Max Weber

Gesammelte Beiträge von Max Weber


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und so den »Hort« aufspeichert, diese unentbehrliche Grundlage aller primitiven, – der Nibelungen- ebenso wie der mykenischen, jüdischen (s. das Unterbinden der Hortbildung durch die Theokratie im Deuteronomium), persischen, indischen – »Könige«. Daran schließt sich die ökonomische Unterwerfung der Bauern: Die Josephlegende, Genesis 47, 15-26, stellt den Vorgang: – Getreidedarlehen zum Konsum und zur Saat in Notjahren gegen Hingabe von Vieh, Boden und Person in die Schuldknechtschaft und Rückempfang zu Kolonenrecht gegen Ernteanteil – in typischer Form dar. Ob dann weiter eine Entwicklung zu dem Zustande ad 3 (»Adelspolis«) oder ad 4 (Bu reaukratisches Stadtkönigtum) sich einstellt, ist offenbar (s.u.) von verwickelten teils geographischen, teils rein historischen Bedingungen abhängig. Naturgemäß steht aber innerhalb beider Typen im allgemeinen das Maß direkter Inanspruchnahme der Arbeitskräfte der Untertanenschaft, sei es in »grundherrlicher«, sei es in »staatlicher« Form, für die Bedarfsdeckung, sei es der herrschenden Geschlechter, sei es des königlichen Oikos, in umgekehrter Korrelation zu der Entwicklung des privaten Binnentausch-Verkehrs. Soweit aber Abgaben die Grundlage der Herrschaft bilden, stehen beide dem Bodenverkehr an sich neutral gegenüber. Erbanwartschaftsrechte und – im Adelsstaat: grundherrliche, – im Königsstaat: militärisch bedingte – Bindungen des Bodenverkehrs sind natürlich überall vorhanden. Aber der bureaukratische König (Nr. 4) kann nach Ausbildung seines ihm persönlich »gehörigen« Heeres und des Beamten- und Abgabensystems die Freiheit des Bodenverkehrs leicht ertragen. Die adeligen Geschlechter wünschen sie für den Bauernbesitz, da ihre Position auf dem Bodenwucher mit beruht. Aber der adelige Besitz ist (faktisch oder rechtlich) durch Bildung der Adelssippe (gens) gebunden. Der Despot hat dagegen – wie noch Napoleon zeigte – ein politisches Interesse daran, daß ohne eine von ihm ausgehende spezielle Verbriefung sich keine auf Bodenbesitz gegründeten patrimonialen Herrschaftsrechte bilden können. Der »Tyrann« schränkt daher oft die Bodenakkumulation, wo sie droht, ein (Hellas), läßt dagegen die Parzellierung, wo sie sich vollzieht (Orient), gewähren.

      Aus dem 4. Typus: dem bureaukratischen Stadt-oder Stromufer-Königtum, welchem das Heer und die Beamten als Leibeigene »gehören«, und die »Untertanen« Robot und Tribut schulden, entwickelt sich mit zunehmender Rationalisierung der staatlichen Bedarfsdeckung:

      5. der autoritäre Leiturgiestaat, der planmäßig die Deckung der Staatsbedürfnisse durch ein kunstvolles System von öffentlichen Lasten erstrebt und die »Untertanen« als reine Objekte behandelt. Ihrem formalen Wesen nach sind jene Lasten 1. direkte Robot für den Hof- und Staatsbedarf, – 2. auf dieser Robot und auf Zwangsrechten verschiedener Art aufgebaute Monopole, – 3. Abgaben, und zwar oft ganz überwiegend Geldabgaben oder geldwerte Vermögensleistungen, die aber durch ein System von Zwangsbürgschaften für den richtigen Eingang jenen charakteristischen funktionsgebundenen Zug bedingen, der den orientalischen Despotien so oft eignet. Die »Verkehrsfreiheit« lehnt dieser Staat, soweit sie seine fiskalischen Zwecke nicht stört, nicht ab, – im Gegenteil, er begünstigt sie direkt, wo immer er durch Besteuerung an ihr fiskalisch profitieren kann. – Es pflegt dieser »aufgeklärte« Despotismus der orientalischen Antike sich ohne Bruch, nur durch seine rationalere Organisation unterschieden, aus den primitiveren Formen des bureaukratischen Stadtkönigtums zu entwickeln. Dagegen verbinden die untereinander allerverschiedensten Uebergangsstufen den 3. Zustand (»Adelspolis«) mit:

      6. dem Typus der »Hoplitenpolis« in den antiken Mittelmeerländern. Die Herrschaft der »Geschlechter« über die Stadt, der Stadt über das platte Land ist (formal) gebrochen. Die Wehrpflicht ist (relativ) demokratisiert durch die Herrschaft des Hoplitenheeres, sie und damit das politische Vollbürgerrecht ruht auf dem Grundbesitz schlechthin, das Heer ist ein sich selbst equipierendes Bürgerheer. – Ihre Fortentwicklung ist:

      7. die demokratische Bürgerpolis: Die Wehrpflicht und damit das Vollbürgerrecht ist vom Grundbesitz emanzipiert und es besteht die Tendenz (welche freilich selbst in den Zeiten der radikalsten attischen Demokratie z.B. in der Amtsqualifikation niemals wirklich voll durchgeführt ist) zur Zulassung aller (in den Seestädten) zum Flottendienst (der so gut wie keine Kosten der Selbstequipierung voraussetzt) Qualifizierten und das heißt: aller Bürger schlechthin, zu den Staatsämtern, unter zunehmender Ignorierung der Unterschiede des Besitzausmaßes.

      In der Hoplitenpolis (Nr. 6) bildet die freie spann fähige Bauern- oder richtiger vielleicht: Ackerbürgerschaft den Kern des Heeres. Der Verkehr, speziell der Bodenverkehr, ist in ihr nicht ungebunden. Die sog. »Gesetzgebungen«, welche für die Konstituierung der Hoplitenpolis typisch sind, suchen prinzipiell ein allgemein zugängliches, festes Recht zu schaffen und, um den Klassenkampf zwischen Gläubigern (Adel) und Schuldnern (Bauern) zu schlichten, die Klassenbildung zu stabilisieren. Der Boden ist daher nicht nur durch Sippenrechte, sondern durch das militärische Interesse: ein Maximum wehrfähiger Hopliten zu tragen, gebunden (eine Art »Bauernschutz« seitens der Polis), die Ausdehnung des Großbesitzes direkt oder indirekt (Boden- oder Sklavenbesitzschranken, Beseitigung des alten Schuldrechts) gehemmt. – Dabei zeitigt das Streben, die Differenzierung der Bürgerschaft zu hemmen, mannigfache »stadtwirtschaftliche« Bestimmungen. Aber: das Interesse der Geldbesitzer und der anschwellenden städtischen Klassen treibt vorwärts, und spätestens mit dem Uebergang zur demokratischen Bürgerpolis wird der Boden der ganz oder doch fast ganz freien Disposition unter Lebenden und von Todes wegen unterstellt. Dieser Zustand als Unterlage der agrarischen Verhältnisse liegt für uns im vollen Licht der geschichtlichen Quellen. Was ihm vorhergeht, ragt in den verschiedensten Resten, von so extremen Fällen wie Sparta bis zu den spärlichen Resten leiturgisch (z.B. mit Wegebaulasten usw.) belasteter Aecker in der spätrömischen Republik, in die für uns im vollen Sinn des Wortes »historischen« Agrarzustände hinein. In der »klassischen« Polis hat die Gesetzgebung bewußt die Institute des »Mittelalters« ekrasiert: Es kann kein Zufall sein, daß das private Agrarrecht der historischen Zeit im Orient (s. oben) und Okzident nicht nur keinerlei fideikommissarische Bindung des Bodens, sondern auch keine privatrechtliche Form der Belastung von Boden mit Fron- oder Rentenlasten kannte, überhaupt keine anderen Grundbelastungen außer 1. der Pfandhaft, 2. den absolut unentbehrlichen Wasser-und Wegeservituten, – während doch die Möglichkeit der Belastung des Bodens mit Fron- und Erbpachtslasten überall der öffentlichen Gewalt möglich blieb, – daß ferner neben allen gemeinwirtschaftlichen Besitzformen (Allmende), auch alle Arten herrschaftlicher Bodenleihe – außer der nackten beiderseits kündbaren Geld- oder Teilpacht – und alle rechtlichen Schranken der Bodenparzellierung im Erbgang sowohl wie außerhalb desselben auf dem Gebiet des privaten Agrarrechts beseitigt sind. – Nun greift die kapitalistische Entwicklung ein: An Stelle der verschwindenden Schuld- tritt die Kaufsklaverei. Die Entwicklung der Bodenbesitz- und Betriebsverhältnisse unter ihrem Einfluß und zugleich unter dem Einfluß der politischen Peripetien des Stadtstaates bildet das Thema der Agrargeschichte der »klassischen« Zeiten. Sie hat im wesentlichen überall von dem Sinken der in der »Hoplitenpolis« hochgekommenen freien grundbesitzenden, spannfähigen Bauernschaft und dem Vordringen von Sklaven- oder von Parzellenpächterbetrieben, parallel mit dem Vordringen entweder des Soldheeres oder (in Rom) des cäsaristischen Proletarierheeres, zu berichten. –

      Steht der freie kündbare Pächter und der Sklave am Ende der »klassischen« Epochen – ersterer von vorwiegender Bedeutung im Osten, letzterer als Landarbeiter im Okzident vorwiegend, – beide übrigens, ohne je die Alleinherrschaft gegenüber dem fast überall, oft in recht kompakten Massen und in der Ueberzahl, sich erhaltenden selbstwirtschaftenden Eigentümer zu gewinnen, – so tritt nun in den Zeiträumen nach der endgültigen Ablösung des Stadtstaates durch die universelle Militärmonarchie eine Erscheinung langsam immer mehr in den Vordergrund, welche anscheinend etwas gänzlich Neues ist: die ländliche Grundherrschaft. An die Scholle – zugunsten, aber (wohlgemerkt) in gewissem Sinn damit auch zulasten – des Herrn gebundene Kolonen mit (mehr oder minder) traditionell gebundenen Pflichten und Ansprüchen; die Grundherren als Ortsobrigkeit; die Staatslasten, speziell Steuern und Rekrutengestellung als Lasten dieser Grundherrschaften; Immunitäten verschiedenen Umfangs zu ihren Gunsten, – das sind Erscheinungen, welche die »Bürgerpolis«