Alex Shaw

COLD BLACK


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sie gleich wieder. »Genau das werde ich dem Präsidenten ans Herz legen.«

      Kuschnerow, der von Natur aus ängstlich und angespannt war, hakte seine Finger noch fester ineinander. Ihm gefielen diese Doppelspiele und Tricksereien nicht. Für ihn war ein Preis ein Preis und eine Übereinkunft nichts weniger als das, so wie man es früher in der Sowjetunion gehalten hatte, doch der Kapitalismus, die ewige Gier stellte alles auf den Kopf. »Wie sollen wir jetzt also reagieren?« Ihre Unterhaltung war im Kreis verlaufen, wie er schon beim Mittagessen befürchtet hatte.

      Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien in London, Großbritannien

      Die internationale Medienriege hatte sich eingefunden und wartete auf den Beginn der Pressekonferenz. Der Sprecher des Botschafters war gerade die Regeln durchgegangen, an die man sich zu halten hatte: Ihre Hoheit weder beim Reden unterbrechen noch ansprechen, außer sie rief zum Fragen auf. So wie die Saudis fertigte nahezu kein Staat Journalisten ab. Nach ihrem Dafürhalten oblag es den Vertretern, lediglich zuzuhören und zur Kenntnis zu nehmen, um dann darüber zu berichten. Die Nachrichtenteams von BBC und Sky News wechselten entnervte Blicke.

      Ihre Hoheit Umar Al Kabir, saudischer Botschafter im Vereinigten Königreich, betrat den Konferenzsaal und setzte sich. An der Wand hinter ihm hing ein breites Banner mit dem Nationalemblem, überkreuzte Schwerter unter einer Palme. Er ließ den Blick über die versammelten Reporter aus aller Welt schweifen, bevor er mit seiner Ansprache begann.

      »Gegen elf Uhr heute Morgen wurde meine Nichte Prinzessin Jinan von einer Gruppe unbekannter Männer aus ihrer Schule entführt.« Ein Raunen ging durchs Rund, und Blitzgewitter flackerte. Prinz Umar fuhr fort: »Sie wurde gefesselt, geknebelt und auf dem Rücksitz eines Autos mitgenommen. Die Kidnapper setzten sich umgehend mit ihrem Vater, meinem Bruder Prinz Fouad, in Verbindung und stellten lächerliche Forderungen.« Er machte noch eine Pause und schaute sich im Raum um, während zahllose Fotoapparate sein Gesicht beleuchteten. Er nickte und setzte erneut an. »Ich freue mich, mitteilen zu dürfen, dass Prinzessin Jinan seit heute Mittag, dreizehn Uhr, in Sicherheit ist.«

      Gemurmel kam auf, und mehrere Journalisten hielten ihre Hände hoch, wobei manche unaufgefordert Fragen stellen wollten. Umar ließ sich seine Verärgerung nicht anmerken, sondern sprach sie rundheraus an.

      »Ja, Sie. Was möchten Sie wissen?«

      Der Vertreter von Sky News hob an: »Eure Hoheit, würden Sie mir bitte sagen, ob Ihre Nichte gerettet oder freiwillig übergeben wurde?«

      Umar nickte. »Sie wurde von einem äußerst ehrenwerten britischen Staatsbürger gerettet, dem sie zufällig mit den Entführern aufgefallen war.« Seine Lippen spannten sich zu einem Lächeln, gleich würde er seinen Trumpf ausspielen. »Sie haben bereits Videomaterial zu ihrer Befreiung. Ihre Sender zeigen es schon seit drei Stunden.«

      Die Anwesenden brausten auf, einige warfen wieder die Arme hoch, andere verließen den Saal mit Mobiltelefonen am Ohr, um bei ihren Arbeitgebern anzurufen.

      Umar hielt beide Hände hoch. »Meine Herren – und Damen –, im Namen des Königreiches Saudi-Arabien möchte ich den Retter meiner Nichte belohnen und ihm meinen Dank aussprechen. Wir treffen uns morgen oder übermorgen hier, wozu Sie alle eingeladen sind.« Daraufhin stand der Prinz auf, nickte wieder und ging hinaus.

      Die Reporter bedrängten nun den Pressesprecher, und Kamerateams verlangten weiteren Aufschluss.

      In Whitehall schlug Robert Holmcroft mit seinen Fäusten auf die Schreibtischplatte und fluchte erstmals seit Jahren laut. Sein Freund Umar hatte ihn gelinkt, indem er einem Mordverdächtigen öffentlich dafür dankte, Prinzessin Jinan das Leben gerettet zu haben – einem Mann, der im Augenblick als mehrfach angeklagter Verbrecher in Haft saß! Seine Morde flimmerten den ganzen Nachmittag lang in aller Herren Länder über den Äther. Als Innenminister konnte er eine DA-Notiz herausgeben, also Nachrichtensendern aus Gründen der nationalen Sicherheit offiziell untersagen, Meldungen zu bestimmten Themen zu veröffentlichen.

      Diese eine wäre unter die Kategorie null-fünf gefallen – Sicherheits- und Geheimdienste des Vereinigten Königreiches – doch er war nicht schnell genug gewesen, sodass man die Katze im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Sack gelassen hatte, alles nur wegen YouTube sowie zweier straffälliger Jugendlicher mit G3-Videohandys.

      Das Lämpchen an seinem Telefon blinkte. Er stierte es verdrießlich an, bevor er die Annahmetaste drückte. »Ja!«

      Zunächst blieb es still in der Leitung; seine Sekretärin fühlte sich von dem unwirschen Ton vor den Kopf gestoßen. »Der Premierminister möchte Sie sprechen.«

      Holmcroft seufzte. »Stellen Sie ihn durch.« Er durfte sich auf ein schwieriges Gespräch einstellen.

      Minsk, Weißrussland

      Der Mann ohne Amtstitel stieg als Erster aus der Belavia-Maschine aus Moskau. Auf der Rollbahn wartete eine breite schwarze Regierungslimousine, die ihn mitnahm, ohne dass er irgendwelche Einreiseformalien hätte erledigen müssen. Maksim Gurow war die tödliche Hand des Premierministers der Russischen Föderation.

      Als »ehemaliger« Agent des dortigen KGB beziehungsweise FSB, wie der Dienst seit 1995 hieß, hatte er der Ersten Hauptdirektion angehört, die für Auslandseinsätze und Aufklärung verantwortlich gewesen war, sowie in diesem Rahmen Vympel kommandiert, die geheimnisvollste und gefährlichste aller Einheiten der Behörde.

      Sein Name stand auf keiner offiziellen Personalliste. Einzig der sehr kleine Kreis ausgesuchter Berater des Premiers kannte ihn: Die Mächtigen, die über Leben und Tod verfügen konnten. Er sollte sich nun mit Iwan Swerow treffen, dem Leiter des weißrussischen Geheimdienstes. Dies würde man in keiner Weise aktenkundig machen; die beiden sollten einander nie begegnet sein, weil Gurow eigentlich gar nicht existierte, und zwar schon seit 1995.

      Er saß still auf der Rückbank der Limousine, die zur Datscha des Präsidenten im Wald vor Minsk raste. Der Vorschlag, den er machen wollte, war schlichter Art, also rechnete er mit einer gleichsam einfachen Antwort. Innerhalb von drei Stunden würde er wieder in der Luft sein – als letzter Passagier, der in den Flieger stieg.

      Der Mercedes hielt kurz an, während das schwere Eisentor aufgezogen wurde, und fuhr dann weiter aufs Grundstück des Landsitzes. Nieselregen dämpfte zusätzlich das ohnehin schwache Tageslicht, das die dichte Laubdecke kaum durchdrang.

      Im Gebäude stand Swerow am Kamin und genoss die Wärme, die das Brennholz abstrahlte. Das großformatige Ölgemälde des Präsidenten an der Wand hinter ihm schien ihn anzustarren. Es war August und für diese Jahreszeit ungewöhnlich frisch in der Datscha. Das weißrussische Volk durfte sich auf einen strengen Winter vorbereiten. Als er hörte, wie seine Sicherheitsmänner die Haustür öffneten, richtete er sich auf, um seinen Gast zu begrüßen, den Besucher aus Moskau.

      Gurow hatte beileibe nichts Außergewöhnliches an sich. Mit knapp über eins achtzig war er durchschnittlich groß, weder über- noch untergewichtig und normal gebaut. So wirkte er wie ein höherer Bankangestellter, außer man achtete auf seine mattgrauen Augen, deren düsterer Blick kaum verhehlten, welch ernst zu nehmender Geist dahintersteckte.

      Swerow bot ihm eine Hand an. »Sie endlich kennenzulernen ist mir eine Ehre.« Sein Gegenüber drückte kräftig zu, weshalb er sich zusammenreißen musste, um nicht zusammenzuzucken. »So setzen Sie sich doch.«

      Gurow nickte und kam der Bitte nach. »Direktor Swerow, danke, dass Sie bereit waren, sich mit mir zu treffen.«

      »Ist mir ein Vergnügen.« Ihm war nichts anderes übrig geblieben. Sein Präsident hatte die Information erhalten, dass dieser Mann kommen würde, doch Swerow sah sich nicht veranlasst, unhöflich zu sein. Er nahm dem Besucher gegenüber Platz. Zwischen ihnen stand ein niedriger Tisch mit einer Kanne Kaffee.

      Unser Premierminister ließ mich wissen, dass ihr Land gewisse Schulden im Zusammenhang mit Öllieferungen begleichen muss.«

      Swerow blinzelte, erwiderte jedoch nichts. Auf diesem Feld kannte er sich nicht aus. Der KGB hatte nichts mit dem Ministerium für Energie zu tun.

      Gurow fuhr fort: »RusGaz