Felix Dahn

Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane


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Mann: – ich muß ihn treu gehütet wissen. Du wirst morgen, – ich befehl’ es, – den Feldherrn begleiten und sein Leben decken.»

      «Mit meinem eignen.»

      «Gut, Tribun, ich verlasse mich auf dein Wort.»

      «Bau’ du auf meines. Auf Wiedersehn nach der Schlacht: vor dem Senat. Nach beiden Kämpfen lüstet mich gleich sehr. Auf Wiedersehn: – – vor dem Senat.»

      «Auf Nimmerwiedersehn», sprach Cethegus, als sein Schritt verhallte. «Syphax» rief er laut, «bringe Wein und das Hauptmahl. Wir müssen uns stärken: – auf morgen.»

      Elftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Früh am andern Morgen wogte sowohl in Rom als in dem Lager der Goten geschäftige Bewegung.

      Mataswintha und Syphax hatten zwar einiges entdeckt und gemeldet: – – aber nicht alles. Sie hatten von dem Gelübde der drei Männer gegen Belisar erfahren und den früheren Plan eines bloßen Scheinangriffs gegen das Sankt-Pauls-Tor, um von dem Gedanken an Belisars Geschick abzulenken. Aber nicht hatten sie erfahren, daß der König, in Änderung jenes Planes eines bloßen Scheinangriffs, für diesen Tag der Abwesenheit des großen Feldherrn einen in tiefes Geheimnis gehüllten Beschluß gefaßt hatte: es sollte ein letzter Versuch gemacht werden, ob nicht gotisches Heldentum doch dem Genius Belisar und den Mauern des Präfekten überlegen sei. Man hatte sich im Kriegsrat des Königs nicht über die Wichtigkeit des Unternehmens getäuscht: wenn es wie alle früheren, vereinzelten Angriffe – achtundsechzig Schlachten, Ausfälle, Stürme und Gefechte hatte Prokop während der Belagerung bis dahin aufgezählt – scheiterte, so war von dem ermüdeten, stark gelichteten Heer keine weitere Anstrengung mehr zu erwarten. Deshalb hatte man sich auf Tejas Rat endlich verpflichtet, über den Plan gegen jedermann ohne Ausnahme zu schweigen.

      Daher hatte auch Mataswintha nichts vom König erfahren, und selbst ihres Mauren Spürnase konnte nur wittern, daß auf jenen Tag etwas Großes gerüstet werde; – die gotischen Krieger wußten selbst nicht was.

      Totila, Hildebad und Teja waren schon um Mitternacht mit ihren Reitern geräuschlos aufgebrochen und hatten sich südlich von der valerischen Straße bei dem Grabmal der Fulvier, an dem in einer Hügelfalte Belisar vorbeikommen mußte, in Hinterhalt gelegt; sie hofften, mit ihrer Aufgabe bald genug fertig zu sein, um noch wesentlich an den Dingen bei Rom teilnehmen zu können.

      Während der König mit Hildebrand, Guntharis und Markja die Scharen innerhalb der Lager ordnete, zog um Sonnenaufgang Belisar, von einem Teil seiner Leibwächter umgeben, zum tiburtinischen Tor hinaus. Prokop und Severinus ritten ihm zur Rechten und Linken: Aigan, der Massagete, trug sein Banner, das bei allen Gelegenheiten den Magister Militum zu begleiten hatte. Constantinus, dem er an seiner Statt die Sorge für den «belisarischen Teil» von Rom übertragen, besetzte alle Posten längs der Mauern doppelt und ließ die Truppen hart an den Wällen unter den Waffen bleiben. Er übersandte den gleichen Befehl dem Präfekten für die Byzantiner, die dieser führte.

      Der Bote traf ihn auf den Wällen zwischen dem paulinischen und dem appischen Tor. «Belisar meint also», höhnte Cethegus, während er gehorchte, «mein Rom ist nicht sicher, wenn er es nicht behütet. Ich aber meine: Er ist nicht sicher, wenn ihn mein Rom nicht beschirmt. Komm, Lucius Licinius», flüsterte er diesem zu, «wir müssen an den Fall denken, daß Belisar einmal nicht wiederkehrt von seinen Heldenfahrten: dann muß ein andrer sein Heer mit fester Hand ergreifen.»

      «Ich kenne die Hand.»

      «Vielleicht gibt es alsdann einen kurzen Kampf mit seinen in Rom belassenen Leibwächtern: in den Thermen des Diokletian oder am tiburtinischen Tore. Sie müssen dort in ihrem Lager erdrückt sein, ehe sie sich recht besinnen. Nimm dreitausend meiner Isaurier und verteile sie, ohne Aufsehen, rings um die Thermen her: auch besetze mir vor allem das tiburtinische Tor.» – «Von wo aber soll ich sie fortziehen?» – «Von dem Grabmal Hadrians», sagte Cethegus nach einigem Besinnen. «Und die Goten, Feldherr!» – «Bah! Das Grabmal ist fest, es schützt sich selbst. Erst müssen vom Süden her die Stürmenden über den Fluß: und dann diese eisglatten Wände von parischem Marmor hinan, meine und des Korinthers Freude. Und zudem», lächelte er, «sieh nur hinauf: da oben steht ein Heer von marmornen Göttern und Heroen: sie mögen selber ihren Tempel schirmen gegen die Barbaren. Siehst du, ich sagte es ja – es geht nur hier gegen das Sankt-Pauls-Tor», schloß er, auf das Lager der Goten deutend, aus welchem eben eine starke Abteilung in dieser Richtung aufbrach.

      Licinius gehorchte und führte alsbald dreitausend Isaurier, etwa die Hälfte der Deckung, ab: von dem Grabmal über den Fluß und den Viminalis hinab gegen die Thermen Diokletians. Belisars Armenier am tiburtinischen Tor löste er dann auch durch dreihundert Isaurier und Legionäre ab.

      Cethegus aber wandte sich nach dem salarischen Tor, wo jetzt Constantinus als Vertreter Belisars hielt. «Ich muß ihn aus dem Wege haben», dachte er, «wenn die Nachricht eintrifft.» – «Sobald du die Barbaren zurückgeworfen», sprach er ihn an, «wirst du doch wohl einen Ausfall machen müssen? Welche Gelegenheit, Lorbeeren zu sammeln, während der Feldherr fern ist!» – «Jawohl», rief Constantinus, «sie sollen’s erfahren, daß wir sie auch ohne Belisarius schlagen können.»

      «Ihr müßt aber ruhiger zielen», sagte Cethegus, einem persischen Schützen den Bogen abnehmend. «Seht den Goten dort, den Führer zu Pferd! Er soll fallen.» Cethegus schoß; der Gote fiel vom Roß, durch den Hals geschossen. «Und meine Wallbogen, ihr braucht sie schlecht! Seht ihr dort die Eiche? Ein Tausendführer der Goten steht davor, gepanzert. Gebt acht!» Und er richtete den Wallbogen, zielte und schoß: durchbohrt war der gepanzerte Gote an den Baum genagelt.

      Da sprengte ein sarazenischer Reiter heran: «Archon», redete er Constantinus an, «Bessas läßt dich bitten, Verstärkungen an das Vivarium, das pränestinische Tor zu senden, die Goten rücken an.»

      Zweifelnd sah Constantinus auf Cethegus. «Possen» sagte dieser, «der einzige Angriff droht an meinem Tore von Sankt Paul, und das ist gut gehütet, ich weiß es gewiß. Laß Bessas sagen: er fürchte sich zu früh. Übrigens, im Vivarium habe ich noch sechs Löwen, zehn Tiger und zwölf Bären für mein nächstes Zirkusfest! Laßt sie einstweilen los auf die Barbaren! Es ist auch ein Schauspiel für die Römer dann!»

      Aber schon eilte ein Leibwächter den Mons Pincius herab: «Zu Hilfe, Herr, zu Hilfe! Constantinus, dein eignes, das flämische Tor! Unzählige Barbaren! Ursicinus bittet um Hilfe!»

      «Auch dort?» fragte Cethegus ungläubig.

      «Hilfe an die gebrochene Mauer, zwischen dem flämischen und dem pincianischen Tor!» rief ein zweiter Bote des Ursicinus.

      «Diese Strecke braucht ihr nicht zu decken! Ihr wißt, sie steht unter Sankt Peters besonderem Schutz, das reicht!» sprach, beruhigend Constantinus. Cethegus lächelte: «Ja, heute gewiß: denn sie wird gar nicht angegriffen.»

      Da jagte Marcius Licinius atemlos heran. «Präfekt, rasch aufs Kapitol, von wo ich eben komme. Alle sieben Lager der Feinde speien Barbaren zugleich aus allen Lagerpforten: es droht ein allgemeiner Sturm gegen alle Tore Roms.»

      «Schwerlich», lächelte Cethegus. «Aber ich will hinauf. Du aber, Marcus Licinius, stehst mir ein für das tiburtiner Tor. Mein muß es sein, nicht Belisars! Fort mit dir! Führe deine zweihundert Legionäre dorthin!»

      Er stieg zu Pferd und ritt zunächst gegen das Kapitol zu, um den Fuß des Viminal. Hier traf er auf Licinius und seine Isaurier. «Feldherr», sprach ihn dieser an, «es wird ernst da draußen, sehr ernst! Was ist’s mit den Isauriern? Bleibt es bei deinem Befehl?»

      «Habe ich ihn zurückgenommen?» sagte Cethegus streng. «Lucius, du folgst mir und ihr andern Tribunen. Ihr Isaurier rückt unter eurem Häuptling Asgares zwischen die Thermen des Diokletian und das tiburtiner Tor.»

      Er glaubte an keine Gefahr für Rom. Meinte er doch zu wissen, was allein in diesem Augenblick die Goten wirklich