Beträge aus der Tasche des Kapitalisten selbst vorzuschießen, fehlte, daß die kraft politischer oder sakraler Autorität erhobenen Abgaben hier in die Bresche treten mußten. Hier hatte die Intervention eines privaten Unternehmers im wesentlichen nur den Sinn: Der Stadtstaat, welcher, im Gegensatz gegen die Pharaonenverwaltung, der erforderlichen Baubureaukräfte und (seit der Beseitigung der Bürgerfronden) auch der Zwangsarbeitskräfte entbehrte (mit Ausnahme der für solche Arbeiten nicht ausreichenden und meist anderweit – in den Kanzleien und Registraturen, in den Kassen, in der Münze, gelegentlich beim Wegebau – beschäftigten Staatssklaven), vergab die Organisation jener Bureau- und Arbeitskräfte gegen eine Unternehmerprämie an Private. Was ferner die Steuerverpachtung anlangt, so muß man sich gegenwärtig halten, daß auch sie in sehr vielen Fällen gerade diejenige Funktion des Privatkapitals nicht involviert, welche wir als ihm charakteristisch anzusehen gewohnt sind: die Bevorschussung. Die Steuerpächter zahlen oft ihre Haftsumme erst ein, nachdem sie alle, noch öfter, nachdem sie die entsprechenden Raten der Steuern erhoben haben; ja, wo der Staat Exekutivbeamte besitzt – z.B. in den ptolemäischen Revenue Laws –, erhebt der Pächter sie nicht einmal selbst, sondern der Staat erhebt sie, und die Pächter haften lediglich, nachdem die Naturalabgaben zu Geld gemacht sind, als Garanten für das etwaige Defizit, wie sie am Surplus profitieren. Hier ist der Zweck der »Verpachtung« offenbar nur: die Gewinnung einer festen Bar-Grundlage für das Staatsbudget durch Festlegung des Minimaleinkommens in Geld. Ist dies nun auch erst Produkt der hellenistischen Entwicklung des Steuerpachtwesens und haben die Steuerpächter oft die Pflicht wenigstens teilweiser Vorleistung übernommen, so zeigt doch jener Zustand, daß die oft hohen Pachtsummen nicht einfach auf eine entsprechend hohe private Kapitalakkumulation schließen lassen dürfen. Dagegen ist das Staatspachtsystem, vor allem auf dem Gebiete der Steuerpacht, natürlich ein wichtiges – sicher auch in Hellas eines der allerwichtigsten – Mittel der privaten Kapitalbildung. – 2. Zum bloßen »Schrittmacher« der privaten Kapitalbildung kann die Finanzwirtschaft aber erst da werden, wo ein Stadtstaat, der, als solcher, des eigenen bureaukratischen Mechanismus entbehrte, also den Staatspächter brauchte, als Herrscher über Domänen und über den Boden und die Tribute riesiger eroberter und unterworfener Gebiete verfügte. Dies war im Altertum in Rom in der republikanischen Zeit der Fall. Hier entwickelte sich daher, zweifellos von Anfang an im wesentlichen aus der Staatspächterschaft, eine mächtige Klasse privater Kapitalisten, welche in der Zeit des 2. punischen Krieges – der Zeitpunkt ist charakteristisch genug – den Staat nach Art moderner Banken als Geldgeber stützen, dafür aber auch schon während des Krieges ihm seine Politik vorschreiben konnte, deren Profitgier dann ein Reformer wie Gracchus, um sie zu gewinnen, Provinzen und Gerichte ausliefern mußte und deren Kampf mit dem Amtsadel, den er als Geldgeber ökonomisch »in der Tasche« hatte, das letzte Jahrhundert der Republik ausfüllt. Die Akme des antiken Kapitalismus war die Folge dieser Konstellation und der eigenartigen innerpolitischen Struktur des römischen Staates. – 3. »Erdrückend« endlich konnte das Finanzwesen antiker Staaten auf verschiedenen Wegen die Entwicklung privater Kapitalien beeinflussen: Zunächst trug die allgemeine politische Basis der antiken Staaten ganz allgemein zur Verstärkung der schon an sich, infolge der Art seiner Zusammensetzung, wie wir sahen, großen Labilität des Kapitalbestandes und der Kapitalneubildung bei. Die Steuerverfassung (Leiturgien der Besitzenden), die ganz rücksichtslos souveräne Verfügung der griechischen Polis, speziell der Demokratie, über das Privatvermögen ihrer Bürger (noch in der hellenistischen Spätzeit z.B. zu Kreditzwecken in einer Art, wie sie das Mittelalter nie gekannt hat: Verpfändung auch alles privaten Grundbesitzes durch die Stadt kommt vor), ferner die Konfiskationsgefahr bei jeder politischen Erschütterung und Parteiumwälzung in allen antiken Gemeinwesen, vollends die nicht seltenen gänzlich willkürlichen Vermögenseinziehungen in den Monarchien (der Boden von »halb Afrika« unter Nero) wirkten alle in der gleichen Richtung. Allein weit entscheidender als diese immerhin mehr akuten Katastrophen, welche einzelne Kapitalien oder den jeweiligen Kapitalbestand eines Gemeinwesens betrafen, war das Maß des Spielraums, den die Verwaltungspraxis dauernd den Profitmöglichkeiten des privaten Kapitals überhaupt und damit der Kapitalbildung gewährte. Dieser Spielraum hat sehr erheblich gewechselt. Er mußte in den antiken Monarchien grundsätzlich enger bemessen sein als in Republiken. Der antike Monarch und sein Staat sind stets Grundherren allergrößten Stils, teils in den Formen des Privatrechts, teils in der Form arbiträrer Herrschaft über unterworfene zinspflichtige Fremdvölkerschaften ohne garantiertes Bodenbesitzrecht. Das gleiche kann nun auch für die antike Polis zutreffen und traf, namentlich, in kolossalem Umfang auf die römische Republik zu. Während aber für die Polis ein solcher Besitz naturgemäß in erster Linie rein ökonomisches Ausbeutungsobjekt der wechselnden Gefolgschaften politischer Stellenjäger, und, natürlich, vor allem der Geldgeber der letzteren, war, und während daher in den Stadtstaaten, speziell Rom, gerade dieser öffentliche Bodenbesitz meist zu den Brutstätten privater kapitalistischer Ausnutzung (Abgabenpachtwucher, Bodenpachtwucher, Sklavenbetrieb, – je nach den Umständen), wurde, – mußte ein Monarch darin anders verfahren. Einerseits betrachtete er die Hintersassen seines Domaniums wesentlich mehr unter politischen Gesichtspunkten: als Stützen seiner dynastischen Machtstellung. Andererseits mußte er, im eigensten Interesse, sichere Renten weit höher einschätzen, als es die von kurzfristig gewählten Beamten geleitete Verwaltung republikanischer Gemeinwesen tat, denen und deren Gefolgsleuten der rasche Augenblicksgewinn im Vordergrund stand. Und es mußte, vor allem, seine Finanzpolitik eine mehr staatswirtschaftliche, politisch orientierte, auf dauernde Ausnutzung, also vorsichtige Schonung, der Leistungsfähigkeit seiner Untertanen gerichtete, sein, gegenüber der an kapitalistischen Privatinteressen orientierten Ausbeutungspolitik der Stadtstaaten. Daher ist nicht nur die Kleinpacht auf den monarchischen Staatsdomänen regelmäßig ganz vorwiegend, Großpacht und Sklavengroßbetrieb dagegen die Ausnahme: – wenn die römischen Kaiser für ihr Familiengut aus pekuniären Gründen die Großpacht vorzogen, so folgten sie doch bezüglich des staatlichen Domaniums der Regel. Sondern die Hauptsache ist, daß die »Krone« der Kapital verwertungsformen: die Steuerpacht, in republikanischen Staaten stets auf dem Sprunge steht, nach Art des mittelalterlichen Genua, den Staat zu einer Entreprise der Staatsgläubigerschaft und Staatspächterschaft zu machen. In den monarchischen Staaten dagegen ist sie stets unter Kontrolle gehalten, oft gänzlich oder nahezu gänzlich verstaatlicht, immer aber eingeengt in ihren Gewinnchancen, und also: ihrer Zeugungskraft für die Bildung von Privatkapitalien beraubt, meist aber direkt in die Bahn einer Kombination von bureaukratischer mit (relativ) kleinbetrieblich finanzierter Monopolverwaltung gedrängt. Dieser Prozeß der Kontrolle, Monopolisierung und Bureaukratisierung, oft direkt der Ausschaltung des privaten Kapitals, schritt in allen großen antiken Monarchien unaufhaltsam fort. Er erfaßte allmählich neben den Steuern und Domänen die Bergwerke, die politisch wichtigen Teile des Handels und der Schiffahrt (namentlich die Getreideversorgung), weiterhin die für den Bedarf des Hofs, der Armee, der Bauten und öffentlichen Arbeiten wichtigen Lieferungen, die Banken (in Form sowohl staatlicher wie kommunaler Monopolbanken, letztere z.B. in den hellenistischen Monarchien und Kommunen für allen Geldwechsel). Während also die Polis nur den, seiner inneren Konstitution nach, labilen Charakter der Privatkapitalien (weniger durch die fast immer vergeblich gebliebene Bekämpfung der Vermögensdifferenzierung im Interesse der Bürgergleichheit, als durch die im Wesen des antiken Parteikampfes und der antiken Kriegführung liegenden stets sich wiederholenden politischökonomischen Katastrophen aller Art) aufs höchste steigerte, dabei aber doch das stete Neuaufflammen der Kapitalbildung und des kapitalistischen Verwertungsstrebens bestehen ließ, – hungerte diese bureaukratische »Ordnung« der monarchischen Staatswirtschaft gerade die größten Privatkapitalien langsam aus, indem sie die wichtigsten Quellen des Profites verstopfte. Und wo dann, im Gebiete geschlossener Monarchien, einerseits die dem Altertum wie dem Mittelalter urwüchsige Ausbeutung des Landes durch die Stadt, und andererseits die expansiven Boden- und Menschenraubkriege ins Stocken gerieten, da mangelte auch die für die Expansion der kapitalistisch nutzbaren Sklavenarbeit unentbehrliche Ueberschwemmung der Sklavenmärkte mit billiger Menschenware und das kapitalistisch exploitierbare Neuland. Mit dem durch alles dies herbeigeführten Stagnieren und Abschwellen des Kapitalbildungsprozesses ging dann regelmäßig die (neuerdings namentlich von Rostowzew sehr zutreffend gekennzeichnete)