Abgaben: dann war er Rentenfonds, nicht Arbeitskraft, oder, wo er – eventuell mit seiner Familie – als Arbeitskraft diente, war er Fronarbeiter oder unfreier Heimarbeiter mit allen Schranken der Einträglichkeit eines solchen. Eine wirklich »kapitalistische« Behandlung des Sklaven nach Art eines sachlichen Produktionsmittels fand dagegen ihre Schranke in der Abhängigkeit von stetiger Versorgung des Sklavenmarktes, und das heißt: von erfolgreichen Kriegen. Denn eine volle kapitalistische Ausnutzung seiner Arbeitskraft war nur bei nicht nur rechtlicher, sondern auch faktischer Familienlosigkeit der Sklaven möglich: bei einem Kasernensystem, welches aber dann die Ergänzung der Sklavenklasse aus der eigenen Mitte unmöglich machte. Anderenfalls wären Kosten und Unterhalt der Weiber und der Aufzucht der Kinder dem Anlagekapital als toter Ballast mit zur Last gefallen. Dies ließ sich zwar bezüglich der Weiber unter Umständen – aber bei der Eigenart der antiken Bedarfsdeckung und der Bedeutung der Hausspinnerei und -weberei keineswegs regelmäßig – durch textilgewerbliche Ausnutzung vermeiden. Bezüglich der Kinder kann eine Stelle Appians (b.c. 1, 7) dahin verstanden werden, daß wenigstens in gewissen Perioden des römischen Altertums spekulative Sklavenaufzucht massenhaft vorgekommen sei, also, wie in den nordamerikanischen Südstaaten, eine Arbeitsteilung zwischen Produktion und Verwertung wenigstens für einen Teil des Sklavenkapitals stattgefunden habe. Diese Deutung bleibt jedoch etwas fraglich. Die schroff schwankende Preisbildung des Sklavenmarkts mußte den Aufzuchtsgewinn unsicher machen. Für die Hauptverschleißgebiete der Sklavenarbeit: Plantagenbau, Seefahrt, Bergbau, Steuereintreibungsgeschäft, war ferner weibliche Arbeitskraft ungeeignet. Und in der Erwerbswirtschaft war es denn auch die Regel, daß man sich in der Hauptsache auf den Verbrauch männlicher Sklaven (zu Catos Zeit der einzigen als Gutsarbeiter, ebenso der einzigen im attischen ἐργαστήριον nachweisbaren) beschränkte, wenn man dies tun konnte, d.h.: wenn der chronische Kriegszustand die stetige Versorgung des Marktes übernahm. Die weiblichen Sklaven dienten der Prostitution oder der Hausarbeit. Fand eine kontinuierliche Versorgung längere Zeit nicht statt, so konnte der Nachwuchs nur durch Zerfall der Sklavenkasernen und Herstellung des Familienlebens des Sklaven, d.h. Abwälzung des Interesses an der Reproduktion des Sklavenkapitals auf den Sklaven selbst, damit aber wiederum: Verzicht auf die schrankenlose Ausnutzung seiner Arbeitskraft, garantiert werden. Ein solcher Verzicht mußte aber, gegenüber dem System der gefesselt unter der Peitsche arbeitenden Plantagensklaven, überall da eine reine Einbuße an Profit bedeuten, wo nicht gleichzeitig eine Form gefunden wurde, ökonomisches Eigeninteresse des Sklaven für den Herrn nutzbar zu machen. Denn neben der Labilität des Sklavenkapitals und dem unkalkulierbaren Risiko, mit dem es belastet war, wirkte im Fall der direkten Verwertung des Sklaven als Arbeitskraft im Großbetrieb natürlich vor allem das fehlende Eigeninteresse des Sklaven jedem technischen Fortschritt und jeder Intensivierung und Qualitätssteigerung entgegen. Die für die Arbeitsleistung entscheidenden »ethischen« Qualitäten der Sklaven sind bei ihrer Benutzung im Großbetrieb die denkbar schlechtesten. Dem Verschleiß des Sklavenkapitals selbst trat dabei der Verschleiß sowohl des Arbeitsvieh- als des Werkzeugkapitals und der Stillstand der Werkzeugtechnik (z.B. der Pflüge) zur Seite. Ueber ersteren Punkt wird ausdrücklich geklagt: die Verwendung der Sklavenarbeit zur Getreideproduktion im großen wurde dadurch – wegen der Arbeitsintensität der antiken Getreideanbautechnik – unmöglich, aber überhaupt waren die Sklaven nur auf gutem Boden und bei niedrigem Preisstand des Sklavenmarktes im Großbetrieb mit wirklich beträchtlichem Gewinn verwertbar und wirkte ihre Verwendung regelmäßig in der Richtung der Extensität. Und – was noch wichtiger war – diese Eigenart der Sklavenarbeit hinderte auf gewerblichem Gebiet nicht nur die Verfeinerung der Werkzeugtechnik, sondern überhaupt jene Kombination von präzis ineinandergreifenden differenzierten Arbeitskräften, welche gerade das Wesen der spezifisch modernen Betriebsformen ausmacht, für welche ja doch nicht die bloße Arbeiterzahl charakteristisch ist. Gelernte gewerbliche Arbeit in Gestalt eines arbeitsteiligen Kaufsklavenbetriebes im großen zu verwerten, konnte aus dem gleichen Grunde zweifellos als eine normale Erscheinung – denn in Einzelfällen, aber dann stets in geringem Umfang, kommt sie (s. später) vor – im Altertum so wenig in Frage kommen, wie es sonst irgendwo geschehen ist. Selbst das wesentlich eine Anhäufung von Einzelarbeitern darstellende ἐργαστήριον fand wesentlich an den ökonomisch stark begünstigten Plätzen, wie Athen, Rhodos, Alexandreia usw., seine Stätte, und auch da stets als Annex kaufmännischer Betriebe oder eines Rentenvermögens. Denn wenn Ueberschüsse gewerblicher Fronleistungen oder unfreier Heimarbeit oder der Erzeugnisse von großen Hauswirtschaften fürstlicher oder halbfürstlicher »Oiken« auch nicht selten auf dem Markt erscheinen, so muß man sich natürlich sehr hüten, dies mit der Existenz von Sklaven»fabri ken« auf der Basis der Kaufsklaverei zu verwechseln. Selbst halbkapitalistische Gebilde, wie sie die Verwendung von Zwangsarbeit zur Schaffung von gewerblichen »Nebenbetrieben« seitens ganz großer Sklavenbesitzer oder des Monarchen darstellen, und welche ihren Typus in der Neuzeit in vielen russischen »Fabriken« des 18. und des ersten Drittels des 19. Jahrh. finden, können nur auf (faktisch) monopolitischer Basis bestehen und haben bestimmte Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen: billige Nahrung, Monopolpreise der Produkte, außer ihnen aber noch: billiger Sklavenpreis, und folglich sehr hohe, das Todesrisiko deckende Exploitationsrate (selbst bei Demosthenes und Aischines 30 bis 100%) mußten auch vorhanden sein, wenn die Verwendung von gewerblichen Kaufsklaven im ἐργαστήριον des Herrn dauernd möglich sein sollte: Auch dann blieben aber diese »Betriebe« meist auf höchstens einige Dutzende von Arbeitern beschränkt. Es fehlte das »stehende Kapital«, welches zur »Fabrik« gehört. Beliehen wurden die Sklaven, nicht die »Werkstatt«. Die Sklaven sind die Werkstatt, ihre Verpflegung durch den Herrn, nicht ihre Verwendung im konzentrierten »Betriebe« ist das Entscheidende. Die »Werkstatt« ihrerseits war Teil des »Oikos«, und alle jene so folgenschweren Rechtsentwicklungen, welche – viele Jahrhunderte vor Entstehung unserer »Fabriken« – die Trennung von Familienhaushalt und »Werkstatt«, von Privat-und Geschäftsvermögen schon im 13./14. Jahrh. begleiteten, blieben daher dem Altertum gänzlich unbekannt. (Es fehlen deshalb auch – mit wenigen charakteristischen Ausnahmen, speziell in der Staatspacht, – alle jene, das Perennieren des Betriebes, durch die wechselnden Schicksale der Vermögenszusammensetzung hindurch, sichernden »Unternehmungsformen«: Aktiengesellschaft u. dgl.) Die großbetriebliche Massenverwendung von Sklaven in Bergwerken, Steinbrüchen und bei öffentlichen Arbeiten ist fast gänzlich Verwertung ungelernter Arbeit. Die »unfreie Heimarbeit« trägt, als Spezies des Robottsystems, die ökonomischen Schwächen desselben an sich und es scheint fraglich, wie weit sie Zwecke der Marktproduktion diente. Pharaonen und Tempel verwendeten sie wohl wesentlich für Zwecke des Tempel-, Hof- und Staatsbedarfs, besonders natürlich, wenn das Rohmaterial vom Pharao (bzw. Tempel) importiert oder bergbaulich gewonnen war; daneben mag Marktverwertung des Produktes vorgekommen sein. Jedenfalls bedeutet auch sie, wo sie vorkam, eben Arbeit im eigenen kleinen (Familien-) Betrieb des Sklaven. Qualifizierte Sklavenarbeit im Großbetriebe ist etwas dauernd (auch außerhalb der wenigen großen Handelszentren) Normales nur in leitenden Stellungen, als Vorarbeiter oder Inspektor im Bergwerk oder in der Plantage, im Kontor, speziell bei der Kassen- und Rechnungsführung (der Möglichkeit der Tortur wegen) usw. Dieser Sklavenaristokratie pflegte aber dann, im eigensten Interesse des Herrn, die eigene (Quasi-) Familie (contubernium) und eigenes (Quasi-) Vermögen (peculium) konzediert zu werden; unter Umständen wurde ihnen selbst (so bei Plinius) die Respektierung ihrer Testamente gewährt und überdies fast immer die Chance des Loskaufs gegeben. Damit bildet diese Art der Sklavennutzung schon den Uebergang zu der Verwertung des gelernten, d.h. entweder schon vor seiner Versklavung (durch Krieg oder Bankerott) gelernt gewesenen, oder aber auf Kosten des Herrn in die Lehre gegebenen, Sklaven lediglich als Rentenfonds. Diese konnte entweder durch Vermietung als »Lohnwerker« geschehen, was massenhaft, oft unter Abwälzung des Risikos des Todes auf den Mieter, vorkam. Noch vorteilhafter, weil sie das Eigeninteresse des Sklaven in Bewegung setzte, war aber die Ausstattung mit einem peculium zwecks Etablierung als Handwerker oder Krämer auf seine eigene Rechnung. Der Herr bezog seine ἀποφορὰ und konnte sie innerhalb des Spielraums, den die Gefahr der Erschlaffung des Eigeninteresses des Sklaven gewährte, steigern, und er konnte überdies den Kapitalwert des Sklaven durch diesen selbst amortisieren lassen,