Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 2 – Tarzans Rückkehr


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wer­den konn­te. So dach­te er durch Stu­di­um und Zer­streu­ung so­wohl die Ver­gan­gen­heit zu ver­ges­sen, wie die Ge­dan­ken von der Zu­kunft ab­zu­len­ken.

      Ei­nes Abends saß er in ei­nem Ka­ba­rett, schlürf­te sei­nen Ab­sinth und be­wun­der­te die Kunst ei­nes be­rühm­ten rus­si­schen Tän­zers, als er be­merk­te, dass zwei böse schwar­ze Au­gen einen flüch­ti­gen Blick auf ihn war­fen. Ehe Tar­zan sich den Mann ge­nau­er an­se­hen konn­te, hat­te die­ser sich um­ge­wandt und war in der Men­ge am Aus­gang des Saa­l­es ver­schwun­den. Tar­zan war aber si­cher, dass er die­se Au­gen schon frü­her ein­mal ge­se­hen hat­te und dass sie nicht durch einen blo­ßen Zu­fall auf ihn ge­rich­tet wa­ren. Schon eine Wei­le vor­her hat­te er das un­be­hag­li­che Ge­fühl ge­habt, dass er be­ob­ach­tet wür­de. Gleich­sam aus sei­nem tie­ri­schen In­stinkt her­aus hat­te er sich plötz­lich um­ge­dreht und die ihn be­ob­ach­ten­den Au­gen in der Tat über­rascht. Er dach­te aber nicht wei­ter dar­über nach, und als er die Mu­sik­hal­le ver­ließ, be­merk­te er nicht, dass ein dun­kel­far­bi­ger Mensch sich im Schat­ten ei­nes ge­gen­über­lie­gen­den Ein­gangs zu ver­ber­gen such­te.

      Tar­zan wuss­te nicht, dass ein Un­be­kann­ter ihm in der letz­ten Zeit stän­dig in die Ver­gnü­gungs­lo­ka­le nach­ge­folgt war. Er war nur sel­ten für sich al­lein ge­gan­gen, aber ge­ra­de an die­sem Abend war d’Ar­not durch eine an­de­re Ver­pflich­tung ver­hin­dert, mit ihm aus­zu­ge­hen.

      Als Tar­zan den ge­wohn­ten Heim­weg ein­schla­gen woll­te, eil­te der Beo­b­ach­ter aus sei­nem Ver­steck über die Stra­ße und über­hol­te ihn in ra­schem Schritt.

      Tar­zan war ge­wöhnt, durch die Mau­le-Stra­ße nach Hau­se zu­rück­zu­keh­ren. Da sie sehr still und dun­kel war, er­in­ner­te sie ihn mehr an sei­nen ge­lieb­ten afri­ka­ni­schen Dschun­gel als die ge­räusch­vol­len und glän­zen­den Stra­ßen der Um­ge­bung. Wer Pa­ris kennt, wird sich des ab­sto­ßen­den Aus­se­hens der en­gen Mau­le-Stra­ße er­in­nern. Wer sie aber noch nicht ge­se­hen hat, braucht nur einen Po­li­zis­ten da­nach zu fra­gen, und die­ser wird ihm schon sa­gen, dass es in ganz Pa­ris kei­ne Stra­ße gibt, die man nach Ein­bruch der Dun­kel­heit so sehr mei­den muss wie ge­ra­de die­se.

      In je­ner Nacht war Tar­zan schon ein gu­tes Stück an den schmut­zi­gen al­ten Miet­häu­sern der üb­len Stra­ße ent­lang ge­gan­gen, als er Hil­fe­ru­fe aus dem drit­ten Stock ei­nes ge­gen­über­lie­gen­den Hau­ses hör­te. Es war eine Frau­en­stim­me. Kaum wa­ren die ers­ten Schrit­te ver­hallt, als Tar­zan auch schon die Trep­pe hin­auf­eil­te, um der Frau zu Hil­fe zu kom­men.

      Am Ende des Gan­ges des drit­ten Trep­pen­ab­sat­zes war eine Tür leicht an­ge­lehnt, und Tar­zan hör­te aus dem In­nern wie­der den­sel­ben Hil­fe­ruf, der ihn an­ge­lockt hat­te. Im nächs­ten Au­gen­blick stand er in der Mit­te ei­nes trü­be er­leuch­te­ten Zim­mers. Auf ei­nem ho­hen alt­mo­di­schen Ka­min­sims brann­te eine Öl­lam­pe, die ihre mat­ten Strah­len auf ein Dut­zend ab­sto­ßen­der Ge­stal­ten warf. Au­ßer ei­ner etwa drei­ßig­jäh­ri­gen Frau wa­ren es lau­ter Män­ner. Das Ge­sicht der Frau, durch nied­ri­ge Lei­den­schaf­ten und Aus­schwei­fung ge­kenn­zeich­net, moch­te einst hübsch ge­we­sen sein. Sie stand an die hin­ters­te Wand ge­duckt und hielt die eine Hand am Hal­se.

      Hel­fen Sie mir, mein Herr! fleh­te sie mit lei­ser Stim­me, als Tar­zan das Zim­mer be­trat. Man will mich um­brin­gen.

      Als Tar­zan sich nach den Män­nern um­sah, ge­wahr­te er die ver­schla­ge­nen Ge­sich­ter von Ge­wohn­heits­ver­bre­chern. Er wun­der­te sich, dass sie nicht zu ent­kom­men such­ten. Eine Be­we­gung hin­ter ihm ver­an­lass­te ihn, sich um­zu­dre­hen. Ein Mann schlich sich heim­lich aus dem Zim­mer, und ob­schon Tar­zan ihn nur ganz flüch­tig er­blick­te, er­kann­te er in ihm Ro­koff. Im sel­ben Au­gen­blick be­merk­te er aber auch, dass ein großer Mensch mit ge­zück­tem Mes­ser sich auf Ze­hen­spit­zen von hin­ten an ihn her­an­ge­schli­chen hat­te. Als die­ser sich ent­deckt sah, stürz­ten sich die Spieß­ge­sel­len ge­mein­sam von al­len Sei­ten auf Tar­zan. Ei­ni­ge zo­gen ihre Mes­ser, an­de­re er­grif­fen die Stüh­le, wäh­rend der Gro­ße mit dem Mes­ser zu ei­nem so mäch­ti­gen Satz aus­hol­te, dass es um Tar­zan ge­sche­hen ge­we­sen wäre, wenn es auf ihn her­ab­ges­aust wäre.

      Aber Tar­zan, der es im wil­den Dschun­gel mit der ge­wal­ti­gen Kraft und der wil­den Schlau­heit von Ter­kop und Numa auf­ge­nom­men hat­te, war viel zu klug und ge­wandt, er ver­füg­te über zu star­ke Mus­keln, als dass er so leicht zu über­wäl­ti­gen ge­we­sen wäre, wie die Pa­ri­ser Apa­chen glaub­ten.

      Erst wehr­te er sich ge­gen sei­nen ge­fähr­lichs­ten Wi­der­sa­cher, er stürm­te mit sol­cher Wucht auf ihn ein, dass die Waf­fe je­nem ent­fiel, und wäh­rend er die Waf­fe mit ei­ner plötz­li­chen Sei­ten­wen­dung auf­hob, ver­setz­te er dem Man­ne einen sol­chen Schlag un­ter das Kinn, dass er nie­der­stürz­te.

      Kaum war die­ser er­le­digt, so wand­te er sich ge­gen die an­de­ren. Aber das war nur mehr Sport. Er schwelg­te in der Freu­de am Kamp­fe. Der dün­ne Fir­nis der Kul­tur war von ihm ab­ge­fal­len, und zehn star­ke Schur­ken sa­hen sich in ei­nem klei­nen Rau­me mit ei­nem wil­den Tier ein­ge­schlos­sen, ge­gen des­sen Stahl­mus­keln ihre schwa­chen Kräf­te völ­lig wir­kungs­los wa­ren. Drau­ßen am Ende des Gan­ges stand Ro­koff, der den Aus­gang des Strei­tes ab­war­te­te. Ehe er sich ent­fern­te, woll­te er sich über­zeu­gen, dass Tar­zan tot war, aber er woll­te nicht wäh­rend des Mor­des im Zim­mer sein.

      Die Frau stand noch im­mer an der­sel­ben Stel­le wie in dem Au­gen­blick, wo Tar­zan her­ein­ge­kom­men war, aber in den we­ni­gen Mi­nu­ten, die seit­her ver­stri­chen wa­ren, hat­te sich ihr Ge­sichts­aus­druck un­zäh­li­ge Male ver­än­dert. Schein­bar ver­zwei­felt, als Tar­zan das Ge­sicht zu­erst sah, hat­te es einen lis­ti­gen Aus­druck an­ge­nom­men, als er sich plötz­lich um­dreh­te, um dem Rücken­an­griff zu be­geg­nen. Tar­zan sah die­sen Wech­sel nicht. Spä­ter ver­dräng­te ein Aus­druck der Über­ra­schung und dann der des Schre­ckens die an­de­ren. Und das war sehr be­greif­lich, denn der fei­ne Herr, den ihre Schreie her­bei­ge­lockt hat­ten und der dort den Tod fin­den soll­te, hat­te sich plötz­lich in einen Ra­che­teu­fel ver­wan­delt. Das war nicht ein Herr mit wei­chen Mus­keln, der nur schwa­chen Wi­der­stand leis­te­te, son­dern ein toll ge­wor­de­ner Her­ku­les.

      Mein Gott, schrie sie, das ist ja ein wil­des Tier!

      Er schi­en an zwölf Stel­len zu glei­cher Zeit zu sein, denn in ge­wal­ti­gen Sprün­gen eil­te er im Zim­mer hin und her, und er­in­ner­te die Frau da­bei an den Pan­ther, den sie im Tier­gar­ten ge­se­hen hat­te.

      Mit Schmer­zens­schrei­en flüch­te­ten die Män­ner so schnell sie konn­ten in den Gang, aber ehe der ers­te blu­tend und zer­schun­den aus dem Zim­mer tau­mel­te, hat­te Ro­koff ge­nug ge­se­hen, um sich zu über­zeu­gen, dass es nicht Tar­zan sein wür­de, der in die­ser Nacht in je­nem Hau­se er­schla­gen wür­de, und so eil­te der Rus­se zum nächs­ten Te­le­fon, um der Po­li­zei mit­zu­tei­len, dass ein Mann in dem drit­ten Stock des Hau­ses Mau­le-Stra­ße 27 im Be­grif­fe sei, einen Mord zu be­ge­hen.

      Als die Po­li­zis­ten an­ka­men, fan­den sie drei Män­ner stöh­nend im Zim­mer lie­gen und eine er­schro­cke­ne Frau auf ei­nem schmut­zi­gen Bett, das Ge­sicht mit den Ar­men be­deckt. Tar­zan hat­te die Trit­te der die Trep­pe her­auf­stür­men­den