­te er sich des­sen spä­ter.

      Lei­se ging er die Trep­pe hin­auf bis zum Bou­doir. In der Hand hat­te er einen schwe­ren Spa­zier­stock. Er war ent­schlos­sen, den Räu­ber sei­ner Ehre nie­der­zu­schla­gen.

      Olga sah ihn zu­erst. Mit ei­nem Schrei des Ent­set­zens riss sie sich aus Tar­zans Ar­men, und der Af­fen­mensch dreh­te sich ge­ra­de noch recht­zei­tig um, um einen schreck­li­chen Hieb, den de Cou­de nach sei­nem Kop­fe aus­führ­te, ab­zu­weh­ren. Ein­mal, zwei­mal, drei­mal saus­te der Stock mit Blit­zes­schnel­le auf ihn nie­der, aber je­der Schlag trug dazu bei, den Af­fen­menschen mehr in das Le­ben sei­nes Dschun­gels zu­rück­zu­ver­set­zen.

      Mit dem Knur­ren ei­nes Rie­sen­af­fen sprang er auf den Mann. Den Stock riss er ihm aus der Hand und zer­brach ihn, als ob es ein Streich­holz wäre, und dann sprang er ihn wie ein ra­sen­des Tier an.

      Olga de Cou­de schau­te ent­setzt der schreck­li­chen Sze­ne zu; dann aber sprang sie auf Tar­zan zu, der im Be­griff stand, ih­ren Gat­ten zu er­wür­gen und ihn schüt­tel­te wie ein Ter­ri­er eine Rat­te schüt­teln wür­de.

      Sie riss wie wahn­sin­nig an sei­nen großen Hän­den. Hei­li­ge Mut­ter Got­tes! schrie sie, Sie tö­ten ihn, Sie tö­ten ihn! O Jean, Sie tö­ten mei­nen Mann!

      Tar­zan war taub vor Wut. Plötz­lich schleu­der­te er den Kör­per auf den Bo­den, und dann er­hob er das brül­len­de Sie­ges­ge­schrei, das er im Ur­wald stets an­ge­stimmt hat­te, wenn er ein wil­des Tier er­legt hat­te. Als die­se schreck­li­chen Töne im Palast des Gra­fen de Cou­de er­klan­gen, wo sie bis in den Kel­ler und un­ters Dach dran­gen, erb­lass­ten und zit­ter­ten die Be­dien­ten. Die Grä­fin aber sank be­bend ne­ben dem Kör­per ih­res Gat­ten auf die Knie.

      Lang­sam schwand die rote Vi­si­on vor Tar­zans Au­gen. Die Din­ge nah­men wie­der Ge­stalt an, und er selbst fing wie­der an, wie ein zi­vi­li­sier­ter Mensch aus­zu­se­hen. Sein Blick fiel auf die Ge­stalt der kni­en­den Frau.

      Olga! flüs­ter­te er.

      Sie schau­te auf; aber wäh­rend sie ge­glaubt hat­te, in die wahn­sin­ni­gen Au­gen ei­nes Mör­ders zu se­hen, er­blick­te sie Tar­zan trau­rig und zer­knirscht.

      O Jean! rief sie. Se­hen Sie, was Sie ge­tan ha­ben! Er war mein Mann. Ich lieb­te ihn, und Sie ha­ben ihn ge­tö­tet!

      Tar­zan hob den schlaf­fen Kör­per des Gra­fen de Cou­de be­hut­sam auf und trug ihn auf ein Ru­he­bett. Dann leg­te er sein Ohr an des Man­nes Brust.

      Et­was Ko­gnak, Olga! sag­te er.

      Sie brach­te ihn und flö­ßte dem Gra­fen et­was da­von zwi­schen die Lip­pen ein. Jetzt kam ein schwa­cher Hauch aus sei­nem Mun­de. Der Kopf dreh­te sich, und de Cou­de stöhn­te.

      Er wird nicht ster­ben, sag­te Tar­zan. Gott sei Dank! Wa­rum ta­ten Sie das, Jean? frag­te sie.

      Ich weiß es nicht. Er schlug mich und da er­griff mich die Wut. Ich habe es so bei den Af­fen mei­nes Stam­mes ge­se­hen. Ich habe Ih­nen mei­ne Ge­schich­te nie­mals er­zählt, Olga. Es wäre bes­ser ge­we­sen, Sie hät­ten sie ge­kannt. Dann wäre dies nicht so ge­kom­men. Ich habe mei­nen Va­ter nie ge­se­hen. Die ein­zi­ge Mut­ter, die ich je ge­kannt habe, war eine wil­de Men­schenäf­fin. Bis zu mei­nem fünf­zehn­ten Jah­re habe ich nie ein mensch­li­ches We­sen ge­se­hen. Ich war zwan­zig Jah­re alt, als ich den ers­ten wei­ßen Men­schen sah.