mit der Glückseligkeit, und das mit gutem Grunde. Denn keine Tätigkeit ist vollkommen, wenn sie gehemmt ist; die Glückseligkeit aber trägt den Charakter des Vollkommenen. Darum bedarf der Glückselige auch der leiblichen wie der äußeren Güter und des äußeren Glückszustandes, um in diesen Beziehungen nicht gehemmt zu sein. Wer aber behauptet, ein Mensch auf der Folter oder inmitten schwerer Schicksalsschläge sei glückselig, wenn er nur ein tüchtiger Mensch sei, redet mit Willen oder wider Willen sinnloses Zeug.
Weil nun die Glückseligkeit auch der äußeren Glückslage bedarf, so halten manche Äußere Glückslage mit der Glückseligkeit für dasselbe. Das ist sie nun doch nicht. Ist sie übermäßig groß, so kann sie geradezu ein Hindernis bilden, und vielleicht ist es dann auch nicht mehr gerechtfertigt sie ein Glück zu nennen; denn nur in seiner Bedeutung für die Glückseligkeit liegt das entscheidende Merkmal des Glücks.
Wenn ferner alles, Tier und Mensch, die Lust begehrt, so ist das eine Art von Beweis, daß die Lust in gewissem Sinne das Beste ist:
Nicht wird völlig zunichte das Wort, das im Munde der vielen Massen lebt....
Da aber nicht für alle dieselbe Naturbeschaffenheit noch dieselbe geistige Haltung die beste ist oder allen als die beste erscheint, so begehren zwar nicht alle dieselbe Lust, aber Lustbegehren alle. Vielleicht suchen sie nicht die Lust, die sie zu suchen meinen, noch die, die sie zu suchen bekennen würden, und doch suchen sie alle dieselbe Lust. Denn alle Wesen haben von Natur etwas Göttliches. Wenn die sinnlichen Lustempfindungen den Namen der Lust als ihr besonderes Eigentum bekommen haben, so ist der Grund der, daß die Menschen so häufig ihnen zusteuern und alle an ihnen teilhaben. Weil sie mithin die einzigen sind, die die Menschen kennen, halten sie sie für die einzigen, die existieren.
Offenbar folgt aber auch das, daß wenn Lustgefühl und Tätigkeit kein Gut ist, das Leben der Glückseligen nicht ein Zustand der Freude sein könnte. Denn wozu bedürfte er ihrer, wenn sie doch kein Gut ist, und es möglich ist, daß er geradezu im Zustand des Schmerzes lebte? Gilt es von der Freude, daß sie weder ein Übel noch ein Gut ist, so gilt es auch vom Schmerz. Warum sollte er ihn also meiden? Es wäre mithin das Leben des Edelgesinnten gegenüber dem des Niedriggesinnten auch nicht das an Freuden reichere, wenn nicht auch seine Tätigkeiten die beglückenderen wären.
3. Edle und niedere Gefühle
Wenn man nun behauptet, daß es gewiß Lustgefühle gibt, die in hohem Grade begehrenswert sind, wie etwa die edlen, dagegen nicht die sinnlichen, nicht die mit denen sich der Ausschweifende befaßt, so hat man damit die Aufgabe, den Wert der sinnlichen Genüsse genauer zu untersuchen. Warum sind eigentlich die zu diesen Genüssen im Gegensatz stehenden Unlustgefühle dann etwas Schlechtes? Den Gegensatz zum Schlechten bildet doch das Gute. Oder sind die für das Leben nötigen Lustgefühle schon deshalb etwas Gutes, weil auch das was nichts Schlechtes ist, etwas Gutes ist? oder sind sie nur bis zu einer gewissen Grenze etwas Gutes? Denn bei den Beschaffenheiten und auch kein Übermaß des Lustgefühls; wo aber jenes Übertreiben möglich ist, Prozessen, bei denen es kein Hinausgehen über das Rechte gibt, gibt es da ist es auch für das Lustgefühl möglich. Nun gibt es bei dem was dem Körper gut ist ein Übermaß, und die niedrige Gesinnung besteht gerade darin, daß man dieses Übermaß und nicht bloß das Notwendige begehrt. Denn an Speise, Trank und Geschlechtsgenuß haben irgendwie alle ihre Lust, nur nicht alle im rechten Maß. Das Entgegengesetzte gilt vom Schmerz. Der niedrig Gesinnte meidet nicht das Übermaß, sondern den Schmerz überhaupt. Denn nicht zum Übermaß der Lust bildet der Schmerz den Gegensatz, es sei denn für den, der eben diesem Übermaß nachjagt.
Es ist aber nicht bloß geboten die Wahrheit hinzustellen, sondern auch den Grund des Irrtums aufzuzeigen. Denn das trägt dazu bei, Überzeugung zu bewirken. Wenn es verständlich gemacht wird, auf welchem Wege das was nicht wahr ist den Schein der Wahrheit erlangt, so erreicht man dadurch eher die Überzeugung von der Wahrheit. Wir müssen deshalb die Gründe angeben, weswegen die sinnlichen Lustgefühle sich als die begehrenswerteren darstellen.
Der erste Grund ist der, daß sie die Unlust austreiben. Wird man von Unlust im Übermaß heimgesucht, so sucht man Lustgefühle im Übermaß und sinnliche Lust überhaupt, weil man in ihr ein Heilmittel findet. Heilmittel nun müssen kräftig sein, und deshalb begehrt man sie, weil sie ihrem Gegenteil das Gleichgewicht zu halten scheinen. Dies sind die beiden Gründe, weshalb die Lust wie bemerkt als etwas nicht Edles erscheint, erstens weil manche Lustempfindungen Auswirkungen einer niedrig gearteten Natur sind, seien sie nun angeboren, wie bei den Tieren, oder angenommen, wie bei niedrig gesinnten Menschen; zweitens weil andere als Heilmittel dienen, also auf einen Mangel hindeuten, und weil in rechter Verfassung sich befinden besser ist als in die rechte Verfassung erst gelangen; ferner weil manche Lustempfindungen sich einstellen, indem wir zu einem befriedigenden Zustand zurückkehren, also wertvoll nur sind unter besonderen Umständen. Es sind ferner Menschen, die sich an anderen Arten der Lustempfindung nicht zu erfreuen vermögen, die ihnen nachjagen, weil sie besonders intensiv sind. So gibt es Menschen, die sich ausdrücklich ein Gefühl von Durst nach Genüssen zu verschaffen suchen. Ist solches Gefühl unschädlich, so ist dabei nichts Tadelnswertes; aber verwerflich ist es, wenn es schädlich wirkt. Solche Leute kennen nichts anderes, was ihnen Freude macht, und den meisten ist dem Gesetz der Natur gemäß ein solcher Zustand schmerzlich, wo sie weder Lust noch Unlust empfinden. Denn was lebt ist immer in Arbeit; behaupten doch die Biologen, daß schon das bloße Sehen und Hören Mühe bereitet, nur daß wir wie sie meinen daran gewöhnt sind. Ähnlich geht es in der Jugend zu, wo der Mensch infolge des Wachstums wie im Rausche sich befindet, und jung zu sein ist an sich schon eine Quelle der Freude. Dagegen bedürfen heftige Naturen beständig eines Heilmittels. Ihr Leib ist infolge ihres Temperaments unausgesetzt im Zustande der Reizung und beständig in übergroßer Erregung. Ein Lustgefühl nun verdrängt den Schmerz, ein dem Schmerz entgegengesetzes, aber auch jedes andere, wenn es nur stark genug ist; infolgedessen greifen die Menschen zu Ausschweifungen und nehmen ein niedriges Wesen an.
Lustgefühle ohne vorangegangenen Schmerz lassen ein Übermaß nicht zu; sie gehören zu dem, was von Natur und nicht bloß unter besonderen Bedingungen Lust bereitet. Unter dem was nur unter besonderen Bedingungen Lust bereitet verstehe ich das was als Heilmittel gegen die Unlust dient. Dergleichen gilt als Quelle von Lust, weil dadurch unter Mitwirkung dessen was am Organismus gesund geblieben ist die Heilung eintritt. Von Natur eine Quelle der Lust ist dagegen, was eine Tätigkeit einer solchen gesunden Naturanlage hervorruft.
Es ist aber nicht immer eins und dasselbe, was uns Freude bereitet; denn unsere Natur ist nicht einfach, und es ist noch ein zweites in uns vorhanden, was der Grund unserer Vergänglichkeit ist. Ist also das eine Element in uns tätig, so läuft es wider die Richtung des anderen Elements; sind sie aber beide im Gleichgewicht, so gewährt das Ergebnis weder Lust noch Unlust. Wäre dagegen die Natur eines Wesens einfach, so würde diesem eine und dieselbe Betätigung ewig die seligste sein. Darum besteht Gottes Seligkeit ewig in einer einzigen und einfachen Freude. Denn es gibt eine Betätigung nicht nur in der Bewegung, sondern auch in der Freiheit von Bewegung, und die Seligkeit liegt mehr in der Ruhe als in der Bewegung. Veränderung sagt der Dichter erfreut mehr als alles; das beruht auf einem Fehler in unserer Anlage. Wie ein schlechter Mensch die Veränderung liebt, so liebt sie auch die Naturanlage, die der Veränderung bedarf; denn sie ist nicht einfach und auch nicht, wie sie sein soll. / Wir schließen damit unsere Ausführungen über Selbstbeherrschung und Mangel derselben, über Lust und Unlust. Was jedes derselben ist, in welchem Sinne das eine darunter ein Gutes, das andere ein Schlechtes ist, haben wir dargelegt. Im folgenden bleibt uns noch über die Gemeinschaften der Menschen zu handeln.
III. Teil. Die menschlichen Gemeinschaften
1. Die Bestimmung des Menschen zur Gemeinschaft