sondern gewissermaßen Rentenfondsumteilungen. Militärische Gesichtspunkte, besonders eine militaristische Bevölkerungspolitik, entscheiden über alle Einzelheiten: bei Erblosigkeit besteht teilweise Adoptions-, auch direkt Ehezwang oder das Recht und die Pflicht, sich von Dritten »Nachkommen erwecken« zu lassen, wie in Israel. Die Organisation des Bürgerheeres gipfelt bei voller Durchführung in dem kasinoartigen gemeinsamen Mittagstisch der Krieger, den »Syssitien« oder »Hetairien«, und der kadettenartigen gemeinsamen Erziehung der Kinder von Staats wegen zu Kriegern. Hier sind also die Wehrverbände (Phratrien) militaristisch zu vollen Lebensgemeinschaften gesteigert, auf Kosten der Familiengemeinschaft. Dem entspricht auch hier die Beteiligung der Heeresabteilungen an der Entscheidung über das Schicksal der neugeborenen oder der in das wehrhafte Alter kommenden Kinder, die durchaus nichts »Ursprüngliches« ist (»ursprünglich« ist die Willkür des Vaters). Sparta hat jene naturalwirtschaftliche Unterlage des Stadtmilitarismus und seine Kriegerzunft mit ihrer kameradschaftlichen Gleichheit der privilegierten Genossen, welche von Jugend an ausschließlich dem Drill für den Hoplitenkampf sich zu widmen hatten, in bewußtem Kampf behauptet. Dieser Zunftgeist schuf aber dem Staat seine Schranken. Gegen die bis in die späteste Zeit gelegentlich immer wieder auftauchenden Bestrebungen des Königtums, durch Demokratisierung des Wehrrechts die politische Stoßkraft des Staats zu steigern, richtet sich die Schaffung des Ephorats. Gegen den geldwirtschaftlichen Zersetzungsprozeß kämpfte man durch künstliche Konservierung der Naturalwirtschaft und des Bedürfnisstandes der Kriegerbevölkerung: deshalb Ausschluß des Geldverkehrs, Immobilisierung der Spartiatenlose und Erhaltung der Kasinogemeinschaft. Dies hinderte die Vermehrung der Zahl der Kriegerlose, nicht aber ihre Verminderung durch Zusammenerben (in den Händen der Frauen) und Verarmung, auch nicht die geheime Beteiligung an auswärtigem Geldgewinn, während sie dagegen jede große politische Aktion des Staatswesens hemmte und zu der bekannten ängstlichen Schonung des Spartiatenbestandes führte. Schließlich war sie doch nicht zu halten, als die Herrscherstellung nach dem peloponnesischen Krieg mit ihrer Notwendigkeit, zur geldwirtschaftlichen Deckung der Staatsbedürfnisse überzugehen, die Geldwirtschaft in das Innere des geschlossenen Kriegerstaats trug, Geldvermögen schuf, den Bedürfnisstand der herrschenden Kaste revolutionierte, und damit in kürzester Zeit die ökonomischen Unterlagen des ganzen Systems vernichtete. Die demokratische Restauration des Kleomenes mit ihrer Neuumteilung brach (222) bei Sellasia zusammen.
Der hellenischen Tradition ist nun dieser naturalwirtschaftlich fundamentierte Militarismus Spartas in seiner den Zeitgenossen bekannten Form Produkt einer ganz einzigartigen Gesetzgebung. Das ist so natürlich unzutreffend. Sparta ist nur eine extreme Fortbildung der alten Stadtherrschaft in ihre äußersten Konsequenzen. Das in der Tat »Einzigartige« liegt nur darin, daß der feudale Unterbau hier nicht einer durch Geschlecht, sondern lediglich durch Erziehung ausgelesenen Klasse diente, und daß das so geschaffene Virtuosentum des Hoplitenkampfs, infolge der Eigenart des letzteren, auch seinem Lebenszuschnitt nach das gerade Gegenteil irgendeines »Adels« war. –
Die Zugehörigkeit zur Vollbürgerkaste setzte aber, wie die Zugehörigkeit zum Ritterstand im Mittelalter, überall die fortgesetzte berufsmäßige Waffenübung (welche demgemäß überall Gegenstand staatlicher Vorsorge war) und diese das Zusammenwohnen in der Stadt wenigstens für den Kern des Heeres – mochten dies Ritter oder Hopliten sein – voraus: die »Unüberwindlichkeit« der Spartiaten und ebenso des »heiligen Lochos« im späteren Theben war Produkt ihres kontinuierlichen »Training«. Wer also in den strikt militaristischen Gemeinden den städtischen Wohnsitz und damit die Waffenübung aufgibt, »ἄγροικος«, »περίοικος« wird, ist politisch deklassiert; Teilnahme am Gymnasion und politisches Vollbürgerrecht gehen parallel. Daß wir nun aber berechtigt seien, das in Sparta und Kreta in historischer Zeit vorfindliche System des naturalwirtschaftlichen Militarismus als auch nur in seinen Grundzügen allgemein vorhanden gewesenes Durchgangsstadium anzusehen, ist auf der andern Seite gänzlich unwahrscheinlich, da eine so weitgehende Demokratisierung des griechischen Stadtfeudalismus, daß die Mitglieder der herrschenden Kriegerklasse nur aus dem Ertrage eines Besitzes von je etwa 8-12 Hektar, den Heloten für sie bewirtschafteten, hätten existieren können, sonst nicht gefunden wird, und da ferner die Strenge in der Durchführung der charakteristischen militärischen Institutionen in Sparta selbst in historischer Zeit nicht etwa ab-, sondern offenbar zunimmt, weil mit Zunahme des Gebietes und relativer Abnahme der Bürgerzahl die militärische Machtstellung immer gefährdeter wurde. Institutionen wie die athenische Staatstafel im Prytaneion – der Ersatz für die alte königliche Tafel – beweisen natürlich nicht, daß die spartanischen Syssitien in ihrer spezifisch militärischen Bedeutung (oder auch nur etwas irgendwie Aehnliches) dort je bestanden haben. Wir finden bei Hesiod keine Spur einer feudalen Einschnürung des freien Bauern, der mit wenig Knechten und Erntetaglöhnern selbst arbeitet. Nur die Mißbräuche der Rechtspflege, die Unvermeidlichkeit zeitweiser oder dauernder Begebung in die Klientel der Reichen, um vor Gericht auftreten zu können, und das Schuldrecht bilden überall den Gegenstand der Klage. Dieser letztere Punkt ist der entscheidende. Im Gegensatz zum spartanischen und kretischen und anderen auf Eroberung ruhenden Feudalstaaten ist die Verknechtung der Landbevölkerungen, wo sie sonst vorkommt, regelmäßig: Schuldverknechtung, neben der die in der Frühzeit überall selbstverständliche Klientel der Besitzlosen (so der πελάται in Athen) zunehmend zurücktritt.
Der Besitz der politischen Macht durch stadtsässige Kriegerschaften mußte an sich ebensowenig zur Entstehung einer ausgedehnten ländlichen Helotenklasse führen, wie die Herrschaft des orientalischen Militärmonarchen die Robotorganisation, wie sie in Aegypten bestand, überall zur Folge haben mußte. Eine »Hörigkeit« ganzer Landbevölkerungen findet sich, außerhalb der Dorerstaaten im Peloponnes: Sparta, Argos, Sikyon, und auf Kreta, sicher beglaubigt in historischer Zeit nur in Thessalien, Lokris, Byzanz und den beiden Herakleia. Sie scheint auch an manchen andern Stellen vorgekommen zu sein, aber ohne daß über die rechtliche Regelung ihrer Lage Sicheres auszumachen wäre. In Sikyon und Argos ist ihre Wurzel offenbar wie in Sparta Eroberung oder: Umbildung der Klientel bei Monopolisierung der Waffenübung durch die Stadtbürgerschaft (die Hörigen ziehen als Leichtbewaffnete mit); hier und in den auf Eroberung ruhenden Kolonisationsstaaten: Kreta, Byzanz und den beiden Herakleia (wo sie nicht wehrpflichtig sind) gelten die Hörigen offenbar als abgabenpflichtige Staatshörige, deren Stellung der Staat teilweise (so in Herakleia am Pontos) bei der Unterwerfung vertragsmäßig garantiert (sie stehen zwischen den Heloten und den, wie diese, wehr- und tributpflichtigen, aber persönlich freien Periöken Spartas in der Mitte). In Thessalien scheint eher eine eigentliche persönliche Grundhörigkeit in milder Form bestanden zu haben. Die thessalischen und kretischen Hörigen haben ersichtlich ausdrücklich garantierte Familien- und Eigentumsfähigkeit. Daß diese auf Ausbeutung politischer Unterwerfungsverhältnisse beruhende Staatshörigkeit ganzer Landbevölkerungen kein allgemeines Durchgangsstadium der hellenischen Entwicklung war, darf als höchst wahrscheinlich gelten. Der Stadtfeudalismus hat zu derartigen Konsequenzen nur lokal, und, zum mindesten überwiegend, nur auf Eroberungsgebiet, geführt. Daß andererseits die Abhängigkeit von Teilen der Bevölkerung ein allgemeineres Ausdehnungsgebiet gehabt hat, als die spärlichen Quellen erkennen lassen, ist durchaus wahrscheinlich. Wohl überall bestand ja die Klientel als Tributquelle für den Adel. Dagegen beschaffte sich der Stadtadel im »mittelalterlichen« Hellas sein Menschenmaterial für die Wirtschaft sicherlich in ähnlicher Art, wie im Orient, im älteren Rom, überhaupt in den älteren Stadtstaaten vor dem Eindringen der massenhaften Kaufsklaverei. Neben den gedungenen Schnittern zur Ernte, die in früher wie später Zeit vorkommen, bilden teils im Jahreslohn gedungene Arbeiter, teils, und speziell beim Adel stark zunehmend, Schuldknechte das Hauptkontingent der ständigen Arbeiter, wo in eigener Regie gewirtschaftet wurde. Die Schuldknechte sind, als deklassierte Freie, von den persönlichen Klienten und den politischen Unterworfenen – »Hörigen« – zu scheiden, wie das kretische Recht zeigt. (Ueber die rechtsgeschichtlichen Kontroversen betr. ihrer s.u. bei Athen.) Sie treten in typischer Weise hier, wie überall auf, sobald das Regiment der stadtsässigen »Geschlechter« einsetzt und solange die Kaufsklaverei noch nicht Massenerscheinung ist. Von der Verwendung von Kaufsklaven speziell zur