ich wissen.
Die junge Frau wandte mir ihr Gesicht zu und um ihren Mund spielte ein sonderbares Lächeln. „Rasad und Ifrit sind mir gute Gefährten. Sie sind treu und klug, und die Jagd mit ihresgleichen hat eine lange Tradition.“
„Diese Aasfresser haben im Allgemeinen keinen sehr guten Ruf“, wandte ich ein.
Ihre Augen blitzten. „Effendi, ihr Franken nennt den Löwen edel und die Hyäne feige. Doch es sind meist die Löwen, die diese von euch so genannten Aasfresser von ihrem Riss vertreiben und sich den Bauch mit fremder Beute vollschlagen, weil sie die Stärkeren sind.“
Ich musste ihr im Stillen Recht geben, aber so richtig anfreunden konnte ich mich mit ihren Jagdgefährten dennoch nicht – sie waren einfach zu hässlich. Und unheimlich, wie ich mir eingestand.
Einer Antwort wurde ich enthoben, denn der scharfäugige Halef, der vorausgeritten war, drehte sich um. „Sihdi, ich glaube, ich erkenne das Lager der Uëlad Sebira!“
Und richtig, vor uns hoben sich die Silhouetten von ein paar Dutzend Zelten gegen den Nachthimmel ab, und wir konnten auch einige Lagerfeuer flackern sehen, in deren Schein Pferde und auch einige Kamele dösten. Nicht weit entfernt blökte ein Schaf, und Halef schnüffelte. „Hamdullilah, Sihdi, ich rieche den Duft gebratenen Hammels!“, meinte er und rieb sich erwartungsvoll über den Bauch.
Die Hyänen waren uns derweilen vorausgeeilt und hatten das Lager mit ihrem heiseren Jaulen von unserer Ankunft unterrichtet. Achmed es Sallah, der Scheik der Uëlad Sebira, hieß uns persönlich vor seinem Zelt willkommen und bat uns hinein. Er war ein Mann in den besten Jahren mit graumeliertem Bart und einem strahlend weißen Burnus, und wie es die Gastfreundschaft erforderte, bewirtete er uns zunächst einmal mit süßem schwarzem Tee und zu Halefs großer Freude mit Hammelpilaw. Erst als Gebäck und Datteln gereicht wurden, kam er zur Sache. Dass Asifa ganz selbstverständlich im Kreis der Männer saß und von ihnen respektvoll mit Binti Riih angeredet wurde, zeugte von ihrer besonderen Stellung in dieser Beduinengesellschaft, in der das Wort von Frauen im Allgemeinen wenig gilt.
„Effendi, der Ruhm deiner Weisheit ist bis in unsere Zelte gedrungen, und als die Binti Riih erfuhr, dass euch eure Schritte in diese Gegend führen, erbot sie sich, euch unsere Gastfreundschaft anzubieten. Denn wir brauchen deinen Rat, ein Fluch hat uns getroffen. Und falls du nicht nur ein großer Gelehrter, sondern auch ein Magier bist …“
„Mein Sihdi könnte der größte Magier von allen sein, wenn er nur wollte“, fiel Halef ein. „Aber meist findet er es unter seiner Würde, seine magischen Fähigkeiten einzusetzen, und löst Rätsel lieber mit der Schärfe seines Verstandes.“
Ich warf dem Kleinen einen tadelnden Blick zu. Dann wandte ich mich wieder dem Scheik zu. „Erzähl mir von dem Fluch.“
„Herr, du hast Asifas Stute gesehen, sie stammt von meinem berühmten Hengst Falasch2, ein Pferd, wie es Allah nur alle hundert Jahre einmal erschafft. Nun hat auch ein reicher Heilkundiger namens Iskander vom Ruhm meines Hengstes gehört. Die Leute sagen, der Mann stamme von einem einäugigen Riesen ab, dessen Schädel den Eingang seines Zeltes bewacht, deshalb wird er auch Abu Sikulus3 genannt. Er wollte Falasch unbedingt kaufen, doch ich weigerte mich. Daraufhin prophezeite er mir, sämtliche Nachkommen meines Hengstes würden sein Zeichen tragen … und sieh her …“
Er nickte zweien seiner Männer zu, die aufstanden und kurz darauf mit einer Decke zurückkehrten. Der Scheik schlug sie auf. Darin lag ein wunderschönes schwarzes Fohlen mit seidigem schwarzem Fell und langen schlanken Beinen.
„Maschallah!“, entfuhr es Halef. „Welch ein Unglück!“
Mitten auf der Stirn des Fohlens prangte ein einziges, großes Auge.
„Wir haben es töten müssen, denn sein Fluch hat sich bewahrheitet!“ Der Schmerz über den Verlust des Fohlens war dem Scheik anzuhören.
„Hm.“ Ich runzelte nachdenklich die Stirn. „Solche Missbildungen kommen vor. Es könnte Zufall sein …“
Achmed es Sallah schüttelte den Kopf. „In unseren Herden sind seit dem letzten Regen auch mehrere Zicklein und Lämmer mit diesem Zeichen geboren worden. Es ist ein Fluch! Und Abu Sikulus hat mir einen Boten geschickt, als er von dem Füllen hörte. Er wiederholte sein Kaufangebot, aber zu einem deutlich geringeren Preis, da er dem Hengst zunächst den Scheitan austreiben müsse, der in ihn gefahren sei. Er hält morgen eine Mawaaid5 im Wadi Messuwar ab und hat mir bis dahin Bedenkzeit gelassen.“
Während der Scheik sprach, hatten die Hyänen, die bislang zu Asifas Füßen geschlafen hatten, den Kopf gehoben und die Ohren gespitzt. Offensichtlich hatten sie etwas vernommen …
„Vorwärts!“ Draußen war das Knallen von Halefs Kurbatsch zu hören, gefolgt von einem Wehlaut, und dann stolperte ein Schwarzer ins Zelt, gefolgt von einem aufgebrachten Halef.
„Sihdi, ich bin hinausgegangen, um nach unseren Pferden zu schauen, als ich diese schwarze Kröte entdeckte, die offensichtlich eure Unterhaltung belauschte!“
„Nun, was hast du uns zu sagen?“, herrschte der Scheik den Mann an, der sich vor ihm auf die Knie geworfen hatte. Der schüttelte nur den Kopf und antwortete nicht. Der Scheik wiederholte seine Frage auf Türkisch, erntete aber wieder nur ein Kopfschütteln.
„Effendi, willst du es probieren?“, wandte er sich an mich.
Ich versuchte es mit einigen Dinka- und Nuba-Dialekten – ohne Erfolg. Schließlich kam mir ein schlimmer Verdacht und ich bedeutete dem Schwarzen, den Mund zu öffnen. Und meine Ahnung hatte mich nicht betrogen. „Man hat dem armen Kerl die Zunge herausgeschnitten. Und da er sicher nicht lesen und schreiben kann, können wir ihn nicht fragen, wer ihn geschickt hat. Durchsuch ihn, Halef!“
Schnell lagen die wenigen Habseligkeiten des Schwarzen vor uns auf dem Boden. Eine kleine Pfeife, ein schmieriger Geldbeutel mit wenigen Piastern, ein paar Datteln und eine kleine, silberne Tabakdose.
Neugierig öffnete Halef die Dose. „Sie trägt im Deckel ein hübsches Muster, ist aber so gut wie leer …“ Er steckte seine Nase hinein und schnüffelte. „Der Tabak riecht wie … hatschi!“ Er schnäuzte sich. „Sihdi, das ist kein gewöhnlicher Tabak! Dieses Zeug fährt einem wie ein Blitz durch die Nase ins Gehirn und wieder hinaus!“, staunte er.
Ich lachte. „Ja, ich kenne es, die Almani5 nennen es Schnupfpulver. Aber wie es hierhin in die Wüste kommt …“ Ich untersuchte die Dose genauer. „Kann es sein, dass dieser Heilkundige kein Ibn al-Arab6 ist?“
„Maschallah, Effendi, woher weißt du das?“, fragte der Scheik verblüfft. „Man munkelt, er sei Grieche!“
„Sieh her, das, was Halef für ein Muster gehalten hat, sind griechische Schriftzeichen. Sie bilden das Wort Alexandros, die griechische Form des arabischen Iskander.“
Asifa, die offenbar nichts von der Schwatzhaftigkeit vieler ihrer Geschlechtsgenossinnen hielt, hatte bisher schweigend zugehört. Nun lächelte sie und in ihren Augen glomm ein seltsames Feuer. „Ich denke, Scheik Achmed, wir sollten der Mawaaid dieses Vaters der Zyklopen morgen einen Besuch abstatten!“
Das Wadi Messuar war ein tief eingeschnittenes, weitgehend ausgetrocknetes Flussbett, das sich etwa zwei Kilometer weit in ostwestlicher Richtung erstreckte. Um eine kleine Senke, in der sich ein flacher See gesammelt hatte, drängten sich unter einem kleinen Hain aus Dattelpalmen und Olivenbäumen einige Lehmhäuser und zumeist ärmliche Zelte. Eines dieser Zelte war hingegen mit Troddeln und Wimpeln verziert und gehörte offenbar einem reichen Mann.
Während sich Neugierige und Bittsteller um den kostbaren Teppich drängten, auf dem der vorgebliche Heilkundige seine Audienz gab, hatte ich Zeit, ihn unauffällig zu betrachten. Iskander war ein fetter, kleiner Mann um die Vierzig. Er trug einen langen, blütenweißen Kaftan und einen roten Fes, unter dem ölige schwarze Locken hervorquollen. Seine eng zusammenstehenden Augen hatten einen stechenden Blick, und das ständige Lächeln, das um seinen vollen Mund spielte, wirkte falsch.
„Iskander gilt als großer Hekim“, flüsterte Asifa mir zu. Wir hatten verabredet,