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Auf phantastischen Pfaden


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bist du es, der mich zum Lügner macht. Denn erst am Ende meiner Tage, am Ende eines vollen Lebens wird sich zeigen, ob ich gelogen habe. Du bist also derjenige, der das, was schon ins Kitab eingetragen war, mein Lobpreisen zu Ehren Allahs, zunichte macht. Das kannst du doch nicht wollen?

      Doch der Wächter hörte gar nicht hin, sondern hielt sich die Ohren zu.

      Wäre es nicht gerechter, mich zurückzuschicken, damit ich die Zukunft erfülle, die Gewissheit gewiss werden lasse, statt mich hier unten verrotten zu lassen?, fuhr Halef fort.

      Oh, verflucht, unterbrach ihn da der Wächter, schlimm genug, dass ich dir in deinem Kopf zuhören muss. Aber du bist auch in dem meinen. Hör auf damit und mach, dass du davonkommst. Das Höllentor fiel mit einem lauten Krachen zu.

      So lässt du mich also in das Paradies eintreten?

      Nein, du Dummkopf, ich schicke dich wieder nach oben, damit du deine Zukunft erfüllen kannst.

      In dem Moment schloss sich auch das Tor zum Paradies wieder.

      Halef warf sich zu Boden. Hamdulillah, Preis sei Allah, rief er wieder und wieder.

      Sei endlich still!, rief der Wächter und legte den Arm über den Kopf, um seine Ohren zu schützen.

      Für eine Weile hing unser aller Schicksal in der Schwebe. Jeden Moment konnten wir einbrechen. Schritt für Schritt tasteten wir uns vor, bis wir wieder festen Untergrund unter den Füßen spürten. Dennoch fühlte ich keine Erleichterung. Im Gegenteil, ich hatte meinen treuen Diener im Stich gelassen und nun auch meine Reisegefährten mit in den Tod gerissen, denn wir hatten jegliche Orientierung verloren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir in der glühenden Sonne eines qualvollen Todes starben.

      Der Korbhändler drehte sich im Kreis und faselte von seinem Traum, nach dem nur ein Baum uns retten könne. „Mitten auf dem Schott“, rief ich, „denk doch mal nach: Wo soll denn hier ein Baum herkommen?“

      Omar schirmte mit der Hand die Augen ab und suchte den Horizont nach Markierungen oder anderen Reisenden ab. Nichts. Nichts außer Salz und Sonne.

      Nur noch eine Frage, sagte Halef, der Morgenluft witterte.

      Du versprichst: eine und keine mehr?, fragte der Wächter gequält. Halef nickte.

      Der Effendi und seine Gefährten haben womöglich den Weg aus den Augen verloren…

      Die Frage!

      Wie finden wir sicher über den Schott?

      Weiter nichts?

      Jetzt war es an Halef, den Kopf zu schütteln.

      Nicht grundlos heißt der Schott ‚See der Markierungen‘, erklärte der Hüne. Du folgst den Baumstämmen. Vier einzelnen Baumstämmen folgt ein Paar von Baumstümpfen, dann wieder vier einzelne im Abstand von 60 Schritt.

      Allah segne dich, o Herr, in deiner Güte und Weisheit … Mach, dass du verschwindest!

      Der Hüne packte Halef am Burnus und schleuderte ihn nach oben.

      Und in diesem Moment schoss Halefs Kopf durch das krustige Salz nach oben. Grelles Licht blendete seine Augen und für einen Augenblick glaubte er sich im Paradies oder doch zumindest auf dem Weg dorthin, als er eine rettende Hand spürte.

      Da entdeckte der Korbhändler einen Baumstumpf und lief ohne darüber nachzudenken darauf zu.

      Omar folgte ihm vorsichtig. „Sihdi, eine alte Wegmarkierung“, rief er, als er ihn erreichte.

      Keine zwei Armlängen von mir entfernt begann das Salzwasser zu brodeln, und ein Kopf schoss in die Höhe. Halef! Mein lieber kleiner, treuer, mutiger, tapferer Halef! Sogleich lief ich auf ihn zu und streckte beide Hände nach ihm aus.

      Ich glaube, in diesem Moment wäre es mir egal gewesen, wenn ich mit ihm versunken wäre. Ich zog ihn heraus, auf den festen Boden direkt neben dem Baumstamm.

      Halef prustete und hustete, und als er wieder sprechen konnte, deutete er auf die Markierung und sagte: „Wahrhaft, Effendi, du bist der größte Weise unter der Sonne Allahs, des Allmächtigen. Woher hast du von dieser Markierung gewusst?“

      Der Händler kniete fassungslos neben dem Baumstamm und betastete ihn, um sicherzugehen, dass es sich nicht um eine Fata Morgana handelte.

      Wir sollten noch einige Abenteuer durchstehen, bevor wir uns auf den Weg nach Mekka machten. Die Reise über den Schott jedoch verlief ohne weitere erwähnenswerte Ereignisse.

      Hans-Dieter Furrer

      Fata Morgana

      Um die Mittagszeit rasteten wir im Wadi Tarfaui im Schatten eines mächtigen Felsbrockens.

      „Sihdi, da drüben ist der Schott!“ Halef deutete nach Osten, in die Ebene hinaus, wo etwas glitzerte und glänzte wie flüssiges Blei.

      „Mein lieber Halef, von hier aus kann man den Schott el Dscherid noch nicht sehen. Es muss sich um eine Fata Morgana handeln, eine Sinnestäuschung. Du wirst sehen, der Salzsumpf wird sich, wenn wir ihn erreichen, in Luft aufgelöst haben.“

      Da es ohnehin meine Absicht war, das Wadi zu verlassen und nach Osten abzubiegen, ritten wir eine Stunde später direkt auf die Erscheinung zu. Doch je näher wir dieser glänzenden und gleißenden Luftspiegelung kamen, umso genauer konnte ich erkennen, dass es gar keine Fata Morgana war. Unzählige wannenförmige Spiegelflächen blitzten in langen Reihen vor uns im Sonnenlicht. Und kurz vor dem rätselhaften Spiegelfeld scheute mein kleiner Berberhengst, stellte sich auf die Hinterbeine und hätte mich beinahe abgeworfen.

      Auch Halef bekundete große Mühe, seine Stute zu beruhigen. „Was ist das, Sihdi? Ich glaube, wir sollten uns einen anderen Weg suchen.“

      Doch meine Neugier war geweckt, mein Entschluss gefasst. Ich stieg ab, riet Halef das Gleiche, und wir führten unsere unruhigen Pferde am Zügel weiter.

      Da! – Es fühlte sich an, als ob man durch einen unsichtbaren Vorhang aus Spinnweben treten würde. Ich blieb stehen und entdeckte die seltsamen Radspuren. Sie mussten von einem Gefährt mit breiten Rädern stammen, die regelmäßige Zackenmuster in den Sand gedrückt hatten.

      Halef machte große Augen. „Sihdi, kannst du diese Spuren lesen? Mir erscheinen sie wie die von Riesenschlangen aus der Dschehenna.“

      „Ich glaube nicht, dass uns diese Spuren geradewegs in die Hölle führen“, beruhigte ich meinen treuen Begleiter. „Doch wir werden ihnen folgen und herausfinden, wovon sie stammen.“

      Wir ritten dem Spiegelfeld entlang, und nach wenigen hundert Metern hatten wir das gesuchte Objekt vor uns, ein weiß lackiertes, mannhohes Ungetüm auf vier breiten Rädern, mit dunklen Fenstern und der Aufschrift SOLAR POWER BY DESERTEC.

      Was bedeutete das? Wir stiegen ab und näherten uns vorsichtig dem seltsamen Gefährt.

      „Was zum Teufel macht ihr hier?“ Ein großgewachsener Mann, ganz in weißes Tuch gekleidet, kam zwischen den Spiegelwannen auf uns zu. „Wie seid ihr überhaupt hier hereingekommen?“

      „Es selâm alejkum“, grüßte ich. „Mein Name ist Kara Ben Nemsi. Und das hier ist mein Begleiter Halef.“

      Der Mann starrte uns verwundert an. Unser Aufzug schien ihn zu verblüffen. Ich hatte meinen Henrystutzen und den schweren Bärentöter umgehängt und Halef seine langläufige Flinte.

      „Sie müssen dieses Werksgelände verlassen! Sie befinden sich hier im größten solarthermischen Kraftwerk der Sahara. Wir beliefern halb Europa mit elektrischem Strom.“ Ich musste ihn völlig verständnislos angeblickt haben. Er zog ein flaches, handtellergroßes Ding aus der Tasche und tippte kurz darauf herum. „Hier, schauen Sie!“

      Auf dem kleinen Gerät war eine farbige Landkarte zu sehen. Von der Sahara führte eine rote Linie durchs Mittelmeer und verzweigte sich in die Länder Europas. „Mit der Sonnenenergie betreiben wir Dampfturbinen, die elektrischen Strom erzeugen.“

      Fasziniert schaute ich auf