die sich meldeten, hofften bis zur Rückkehr des Admirals so viel Gold gesammelt und eingetauscht zu haben, daß sie bis an ihr Lebensende der Sorgen enthoben sein würden. Columbus selbst rechnete mit vierzig Tonnen Goldes für die Majestäten, die dann unverzüglich mit der Eroberung des Heiligen Grabes beginnen könnten.
Aber wußte er denn nicht, was für Strauchdiebe er da zurückließ? Und hatten die Tränen, die Guacamari und seine Verwandten bei dem Verlust der »Santa Maria« vergossen, den trügerischen Eindruck in ihm erweckt, daß er Menschen vor sich habe, die mit Engelsgeduld jede Roheit und Gewalttat ertragen würden? Er täuschte sich schwer. Freilich ließ er die Kanonen abfeuern, um den Eingeborenen die Überlegenheit seiner Waffen vor Augen zu führen, ein naheliegender und später immer wieder gebrauchter Trick, und die erschraken denn auch zu Tode und fielen allesamt aus purem Schreck platt auf die Erde. Aber es war nur eine Demonstration, die er seiner Stellung schuldig zu sein glaubte. Triumphierend versichert er, fünf Spanier würden genügen, zwanzigtausend dieser taubensanften Wilden wehrlos vor sich her zu treiben, und er war so durchdrungen von europäischer Anmaßung und dem Gefühl seiner vizeköniglichen Würde, daß er das äußerliche Zeremoniell der Gastlichkeit und die geprägten Formen eines Umgangskodexes, von dessen gefährlichen Hintergründen er nicht den leisesten Begriff hatte, schon für die Gewähr bedingungsloser Unterwerfung nahm.
Am vierten Januar verabschiedete er sich von den zurückbleibenden Gefährten, empfahl ihnen dringend die Sorge für seine Stadt Navidad (er nannte schon eine Stadt, was vorerst nur ein primitives Blockhaus war) und trat auf der »Niña« die Heimreise an. Schon zwei Tage darauf stieß Alonzo Pinzon mit der »Pinta« zu ihm, aber das stürmische Wetter, das um die Mitte des Monats einsetzte, trennte die beiden Schiffe wieder voneinander. Was der Kapitän der »Pinta« auf seiner eigenwilligen Kreuzfahrt erlebte, darüber wissen wir nichts, es hat den Anschein, als habe der Admiral kein Verlangen geäußert, es zu erfahren und habe mit dem Ausreißer gegrollt wie ein Ehemann mit seiner Frau, wenn sie sich eine Zeitlang anderweitig amüsiert hat. Die Rache behielt er sich im stillen vor.
Da die »Niña« zu wenig Ballast hatte, wurde sie von den Wellen wie ein Stück Kork umhergeschleudert, zudem war der Kiel leck, und die Mannschaft mußte Tag und Nacht an den Pumpen stehen. Es heißt, Columbus sei auf dieser Fahrt sehr kleinmütig geworden; ermüdet von den vielen Nachtwachen und Anstrengungen, wurde er häufig von Todesfurcht geplagt, und in manchen Stunden zweifelte er, daß er die Heimat erreichen werde. »Eine Fliege hatte die Macht, mich in zitternde Unruhe zu versetzen«, klagt er hysterisch. Mitten im Aufruhr der Elemente schlug er vor, einer solle durch das Los bestimmt werden, nach glücklicher Landung eine Pilgerfahrt nach Santa Maria de Guadalupe zu machen. Er ließ so viel Erbsen, als sich Personen auf dem Schiff befanden, in einen Sack schütten, und in eine schnitt er ein Kreuz. Er griff zuerst hinein und zog die mit dem Kreuz bezeichnete Erbse. Da atmete er auf und begann wieder zu glauben, daß ihn Gott erhalten wolle, damit er sein Werk vollenden könne. Für alle Fälle aber schrieb er einen besonderen Bericht seiner Reise auf ein Stück Pergament, das er mit Wachs bestrich, und verschloß die Rolle in ein leeres Faß, das er den Wellen übergab. Hierauf ließ er die Mannschaft zusammentreten und forderte sie zu dem Gelübde auf, daß sie allesamt an dem Orte, wo sie den heimatlichen Boden betreten würden, im härenen Hemd und unter Anrufung der heiligen Jungfrau zur nächstgelegenen Kapelle wallfahrten würden. Viel fromme Vorkehrungen unter dem Gewicht der Todesangst. »Der Sturm, den wir erlebten, war so heftig, daß wir uns für verloren erachteten«, berichtet er, und sicher ohne zu übertreiben.
Statt nach den Kanaren gelangte das Schiff Ende Februar nach den Azoren. Die portugiesischen Behörden machten Schwierigkeiten bei der Landung, der Gouverneur nahm einen Teil der Mannschaft in Gewahrsam, erst nach feierlichem Einspruch des Admirals und der Vorweisung seiner schriftlichen Bestallungen konnte er die Fahrt fortsetzen. Hierdurch hätte er gewarnt sein sollen, es war das Vorspiel zu eifersüchtigen Ränken der Krone Portugal, die darauf zielten, Spanien die neuen Länder streitig zu machen; trotzdem war der portugiesische Hafen Cascaes an der Mündung des Tejo der erste, den er anlief. Und nachdem er Anker geworfen hatte, sandte er einen Brief an den König, worauf ihn dieser nach Valparaiso einlud, da in Lissabon die Pest herrschte. Der Monarch empfing ihn mit außerordentlicher Zuvorkommenheit und fragte ihn, ob er nicht lieber zu Land als zur See nach Spanien weiterreisen wolle, was viel bequemer und sicherer gewesen wäre, aber der Admiral dankte für diese Gnade, lehnte auch alle anderen Gunstbezeigungen ab und kehrte auf sein elendes Schiff zurück.
Die Gründe sind völlig rätselhaft, die ihn zu dem unklugen Brief und noch unklugeren Besuch veranlaßt haben. War es die Not, die ihn in den nächstbesten Hafen getrieben hatte, da er doch mit zerrissenen Segeln und durchlöcherten Wanten nach Cascaes kam? Aber auf einer gewissen Seehöhe hätte es nur einer geringen Kursveränderung bedurft, und er wäre ebenso rasch in einem spanischen Hafen gewesen. Warum unterließ er es? Den spanischen Nationalstolz nicht in Rechnung zu ziehen, den er durch die Bevorzugung eines fremden Hafens beleidigen mußte, war eine unverzeihliche Dummheit. Vielleicht fürchtete er, Alonzo Pinzon sei ihm in Spanien zuvorgekommen, und er wollte von Portugal aus erst Sicherheit gewinnen. Vielleicht lag ihm an einem billigen Triumph über den König Joan, der seine Dienste einst verschmäht hatte, und es lockte ihn, dort zuerst als Sieger aufzutreten, wo er die tiefste Demütigung erlitten hatte, Mensch der unaustilgbaren Ressentiments, der er war? In solchen Zügen hat man die verkrochensten Heimlichkeiten seiner komplizierten Natur zu suchen, da wirkt er bisweilen wie eine Figur von Dostojewski.
An einem Freitag war er ausgezogen, am Freitag, dem fünfzehnten März, lief die »Niña« mit der Flut über die Barre bei Saltes in das Astuarium des Rio Tinto ein und ankerte vor Palos. Die Furcht wegen der »Pinta« war unbegründet, Alonzo Pinzon war noch nicht eingetroffen, er kam erst, sonderbarer Zufall, am Abend desselben Tages und hatte Columbus nichts vom Jubel und dem Aufsehen der Welt vorweggenommen, als sei die Vorsehung selbst willens gewesen, daß er der erste sein sollte. Denn davon hing alles ab: der erste zu sein.
Gleich nach seiner Ankunft sandte er einen Boten an den Schatzmeister Santangel, zusamt dem für die Königin und den König bestimmten ausführlichen Bericht seiner Fahrt. Das Hoflager war in Barcelona, er wartete in Sevilla auf die Befehle der Majestäten. Wo immer er erschien, wurde er mit den größten Ehren empfangen, sein Einzug in Sevilla erregte unbeschreibliche Begeisterung, seinen Erzählungen lauschten hoch und niedrig mit fassungslosem Staunen. König und Königin schickten ihrem »Admiral des ozeanischen Meeres« einen der vornehmsten Offiziere ihres Hauses entgegen, um ihn in ihrem Namen willkommen zu heißen, ihm die Aufträge zur Ausrüstung einer zweiten Expedition zu überbringen und ihn einzuladen, sobald wie möglich zu ihnen nach Barcelona zu kommen.
Wunderlicher Pomp, den er auf dem Weg zu dem Herrscherpaar entfaltet. Mit den Augen eines späteren Jahrhunderts gesehen, war es ein Jahrmarktszug, eine Gauklerkavalkade, eine reisende Zirkusgesellschaft. Da man zu jener Zeit in Spanien keine Kutschen benutzen konnte, weil die Straßen zu schlecht waren, hatte sich der Admiral eine Anzahl Pferde und Maultiere verschafft. Bewaffnete Matrosen eröffneten den Zug; sie mußten den Weg durch die Volksmenge bahnen; ihnen folgten exotische Gruppen in berechneter Inszenierung, die Indios mit Kopfschmuck aus Vogelfedern, bunten Gürteln und Schürzen aus farbigen Stoffen; ihre Nasen und Ohren waren mit goldenen Behängen geziert, auch Armbänder und Halsgeschmeide hatten sie anlegen müssen. Einige trugen Speere und Ruder mit den heimischen Schnitzereien, auf den Schultern von anderen saßen gelbe, grüne, rote Papageien, deren gellendes Geschrei das Johlen und Brüllen der Menge übertönte. Was man an seltenen Pflanzen, ausgestopften Tieren, Muscheln, Spezereien und flimmerndem Gestein übers Meer transportiert hatte, wurde in riesigen Körben prahlerisch vor dem Admiral hergetragen, der wie seine Söhne Diego und Hernando zu Pferde saß. Vierzehn schwer beladene Maultiere mit geschlossenen Truhen, in denen angeblich die Kostbarkeiten des entdeckten Indien verwahrt lagen, schlossen unter sicherer Bedeckung den Zug. Sobald die ausgeschickten Eilboten meldeten, daß Colón sich der Stadt nähere, ritten ihm zahlreiche Edelleute und die Vornehmsten der Kaufmannsgilde entgegen, an ihrer Spitze der Haushofmeister des Königs, um ihn zu den Hoheiten zu geleiten. Von allen Türmen läuteten die Glocken, von allen Balkonen hingen Teppiche herab, aus allen Fenstern wehten Fahnen und Tücher, Musik und Freudengeschrei erfüllten die Straßen: der wahrgewordene Traum. Aber noch nicht sein Höhepunkt.
Denn