Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 2 – Tarzans Rückkehr


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stand. Mit zwan­zig Jah­ren ist man zu schüch­tern, um mit ei­nem Vier­zig­jäh­ri­gen Ge­dan­ken aus­zut­au­schen.

      Die Grä­fin fühl­te, dass Tar­zan sie ver­ste­hen konn­te, denn er war nur zwei Jah­re äl­ter als sie, und er war ein eh­ren­haf­ter, rit­ter­li­cher Mensch. Sie fürch­te­te sich nicht vor ihm. Dass sie ihm trau­en durf­te, hat­te sie von An­fang an in­stink­tiv ge­fühlt.

      Ro­koff hat­te die­se wach­sen­de Ver­trau­lich­keit aus der Fer­ne mit bos­haf­ter Freu­de be­ob­ach­tet. Seit­dem er er­fah­ren hat­te, dass Tar­zan wuss­te, dass er ein rus­si­scher Spi­on sei, hat­te sich zu sei­nem Hass ge­gen den Af­fen­menschen eine große Furcht ge­sellt, von ihm bloß­ge­stellt zu wer­den. Er war­te­te jetzt nur noch auf eine güns­ti­ge Ge­le­gen­heit zu ei­nem großen Schlag. Er woll­te sich für im­mer von Tar­zan be­frei­en und sich gleich­zei­tig für die durch ihn er­lit­te­nen De­mü­ti­gun­gen und die Durch­kreu­zung sei­ner Plä­ne rä­chen. Tar­zan war jetzt noch zu­frie­de­ner als vor der Zeit, da er durch die An­kunft der Por­ter-Ge­sell­schaft in sei­nem fried­li­chen Dschun­gel ge­stört wor­den war.

      Er freu­te sich über den ge­sell­schaft­li­chen Um­gang mit Ol­gas Be­kann­ten, wäh­rend sei­ne Freund­schaft mit ihr eine Quel­le end­lo­sen Glückes für ihn war. Sie ver­scheuch­te sei­ne trü­ben Ge­dan­ken und war ein Bal­sam für sein ge­quäl­tes Herz.

      Manch­mal be­glei­te­te d’Ar­not ihn bei sei­nen Be­su­chen im Hau­se de Cou­des, denn er kann­te Olga und den Gra­fen schon seit lan­gem. Ge­le­gent­lich er­schi­en auch der Graf in der Ge­sell­schaft, aber die man­nig­fa­chen Ge­schäf­te sei­ner amt­li­chen Stel­lung und die nie en­den­den Fra­gen der Po­li­tik hiel­ten ihn ge­wöhn­lich bis spät in die Nacht von sei­nem Hau­se fern.

      Ro­koff spio­nier­te Tar­zan fast be­stän­dig aus. Na­ment­lich such­te er fest­zu­stel­len, ob der Af­fen­mensch nicht auch nachts in de Cou­des Palast ging, aber das ge­lang ihm nie. Al­ler­dings kam es vor, dass Tar­zan die Grä­fin von der Oper nach Hau­se be­glei­te­te; aber er ver­ließ sie stets am Ein­gang, und das är­ger­te ih­ren lie­ben Bru­der sehr.

      Da es un­mög­lich er­schi­en, Tar­zan so zu er­tap­pen, wie sie es wünsch­ten, steck­ten Ro­koff und Paw­lo­wi­tsch die Köp­fe zu­sam­men, um einen neu­en Plan aus­zu­sin­nen. Die­ser soll­te Tar­zan in eine sol­che Lage brin­gen, dass er un­be­dingt bloß­ge­stellt wür­de.

      Ta­ge­lang ver­folg­ten sie auf­merk­sam die Zei­tun­gen und be­ob­ach­te­ten alle Gän­ge de Cou­des und Tar­zans. Schließ­lich fan­den sie eine pas­sen­de Ge­le­gen­heit, ih­ren Plan aus­zu­füh­ren. In ei­nem Mor­gen­blatt stand eine kur­ze No­tiz über einen Her­ren­abend, der am fol­gen­den Tage beim deut­schen Bot­schaf­ter statt­fin­den soll­te. Un­ter den ein­ge­la­de­nen Gäs­ten war auch de Cou­de er­wähnt. Wenn er der Ein­la­dung folg­te, so war er je­den­falls bis nach Mit­ter­nacht von sei­nem Heim ab­we­send. Am Abend des Fest­ta­ges war­te­te Paw­lo­wi­tsch auf dem Bür­ger­steig vor dem deut­schen Bot­schafts­ge­bäu­de, um das Ge­sicht je­des an­kom­men­den Gas­tes zu prü­fen. Er brauch­te auch nicht lan­ge zu war­ten, bis de Cou­de aus sei­nem Wa­gen stieg und an ihm vor­bei­sch­ritt. Das ge­nüg­te ihm. Paw­lo­wi­tsch eil­te nach Hau­se, wo Ro­koff ihn er­war­te­te.

      Um elf Uhr nahm Paw­lo­wi­tsch den Hö­rer vom Fern­spre­cher. Er nann­te eine Num­mer, und als er die Ver­bin­dung er­hal­ten hat­te, rief er:

      Bit­te, ver­bin­den Sie mich mit der Woh­nung des Leut­nants d’Ar­not.

      Eine Stim­me mel­de­te sich.

      Ich habe eine Mit­tei­lung für Herrn Tar­zan, wenn er sich freund­li­cher­wei­se ans Te­le­fon be­mü­hen will.

      Eine Mi­nu­te lang war es still.

      Ach ja, mein Herr, hier ist François, Be­dien­ter bei der Grä­fin de Cou­de. Vi­el­leicht er­in­nern Sie sich mei­ner.

      Ja, mein Herr. Ich habe eine drin­gen­de Bot­schaft von der Frau Grä­fin. Sie bit­tet Sie, so­fort zu ihr zu ei­len – ist in Ver­le­gen­heit, mein Herr.

      Nein, mein Herr, ich weiß nichts Nä­he­res. Darf ich der Frau Grä­fin sa­gen, dass der Herr bald hier sein wird? Dan­ke, mein Herr.

      Paw­lo­wi­tsch häng­te den Hö­rer wie­der ein und lach­te Ro­koff an. Die­ser ord­ne­te an:

      Er wird etwa drei­ßig Mi­nu­ten brau­chen, um dort­hin zu ge­lan­gen. Wenn Sie die deut­sche Bot­schaft in ei­ner Vier­tel­stun­de er­rei­chen, könn­te de Cou­de in etwa fünf­und­vier­zig Mi­nu­ten zu Hau­se sein. Es hängt al­les da­von ab, ob der Narr noch fünf­zehn Mi­nu­ten län­ger blei­ben wird, wenn er her­aus­ge­fun­den hat, dass ihm ein Streich ge­spielt wor­den ist, aber ich wür­de mich sehr ir­ren, wenn Olga ihn so schnell ge­hen lie­ße. Hier ist ein Brief­chen für de Cou­de. Und nun schnell vor­an!

      Paw­lo­wi­tsch be­eil­te sich, nach der deut­schen Bot­schaft zu ge­lan­gen. Am Ein­gang übergab er ei­nem La­kai das Bil­let.

      Dies ist für den Herrn Gra­fen de Cou­de. Es ist sehr ei­lig. Sie müs­sen da­für sor­gen, dass es so­fort in sei­ne Hän­de ge­langt.

      Gleich­zei­tig ließ er eine Sil­ber­mün­ze in die wil­li­ge Hand des Be­dien­ten fal­len. Dann kehr­te er nach sei­ner Woh­nung zu­rück.

      Ei­nen Au­gen­blick spä­ter ent­schul­dig­te sich de Cou­de bei sei­nem Gast­ge­ber, als er den Brief­um­schlag öff­ne­te. Er erb­lass­te und sei­ne Hand zit­ter­te, als er fol­gen­des las:

      Geehr­ter Herr Graf de Cou­de!

      Je­mand, der die Ehre Ihres Na­mens zu ret­ten wünscht, greift zu die­sem Mit­tel, um Ih­nen mit­zu­tei­len, dass die Hei­lig­keit Ihres Hau­ses in die­sem Au­gen­blick ent­weiht wird.

      Ein ge­wis­ser Mann, der schon seit Mo­na­ten stän­di­ger Be­su­cher wäh­rend Ih­rer Ab­we­sen­heit ist, weilt jetzt bei Ih­rer Frau. Wenn Sie so­fort zum Bou­doir der Grä­fin ei­len, so wer­den Sie sie zu­sam­men fin­den.

      Ein Freund.

      Zwan­zig Mi­nu­ten, nach­dem Paw­lo­wi­tsch Tar­zan an­ge­ru­fen hat­te, be­kam Ro­koff eine Ver­bin­dung mit Ol­gas Woh­nung. Ihre Zofe ant­wor­te­te am Te­le­fon, das im Bou­doir der Grä­fin stand.

      Als Ro­koff mit ihr spre­chen woll­te, ant­wor­te­te das Mäd­chen:

      Ma­da­me hat sich schon zu­rück­ge­zo­gen.

      Ich habe eine sehr drin­gen­de Nach­richt, die ich nur der Grä­fin selbst mit­tei­len kann, er­wi­der­te Ro­koff. Wenn sie schon zu Bett ist, so sa­gen Sie ihr, sie möch­te auf­ste­hen, et­was über­wer­fen und ans Te­le­fon kom­men. Ich wer­de in fünf Mi­nu­ten wie­der an­ru­fen.

      Dann hing er den Hö­rer wie­der ein. Ei­nen Au­gen­blick spä­ter trat Paw­lo­wi­tsch her­ein.

      Hat der Graf den Brief? frag­te Ro­koff.

      Er wird au­gen­blick­lich auf dem Heim­weg sein, sag­te Paw­lo­wi­tsch.

      Gut! Mei­ne Grä­fin wird ge­gen­wär­tig im Neg­li­gee in ih­rem Bou­doir sit­zen. In ei­ner Mi­nu­te wird der treue Jaques Herrn Tar­zan zu ihr füh­ren, ohne ihn an­zu­mel­den. Die Er­klä­rung wird ei­ni­ge Mi­nu­ten dau­ern. Olga wird in ih­rem Nacht­kleid be­zau­bernd aus­se­hen, zu­mal es ihre Rei­ze nur halb ver­hüllt.