Edgar Rice Burroughs

Tarzan – Band 2 – Tarzans Rückkehr


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Tar­zan? frag­te die Grä­fin sicht­lich über­rascht.

      Ja, kennst du ihn, Olga?

      Ich habe ihn ge­se­hen. Ein Ste­ward zeig­te ihn mir.

      Ich wuss­te nicht, dass er eine Berühmt­heit ist, sag­te der Graf.

      Olga de Cou­de ging auf ein an­de­res The­ma über. Es fiel ihr näm­lich ein, dass es ihr schwer sein wür­de, zu er­klä­ren, warum der Ste­ward ge­ra­de ihr den hüb­schen Tar­zan ge­zeigt habe. Vi­el­leicht er­rö­te­te sie ein we­nig, denn ihr Gat­te sah sie mit ei­nem son­der­bar spöt­ti­schen Blick an. Ach, dach­te sie, ein schul­di­ges Ge­wis­sen ist ein sehr ver­däch­ti­ges Ding.

      Erst spät am fol­gen­den Nach­mit­tag sah Tar­zan die Rei­se­ge­fähr­ten, in de­ren An­ge­le­gen­hei­ten ihn sein Ehr­lich­keits­ge­fühl ver­wi­ckelt hat­te. Und dann stieß er ganz un­er­war­tet auf Ro­koff und Paw­lo­wi­tsch, und zwar in ei­nem Au­gen­blick, wo es den bei­den si­cher am we­nigs­ten er­wünscht war.

      Sie stan­den auf dem Deck an ei­ner Stel­le, wo sie ge­ra­de al­lein wa­ren, und als Tar­zan zu­fäl­lig dort­hin kam, be­fan­den sie sich ge­ra­de in ei­nem hef­ti­gen Streit mit ei­ner Dame. Tar­zan be­merk­te, dass die­se Dame vor­nehm ge­klei­det war. Ihre schlan­ke, fri­sche Ge­stalt ließ auf ein jün­ge­res Al­ter schlie­ßen, ihre Züge konn­te er nicht un­ter­schei­den, da sie dicht ver­schlei­ert war. Sie stand zwi­schen den bei­den Män­nern. Da die­se Tar­zan den Rücken zu­ge­kehrt hat­ten, konn­te er ganz nahe an sie her­an­kom­men, ohne dass sie ihn wahr­nah­men. Er sah, dass Ro­koff zu dro­hen und die Dame zu bit­ten schi­en, aber sie spra­chen in ei­ner frem­den Spra­che, so­dass er nur aus dem An­schein er­ra­ten konn­te, dass die jun­ge Dame sich fürch­te­te.

      Ro­koffs Hal­tung war so dro­hend, dass der Af­fen­mensch einen Au­gen­blick hin­ter dem Trio ste­hen blieb, da er un­will­kür­lich be­fürch­te­te, der rohe Mensch könn­te hand­greif­lich ge­gen sie wer­den. Im sel­ben Au­gen­blick fass­te die­ser sie denn auch am Hand­ge­lenk, wie wenn er aus ihr ein Ver­spre­chen er­pres­sen woll­te. Er er­reich­te sein Ziel aber nicht, denn plötz­lich wur­de er mit stahl­har­ten Fin­gern an den Schul­tern ge­fasst und mit sol­chem Schwung auf die Sei­te ge­wor­fen, dass er an­fäng­lich gar nicht wuss­te, was ihm ge­sch­ah. Erst als er auf­blick­te, sah er in die kal­ten grau­en Au­gen des Frem­den, der ihm am Tage vor­her in die Que­re ge­kom­men war.

      Don­ner­wet­ter! schrie der wü­ten­de Ro­koff. Was fällt Ih­nen ein? Sind Sie ver­rückt, dass Sie Ni­ko­laus Ro­koff wie­der be­lei­di­gen?

      Dies ist mei­ne Ant­wort auf Ihr Brief­chen, mein Herr! flüs­ter­te ihm Tar­zan zu. Und dann schleu­der­te er den Kerl mit sol­cher Wucht von sich, dass er ge­gen die Re­ling hin­stürz­te.

      Don­ner­wet­ter noch mal! schrie Ro­koff. Sie ge­mei­ner Mensch, das kos­tet Ih­nen das Le­ben! Und in­dem er auf­sprang, stürz­te er auf Tar­zan los, wäh­rend er einen Re­vol­ver aus sei­ner Ta­sche zu zie­hen such­te.

      Die jun­ge Dame fuhr ent­setzt zu­rück.

      Ni­ko­laus! rief sie, halt ein, tu das nicht, o tu das nicht! Und dem Frem­den schrie sie zu: Schnell, flie­hen Sie, mein Herr, sonst wird er Sie tö­ten!

      Statt aber zu flie­hen, trat Tar­zan auf den Men­schen zu. Ma­chen Sie sich nicht selbst un­glück­lich! sag­te er. Ro­koff war durch die er­lit­te­ne De­mü­ti­gung der­ar­tig in Ra­se­rei ge­ra­ten, dass er den Re­vol­ver auf Tar­zans Brust rich­te­te. Der Hahn knack­te, aber der ers­te Schuss ver­sag­te. Doch ehe der Wü­ten­de ein zwei­tes Mal los­drücken konn­te, hat­te Tar­zan mit ra­schem Griff den Re­vol­ver er­fasst und ihn über die Re­ling hin­aus in die See ge­wor­fen.

      Ei­nen Au­gen­blick stan­den die bei­den da und sa­hen ein­an­der an. Ro­koff hat­te sein Selbst­ver­trau­en wie­der er­langt. Er war der ers­te, der sprach.

      Zwei­mal ha­ben Sie sich nun be­ru­fen ge­fühlt, sich in Din­ge zu mi­schen, die Sie nichts an­ge­hen. Zwei­mal ha­ben Sie es aus ei­ge­nem An­trieb über­nom­men, mich zu de­mü­ti­gen. Die ers­te Be­lei­di­gung habe ich hin­ge­hen las­sen, weil ich an­nahm, dass Sie in Un­kennt­nis han­del­ten, aber die­se Sa­che wird nicht über­se­hen wer­den. Wenn Sie nicht wis­sen, wer ich bin, so kön­nen Sie bei Ihrem jet­zi­gen un­ver­schäm­ten Be­neh­men si­cher sein, dass Sie spä­ter noch an mich er­in­nert wer­den.

      Dass Sie ein Feig­ling und ein Schur­ke sind, mein Herr, er­wi­der­te Tar­zan, ist al­les, was ich von Ih­nen zu wis­sen brau­che.

      Er dreh­te sich um, um die Dame zu fra­gen, ob Ro­koff ihr weh ge­tan habe, aber sie war ver­schwun­den.

      Dann setz­te er sei­nen Spa­zier­gang auf dem Deck fort, ohne auch nur einen Blick auf Ro­koff und sei­nen Ge­fähr­ten zu wer­fen.

      Tar­zan hät­te ger­ne ge­wusst, wel­che Ver­schwö­rung im Gan­ge war oder wel­che Plä­ne die bei­den Män­ner hat­ten. Die ver­schlei­er­te Dame, der er so­eben bei­ge­stan­den hat­te, kam ihm ei­ni­ger­ma­ßen be­kannt vor, aber da er ihr Ge­sicht nicht ge­se­hen, war er nicht si­cher, ob es ihm schon ein­mal be­geg­net war. Das ein­zi­ge, was ihm an ihr auf­ge­fal­len, war ein Ring von be­son­de­rer Ar­beit an der Hand, die Ro­koff er­fasst hat­te. Er be­schloss des­halb, auf die Fin­ger der weib­li­chen Pas­sa­gie­re, die ihm be­geg­nen wür­den, zu ach­ten, um die Dame zu ent­de­cken, die Ro­koff ver­folg­te, und zu er­fah­ren, ob er sie noch wei­ter be­läs­tigt habe.

      Als Tar­zan sei­nen Stuhl auf dem Ver­deck wie­der auf­ge­sucht hat­te, muss­te er über die zahl­rei­chen Bei­spie­le mensch­li­cher Grau­sam­keit, Selbst­sucht und Ge­häs­sig­keit nach­den­ken, de­ren Au­gen­zeu­ge er ge­we­sen war von dem Tage an, wo er vor vier Jah­ren zum ers­ten Mal ein an­de­res mensch­li­ches We­sen im Dschun­gel er­blickt hat­te: den glat­ten schwar­zen Ku­lon­ga, des­sen ge­schick­ter Pfeil an je­nem Tage Kala, die große Äf­fin, ge­tö­tet und den jun­gen Tar­zan der ein­zi­gen Mut­ter, die er je ge­kannt, be­raubt hat­te.

      Er dach­te auch an die Er­mor­dung Kings durch den Ma­tro­sen Sni­pes mit dem Rat­ten­ge­sicht, an die Aus­set­zung des Pro­fes­sors Por­ter und des­sen Ge­fähr­ten durch die Meu­te­rer der »Ar­row«, an die Grau­sam­keit der schwar­zen Krie­ger und Frau­en Mbon­gas ge­gen ihre Ge­fan­ge­nen und an die klein­li­che Miss­gunst der bür­ger­li­chen und mi­li­tä­ri­schen Be­am­ten der West­küs­ten-Ko­lo­nie, wo er zum ers­ten Mal in die Kul­tur­welt ein­trat.

      Mein Gott, sag­te er zu sich selbst, sie sind alle gleich. Be­trü­gen, mor­den, lü­gen, sich zan­ken, und al­les das für Din­ge, die die Tie­re im Dschun­gel nicht be­sit­zen möch­ten: Geld, um sich die An­nehm­lich­kei­ten wei­bi­scher Schwäch­lin­ge zu ver­schaf­fen. Und bei al­le­dem sind sie durch tö­rich­te Ge­wohn­hei­ten ein­ge­engt, die sie zu Skla­ven ih­res un­glück­li­chen Lo­ses ma­chen, wäh­rend sie fest glau­ben, dass sie, die Her­ren der Schöp­fung, die ein­zig wah­ren Freu­den des Le­bens ge­nie­ßen. Es ist die tö­rich­te Welt, auf die Frei­heit und das Glück im Dschun­gel zu ver­zich­ten, um in jene Welt ein­zu­tre­ten.

      Als er da saß, hat­te er plötz­lich das Ge­fühl, dass er hin­ter sei­nem Rücken be­ob­ach­tet wur­de, und der alte In­stinkt des wil­den Tie­res brach durch die dün­ne Tün­che der Kul­tur. Tar­zan dreh­te sich so schnell