Felix Dahn

Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane


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die er eingedrungen. Zweifelnd blickte Syphax einen Augenblick nach rechts und nach links. Zur Rechten sah er entweichen einen Lauscher, den er jetzt erst ganz entdeckte. Zur Linken schritt ein gotischer Krieger herein in den Tempelhof. Er konnte nicht hoffen, beide zu erreichen und zu töten.

      Da plötzlich schrie er laut: «Teja, Graf Teja! Hilfe! Zu Hilfe! Ein Römer, rettet die Königin! Dort rechts an der Mauer, ein Römer!»

      Im Fluge war Teja heran, bei Syphax. «Dort!» rief dieser: «ich schütze die Frauen in der Kirche!» Und er eilte in den Tempel.

      «Steh, Römer!» rief Teja und sprang dem fliehenden Perseus nach.

      Aber Perseus stand nicht. Er lief an die Mauer, er erreichte die Lücke, durch welche er hereingekommen war: doch er konnte sich in der Eile nicht wieder hindurchzwängen. So schwang er sich mit der Kraft der Verzweiflung auf die Mauerkrone: und schon hob er den Fuß, sich jenseits hinabzulassen: da traf ihn Tejas Axt im Wurf ans Haupt, und rücklings stürzte er nieder, samt seinem erlauschten Geheimnis. –

      Teja beugte sich über ihn: deutlich erkannte er die Züge des Toten. «Der Archon Perseus», sagte er, «der Bruder des Johannes.» Und sofort schritt er die Stufen hinan, die zur Kirche führten. An der Schwelle trat ihm Mataswintha entgegen, hinter ihr Syphax und Aspa mit der Blendlaterne. Einen Moment maßen sich beide schweigend mit mißtrauischen Blicken.

      «Ich habe dir zu danken, Graf Teja von Tarentum», sagte endlich die Fürstin. «Ich war bedroht in meiner einsamen Andacht.»

      «Seltsam wählst du Ort und Stunde für deine Gebete. Laß sehen, ob dieser Römer der einzige Feind war.»

      Er nahm aus Aspas Hand die Leuchte und ging in das Innere der Kapelle. Nach einer Weile kam er wieder, einen mit Gold eingelegten Lederschuh in der Hand. «Ich fand nichts als – diese Sandale am Altar, dicht vor dem Apostel. Es ist ein Mannesfuß.»

      «Eine Votivgabe von mir», sagte Syphax rasch. «Der Apostel heilte meinen Fuß, ich hatte mir einen Dorn eingetreten.»

      «Ich dachte, du verehrst nur den Schlangengott?» – «Ich verehre, was da hilft.» – «In welchem Fuße stak der Dorn?» Syphax schwankte einen Augenblick. «Im rechten», sagte er dann, rasch entschlossen.

      «Schade», sprach Teja, «die Sandale ist auf den linken geschnitten.»

      Und er steckte sie in den Gürtel. «Ich warne dich, Königin, vor solcher nächtlichen Andacht.»

      «Ich werde tun, was meine Pflicht», sagte Mataswintha herb.

      «Und ich, was meine.» Mit diesen Worten schritt Teja voran, zurück zum Lager: schweigend folgten die Königin und ihre Sklaven.

      *

      Vor Sonnenaufgang stand Teja vor Witichis und berichtete ihm alles.

      «Was du sagst, ist kein Beweis», sagte der König. – «Aber schwerer Verdacht. Und du sagtest selbst, die Königin sei dir unheimlich.»

      «Gerade deshalb hüt’ ich mich, nach bloßem Verdacht zu handeln. Ich zweifle manchmal, ob wir an ihr nicht Unrecht getan. Fast so schwer wie an Rauthgundis.» – «Wohl, aber diese nächtlichen Gänge?» – «Werd’ ich verhindern. Schon um ihretwillen.»

      «Und der Maure? Ich trau’ ihm nicht. Ich weiß, daß er tagelang abwesend: dann taucht er wieder auf im Lager. Es ist ein Späher.»

      «Ja, Freund», lächelte Witichis. «Aber der meine. Er geht mit meinem Wissen in Rom ein und aus. Er ist es, der mir noch alle Gelegenheiten verraten.»

      «Und noch keine hat genützt! Und die falsche Sandale?»

      «Ist wirklich ein Votivopfer. Aber für Diebstahl; er hat mir, noch ehe du kamst, alles gebeichtet. Er hat, bei der Begleitung der Königin sich langweilend, in einem Gewölbe der Kirche herumgestöbert und da unten allerlei Priestergewänder und vergrabnen Schmuck gefunden und behalten. Aber später, den Zorn des Apostels fürchtend, wollt’ er ihn beschwichtigen und opferte, in seinem Heidentum, diese Goldsandale aus seiner Beute. Er beschrieb sie mir ganz genau: mit goldnen Seitenstreifen und einem Achatknopf, oben mit einem C –. Du siehst, es trifft alles zu. Er kannte sie also: sie kann nicht von einem Flüchtenden verloren sein. Und er versprach, als Beweis die dazugehörige Sandale des rechten Fußes zu bringen. Aber vor allem: er hat mir einen neuen Plan verraten, der all unsrer Not ein Ende machen und Belisarius selbst in unsre Hände liefern soll.»

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Während der Gotenkönig diesen Plan seinem Freunde mitteilte, stand Cethegus, in frühester Stunde nach dem belisarischen Tor beschieden, vor Belisar und Johannes.

      «Präfekt von Rom», herrschte ihn der Feldherr beim Eintreten an, «wo warst du heute nacht?»

      «Auf meinem Posten. Wohin ich gehöre. Am Tor Sankt Pauls.»

      «Weißt du, daß in dieser Nacht einer der besten meiner Anführer, Perseus der Archon, des Johannes Bruder, die Stadt verlassen hat und seitdem verschwunden ist?»

      «Tut mir leid. Aber du weißt: es ist verboten, ohne Erlaubnis die Mauer zu überschreiten.»

      «Ich habe aber Grund zu glauben», fuhr Johannes auf, «daß du recht gut weißt, was aus meinem Bruder geworden, daß sein Blut an deinen Händen klebt.» – «Und beim Schlummer Justinians!» brauste Belisar auf, «das sollst du büßen. Nicht länger sollst du herrschen über des Kaisers Heer und Feldherrn. Die Stunde der Abrechnung ist gekommen. Die Barbaren sind so gut wie vernichtet. Und laß sehn, ob nicht mit deinem Haupt auch das Kapitol fällt.»

      «Steht es so?» dachte Cethegus, «jetzt sieh dich vor, Belisarius.» Doch er schwieg.

      «Rede!» rief Johannes. «Wo hast du meinen Bruder ermordet?» Ehe Cethegus antworten konnte, trat Artasines, ein persischer Leibwächter Belisars, herein. «Herr», sagte er, «draußen stehn sechs gotische Krieger. Sie bringen die Leiche Perseus’, des Archonten. König Witichis läßt dir sagen: er sei heut’ nacht vor den Mauern durch Graf Tejas Beil gefallen. Er sendet ihn zur ehrenden Bestattung.»

      «Der Himmel selbst», sprach Cethegus, stolz hinausschreitend, «straft eure Bosheit Lügen.» Aber langsam und nachdenklich ging der Präfekt über den Quirinal und das Forum Trajans nach seinem Wohnhaus. «Du drohst, Belisarius? Dank für den Wink! Laß sehn, ob wir dich nicht entbehren können.»

      *

      In seiner Wohnung fand er Syphax, der ihn ungeduldig erwartet hatte und ihm raschen Bericht ablegte. «Vor allem, Herr», schloß er nun, «laß also deinen Sandalenbinder peitschen. Du siehst, wie schlecht du bedient bist, ist Syphax fern: und gib mir gütigst deinen rechten Schuh.»

      «Ich sollte dir ihn nicht geben und dich zappeln lassen für dein freches Lügen», lachte der Präfekt. «Dieses Stück Leder ist jetzt dein Leben wert, mein Panther. Womit willst du’s lösen?»

      «Mit wichtiger Kunde. Ich weiß nun alles ganz genau von dem Plan gegen Belisars Leben: Ort und Zeit: und die Namen der Eidbrüder. Es sind: Teja, Totila und Hildebad.»

      «Jeder allein genug für den Magister Militum», murmelte Cethegus vergnüglich.

      «Ich denke, o Herr, du hast den Barbaren wohl wieder eine schöne Falle gestellt! Ich habe ihnen, auf deinen Befehl, entdeckt, daß Belisar selbst morgen zum tiburtinischen Tor hinausziehen will, um Vorräte aufzutreiben.»

      «Ja, er selbst geht mit, weil sich die oft aufgefangenen Hunnen nicht mehr allein hinauswagen; er führt nur vierhundert Mann.»

      «Es werden nun die drei Eidbrüder am Grab der Fulvier einen Hinterhalt von tausend Mann gegen Belisar legen.» – «Das verdient wirklich den Schuh!» sagte Cethegus und warf ihm denselben zu.

      «König Witichis wird indessen nur einen Scheinangriff machen lassen auf das Tor Sankt Pauls,