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Auf phantastischen Pfaden


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warm dabei ums Herz. Ich werde dich nicht enttäuschen, Sihdi, sagte er und spürte, wie sich das Lederkorsett um seine Brust lockerte und sein Atem wieder leichter ging. Mit der Luft strömte Hoffnung ein, und er nahm sich fest vor, den Weg tapfer und aufrecht bis zum Ende zu gehen, ganz gleich, was da noch kommen mochte.

      Ich richtete mich auf, als plötzlich der Boden zu schwanken schien. Wie auf einer Eisscholle trieb ich ein Stück nach links. Auch die Tiere bemerkten die Veränderung und begannen unruhig zu werden. Etwas bewegte sich im Untergrund, als ob ein riesiger Lindwurm seine Kreise unter uns zog, bereit, jederzeit zuzuschnappen.

      „Allah ïa Sahtir, o du Bewahrer, hilf uns!“, rief der Händler und warf sich auf die Knie. „Es geschieht genau wie in meinem Traum. Nur ein Baum kann uns jetzt noch retten.“

      „Ein Baum, bist du verrückt geworden?“ Omar deutete auf das gleißende Weiß um uns. Er hatte Mühe, die Tiere beieinanderzuhalten. Wenn wir nicht bald festeren Untergrund finden würden, wären auch wir verloren.

      Sie kamen an eine düstere Burg. In dem schummrigen Licht konnte Halef nur die Umrisse ausmachen. Zwischen zwei Toren stand ein Wächter mit gekreuzten Armen und einem Krummsäbel an der Seite. Er nickte Halefs Retter finster zu.

      Der verneigte sich und schickte sich an zu gehen. Halef lief ihm hinterher. Noch einmal würde er nicht die Hand seines Retters loslassen und erneut eisiges und zugleich in der Kehle brennendes Wasser einatmen.

      Doch der Wächter hielt ihn am Arm fest. Er deutete auf einen Teppich vor ihm.

      Solange du dich darauf befindest, passiert dir nichts, hörte Halef eine tiefe Stimme in seinem Kopf. Und jetzt erkläre mir, warum ich dich nicht zu den anderen schicken soll.

      Er stieß mit der Hand eines der Tore auf. Dahinter befand sich eine Höhle, in der eine dreiköpfige Bestie, eine Mischung aus Atlasbär und Schakal, an seinen Ketten rüttelte. Vor ihm lagen die zerrissenen Leiber anderer Opfer des Schott. Manche waren bereits bis auf die Knochen abgenagt, andere schienen erst vor Kurzem diesem Ungetüm zum Fraß vorgeworfen worden zu sein.

      Halef wusste keine Antwort auf die Frage des Wächters.

      Sollte das die Hölle sein? Aber wo befand sich dann Ssirath, die Brücke, die so schmal war wie die Klinge eines Schwertes, und das Kitab, das Buch der guten und der bösen Taten?

      Der Wächter schien seine Gedanken zu hören, denn er sagte: Das hier ist der Seiteneingang, und drückte mit seiner Pranke das zweite Tor einen Spaltbreit auf.

      Halef erblickte einen lieblichen Garten. Jasmin rankte sich an einem Holzgatter, in einem Brunnen plätscherte das Wasser, Palmen spendeten Schatten.

      Ist das Dschennet, das Paradies?, fragte Halef.

      So ist es, aber in deinem Fall ist wohl eher die Dschehennah, die Hölle hier links, angemessen, sagte der Wächter, und sein Lachen schepperte in Halefs Kopf.

      Halef fiel auf die Knie. Allah akbar, Gott ist groß, ja, ich habe gesündigt, gewiss habe ich dem einen oder anderen Dummkopf mehr Piaster abgeschwatzt als angemessen, aber das ist doch keine Sünde.

      Schweig!, donnerte es in seinem Schädel, und Halef presste die Hände gegen die Ohren.

      Als die Stimme des Wächters verhallt war, fragte er kleinlaut: Was also wirfst du mir vor?

      Du nennst dich Hadschi Halef Omar, sagte der Hüne. Ist es nicht so?

      Halef nickte.

      Wie der Vater und der Vater deines Vaters?

      Wiederum nickte Halef. Er wusste, was jetzt kam, doch er wagte nicht zu sprechen.

      Das ist auch gut so, sagte der Hüne in seinem Kopf, der offensichtlich Halefs Gedanken hören konnte.

      Was geschieht mit Lügnern und Heuchlern?, fragte der Wächter und Halef schwieg.

      Nicht einmal das weißt du?

      Der siebente Höllenkreis ist für die Lügner vorgesehen, flüsterte Halef.

      Wie bitte? Sag es laut, ich will es hören, tönte es in Halefs Kopf.

      Lügner und Heuchler brennen im siebenten und tiefsten Höllenkreis, sagte Halef.

      So ist es. Bist du also bereit, durch das linke Tor in den Vorhof der Hölle zu treten?

      Die Frage des Wächters erklang nun so laut in Halefs Kopf, dass er Angst hatte, sein Kopf werde bersten.

      Ich bitte dich, o Herr, mir noch so lange Atemluft zu schenken, bis ich dir meine Erklärung unterbreitet habe, sagte Halef. Dann werde ich mich willig durch das linke Tor begeben und mich dieser dreiköpfigen Bestie zum Fraß vorwerfen, und die abscheulichsten Kreaturen, die hier unten hausen, Würmer und Krebse und wer weiß noch welches Teufelsgetier, sollen sich an mir weiden, und ich werde es klaglos hinnehmen. Den schlimmsten Tod will ich willig ertragen und Allah dafür preisen, denn gerecht ist er, wenn du denn so entscheidest, nachdem du meine Rede empfangen hast.

      Der Hüne verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Halef misstrauisch.

      Nun gut, sagte er schließlich, du hast einen Versuch, mich davon zu überzeugen, dich nicht in die Hölle zu schicken. So lautet das Gesetz.

      Du Herrlicher, allah, allah maschallah – Gott tut Wunder, ihm sei Dank, ich danke dir für diese Gelegenheit.

      Der Hüne winkte ab. Komm zur Sache, ich habe nicht alle Ewigkeit.

      Es stimmt, o Herr, du sollst mein Richter sein, sagte Halef und warf sich auf die Knie. Ich habe die Hadsch nicht vollendet …

      Du gibst es also zu, eine Lüge. Der Wächter stieß das linke Tor weit auf, ein fauler Geruch nach Gerbstoffen und Gülle drang heraus. Er bedeutete Halef hindurchzutreten. Halef winkte mit beiden Händen ab.

      Keine Lüge, Effendi, keine Lüge, wenngleich mir bewusst ist, dass es an der Oberfläche wie eine aussehen könnte.

      An der Oberfläche, sagst du? Da bin ich ja gespannt. Aber fasse dich kurz. Meine Ohren sind langes Zuhören nicht mehr gewohnt.

      Suchend sah sich Halef nach etwas um, das ihm in dem dämmrigen Grün eine Hilfe sein könnte. Dann hatte er einen Einfall.

      Es ist wie der Schott el Dscherid, o Effendi, fuhr er fort. Von Weitem betrachtet sieht er aus wie ein großer, flacher und ausgetrockneter See. Eine Kruste aus Salz glitzert in der Sonne, der Wanderer macht sich dafür bereit, Schrunden an den nackten Füßen zu bekommen, sich vielleicht die Zehen aufzuschürfen …

      Du sollst dich kurz fassen, habe ich gesagt. Ich bin nicht von gestern. Er rieb sich die Ohrmuscheln, als schmerzten sie von Halefs Rede.

      Halef nickte eifrig.

      Unter diesem See, dem Schott, verbirgt sich eine ganze Welt, er beschrieb mit dem Arm einen Bogen, diese, deine Welt. Es ist ganz anders hier unten, als man sich das oben jemals vorstellen könnte. Genauso, mein Herr, verhält es sich mit meiner Pilgerfahrt.

      Der Wächter rollte mit den Augen und steckte sich einen Finger in das Ohr. Nachdem er ihn ein paar Mal hin- und hergedreht hatte, forderte er Halef auf, weiterzusprechen.

      Du bist doch hier schon eine Ewigkeit, Herr?

      Vom Anbeginn der Zeiten bis zu deren Ende.

      Es gibt also keine Zukunft und keine Vergangenheit wie für uns Sünder, habe ich Recht?

      Da magst du richtig liegen.

      Siehst du, so ist es mit meiner Pilgerreise. Es ist nicht so, dass ich sie nicht gemacht hätte.

      Sofort verfinsterte sich das Gesicht des Wächters. Willst du mich zum Narren halten? Komm zur Sache!

      Nein, o Herr, selbstverständlich nicht. Deine Weisheit ist unermesslich. Aber ich habe die Hadsch gemacht – in der Zukunft. Ich habe die Pilgerreise schon so oft in Gedanken durchgeführt, dass es mir zur Gewissheit wurde. Ich habe die Wahrheit gesagt, aber eine Wahrheit, die in der Zukunft spielt. Wenn du aber, o weiser, gnädiger, geduldiger Wächter dieser