Bewässerung: mit jeder Neusiedelung ist die Anlage eines Kanals verbunden, der Boden in spezifischem Sinne Arbeitsprodukt; die Stelle der relativ individualistischen Rodung im Urwald vertritt hier der notwendig in irgendeiner Form gemeinwirtschaftliche Kanalbau. Im letzten Grunde hierin ist das ökonomische Motiv der, ähnlich wie in Aegypten (s.u.), auch hier übermächtigen Stellung des Königtums zu sehen. Schon Inschriften aus dem ältesten (»sumerisch-akkadischen«) Kulturzentrum wimmeln von Kanal- und Bewässerungsfragen, und im assyrischen Nordland ist es später nicht anders. Alle möglichen Deich- und Kanalfronden auf der einen Seite, zahlreiche königliche Aufseher auf der anderen lenkten das alte Stadtkönigtum alsbald in die Bahn bureaukratischer Verwaltung. Im Kriege erobern die Könige von Babel und Assur, – namentlich diejenigen des letzteren, eines expansiven Raubstaates, – vor allem regelmäßig Eins: Untertanen, welche alsdann einen neuen Kanal für eine neue Stadt zu graben haben und in dieser, mit zeitweiligen Fronden- und Abgabeprivilegien, angesiedelt werden, um demnächst die Einnahme- und Machtquellen des Königs zu vermehren. Die Assyrerkönige der Eroberungszeit heben hervor, daß die Unterworfenen »Tribut und Steuern zahlen gleich den Assyrern«, – welche also auch ihrerseits als Besitzobjekt des Königs gelten. Das ist nicht das Ursprüngliche und auch später nicht voll durchgeführt. Die Stadt Babel beruft sich in einem Schreiben an den Assyrerkönig auf Privilegien, die ihr von dessen Vorfahren erteilt worden seien (Immunitäten bestimmter Art, vor allem ein sehr günstiges Fremdenrecht im Interesse des Handels). Auch andere Städte haben garantierte Privilegien. Es kommt vor, daß die »Aeltesten«, etwa von Babel und Sippar, zur Beratung über einen Tempelbau zusammenberufen werden, wie auch der Assyrerkönig die »Edelen und Bürger« der Assyrer nach Erbauung seines neuen Palastes darin bewirtet. Aber den Grundcharakter alteriert das nicht mehr.
Die Wirtschaft des Königs ist ein die Privatwirtschaften überragender Oikos. Er wird gespeist 1. aus den Domänen des Königs und seinem umfangreichen Leibeigenen- und Hörigenbesitz – der Sumererkönig hat, ebenso wie offenbar alle späteren Könige, eigene Hirten –, 2. aus den a) Fronden und b) Naturalabgaben der Untertanen. Wie sich in den einzelnen Zeiträumen die Bedarfsdeckung auf Domänen (bzw. Eigenbesitz an Vieh) und Tribute verteilt hat, ist unsicher. Für die Feldfrüchte überwiegen wohl – im Gegensatz vielleicht (wenigstens in der Frühzeit) zum Vieh – die letzteren. Ebenso ist das Verhältnis von Sklavenbesitz des Königs und Untertanenrobot unsicher, – aber wohl auch ziemlich flüssig. Das liegt in der Sache begründet: Ganz wie die Pharaonen haben schon die sumerisch-akkadischen Stadtkönige mit Regulierung der Robot, Fürsorge für Speise und Trank der requirierten Arbeiter und für die ihnen zu gewährenden Naturalgratifikationen unausgesetzt zu schaffen. Der König hat die allerverschiedensten Speicher (Wagenhaus, Getreidehaus, Rinderhaus, Gewürzhaus, Schatzhaus usw.) und Werkstätten. Der sumerische König läßt Gold importieren und verarbeitet es zu einem Prunkköcher in eigener Werkstatt, Steine werden gebrochen und in eigener Werkstatt Statuen daraus hergestellt, vor allem alles für die Bauzwecke des Königs in eigener Regie bereitet, dazu Holz von weither importiert. Es sind offenbar um die Königsburg herum mit Grundstücken angesiedelte und zur Robot verpflichtete Handwerker, die ihm dabei als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die Assyrerkönige benutzen später für ihren kolossalen Baubedarf nebeneinander die Kriegsgefangenen und ihre einheimischen robotpflichtigen Handwerker, letztere für die feineren Arbeiten. Sanherib rühmt sich technischer Neuerungen in der Bronzeplastik und macht sich über seine Vorfahren lustig, die »in ihrem Unverstand .... alle Handwerker stöhnen ließen«. Eine sichere Grenze zwischen Königssklaven und robotpflichtigen politischen Untertanen bestand also offenbar nicht. – 3. Der Sumererkönig hebt »Bootsleute und ihren Kapitän« aus und dediziert sie dem Tempel: Eigenhandel selbst zu treiben scheint der König also damals nicht geneigt gewesen zu sein. Daß er es aber ursprünglich tat, erscheint zweifellos, und daß in Form eines stetigen »Geschenk«-Austausches mit fremden Fürsten dieser Eigenhandel noch 1000 Jahre später bestand, ist bekannt. Sicherlich ist gerade die Monopolisierung des Zwischenhandels an den Strommündungen die älteste Grundlage der Machtstellung der Stadtkönige des Südlandes, welches deshalb der älteste Träger königlicher »Oiken« war, wie die Deltagegend in Aegypten. – 4. Namentlich in Assyrien flossen dem Tresor des Königs Mittel zu aus der Beute der, auf der Höhe der Macht alljährlich, unternommenen Raubkriege.
Als eines der wichtigsten staatlichen Machtmittel, speziell als Reservefonds zu Anleihezwecken, haben hier, wie im ganzen orientalischen und auch im hellenischen Altertum, die Tempelschätze gedient. Die Speisung dieser Schätze, die Fixierung der Kasualien und (speziell: Ehe-)Gebühren und die Verfolgung von Winkelpriestern (»Zauberern«) und Ketzern zugunsten des Monopols des anerkannten Gottes ist eine Angelegenheit schon der sumerisch-akkadischen Stadtkönige. Der König schuf freilich so, durch die Entstehung von großen Edelmetall- und Naturalienvorräten, auch Grundbesitz, in den Händen der Tempelpriesterschaft eine ökonomische Macht, welche ihm eventuell gefährlich werden konnte und welche tatsächlich weiterhin mit den weltlichen Lehensträgern und Beamten fast überall in einen wechselvollen Interessenkampf um die Beherrschung des Thrones und die Ausbeutung dieser Herrschaft getreten ist. Die Priestergeschlechter verhalten sich sozial, wo sie die Macht haben, nicht anders als die Stadtgeschlechter in Althellas. Das alte lokale Stadtkönigtum der Zeit vor Hammurabi hat fortwährend einerseits gegen Gebührenüberforderung, Verschuldung und Besitzberaubung der »Armen« durch die Priester zu kämpfen. Andererseits muß es die Beamten 1. an Ausbeutung der Fronpflicht der Untertanen im eigenen Interesse, 2. an Verkürzung der bei Ableistung der Robot zu gewährenden Kost, 3. an Preisdruck beim Abkauf ihrer Produkte oder direkten Zwang zum billigen Verkauf (speziell von Vieh) an die »Großen« hindern, – letzteres durch Feststellung von Preistarifen. Wenn ein Sumererkönig von sich sagt, er habe die »Freiheit eingesetzt« und »die ehemals bestehende Leibeigenschaft« beseitigt, so ist damit wohl nur gemeint: 1. die Herabsetzung oder der Erlaß gewisser öffentlicher Fronden (»in dem Gebiet von X war fortan kein Aufseher mehr«), 2. wohl auch die Beseitigung privater Aneignung des Rechts auf solche, vor allem aber immer wieder 3. der Schutz der »Armen« durch Sicherung konstanter Rechtssprechung, und des bäuerlichen und kleinbürgerlichen Erwerbes und Besitzes gegen willkürliche Eingriffe, – in welchem speziellen Sinn letzteres, bleibt zweifelhaft (s.u.). Namentlich das Drückende des Verlangens der »Großen« (d.h. der Beamten und der großen Besitzer, weltlicher oder, unter Umständen, Priester-Geschlechter), daß der dem Staat oder dem weltlichen oder geistlichen Adel verschuldete (dies heißt: »leibeigene«) Kleinbesitzer bares Geld zahlen solle, wird erwähnt. Die ökonomische Situation ist also wohl ziemlich ähnlich wie in Hellas in der Zeit vor den »Gesetzgebungen«: – die übermächtige Stellung der Priesterschaft und die bureaukratische Staatsorganisation bilden den entscheidenden Unterschied. Der König sucht – wie der griechische »Tyrann« (wenigstens in Althellas) – sich die Sympathie der Bauern und Kleinbürger zu sichern. Aber: bei allem Kampf mit den Beamten bedarf der König des bureukratischen Apparates, und trotz des Kampfes mit den Priestern ist ihm die Legitimität unentbehrlich, welche nur entweder durch Apotheose (Aegypten) oder göttliche Bestätigung zu erlangen ist. Reine Militärkönige auf Eroberungsgebiet (Assyrien) suchten sich der Priesterkontrolle wohl erfolgreich zu entziehen. Alte »Kulturstaaten« duldeten das schwerer. In Babylon, wo die Theokratie weit ausgeprägter war als in dem assyrischen Militärstaat, gilt der König als göttlicher Lehnsmann (alljährliche Neuinvestitur!).
Zu den Abgaben der Untertanen gehören von jeher, soweit wir sehen können, mehrere wohl kaum sicher zu unterscheidende Getreideabgaben, später nach rechtlichen und Qualitäts-Bodenklassen abgestuft, ebenso jedenfalls Naturalabgaben von allen übrigen Produkten, von anscheinend sehr bedeutender Höhe: – die Pachtverträge pflegen über ihre Zahlung Bestimmungen zu enthalten. (Bruchstücke von Katasterkarten sind erhalten.) Ferner eine anscheinend auch von Freien, jedenfalls von Frauen [vielleicht ursprünglich: von allen nicht Wehrfähigen] erhobene Kopfsteuer. Daneben finden sich später einzelne Verkehrsabgaben, so von Sklaven- und Grundstücksverkäufen. Wo eine Kontraktbruchsbuße an den Staat vereinbart wird, scheint dies in der älteren Zeit noch die Leistung von Fronden an den König gewesen zu sein: Strafarbeit als Rest des Fronkönigtums. Zu den Leiturgien, die auf dem Boden ruhten, gehörte auch die Gestellung von Kriegern (in der Perserzeit durch Stellvertretung