Dr. Settles das Schnuppern. Er und sein Team bringen Hunden bei, einen speziell konstruierten Maulkorb zu tragen, geben ihnen dann gute Sachen zum Riechen und messen die Strömungsdynamik ihres Schnupperns.
Settles bezeichnet die Hundenase als klassisches „aerodynamisches Probeentnahmegerät variabler Formgebung“. Das „Probeentnahmegerät“ (die Nase) nähert sich einer Dunstwolke (Luft mit Geruch darin) und transferiert diese in seine innenliegende Sensorkammer (den Nasenhintergrund, wo die neurochemische Zauberei stattfindet).
Der Transfer geschieht über das Schnuppern. Als unsichtbare Methode zum Einsammeln unsichtbarer Gerüche wurde das Schnuppern lange heruntergespielt. Während das Sehen geschieht, indem Licht auf das Auge „trifft“, treffen außerdem beim Riechen die Gerüche nicht nur auf die Nase, sondern sie segeln geradewegs hinein. Genau deshalb, so vermuten wohl die meisten Menschen, können Gerüche sich auch so aufdringlich anfühlen. Denn wenn man lebt und atmet, kann man ja gar nicht anders, als zu riechen: Mit jedem Atemzug gelangt ein Schluck Luft in die Nase, der vermutlich verschiedene Gerüche mit sich trägt. Es stimmt, dass jeder nasengroße Schluck Luft mit Sicherheit riechbare Stoffe enthält. Es ist jedoch nicht zutreffend, dass das Riechen einfach nur dadurch geschieht, dass man lebendig ist und eine Nase hat. Wie sich herausstellt, muss man schnuppern, um zu riechen. Nicht einfach nur atmen, nicht einfach nur mit geöffneten Nasenlöchern dasitzen. In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, auf dem Höhepunkt der auf Selbstversuchen basierenden wissenschaftlichen Entdeckungen,* demonstrierte der Arzt Ernst Heinrich Weber, ein Gründer der modernen Experimentalpsychologie, als erster die Bedeutung des Schnupperns.
Weber legte sich auf den Rücken, ließ sich eine Lösung aus Wasser und Kölnisch Wasser in die Nasenlöcher gießen und wartete bewegungslos. Genau die Art von Experiment, für die es schwierig ist, viele Freiwillige zu finden! Was Weber herausfand, war: Das normalerweise üppig riechende Eau de Cologne war nicht wahrnehmbar. Er konnte es nicht riechen, wenn es einfach nur passiv in seine Nase eingeführt wurde.
Weber nahm deshalb eine mit Kölnisch Wasser gefüllte Nase auf sich, weil er die Frage klären wollte, ob Gerüche in flüchtiger Form vorliegen müssen oder ob man sie auch in Flüssigkeit wahrnehmen kann. Sein Wort war nicht das letzte, das hierzu gesprochen wurde. Hundert Jahre später erneuerten Forscher die Experimente zu den Riechmethoden: Einige wiederholten Webers Nasevoll-Versuch in Rückenlage, andere hielten Personen, die wie ein Trompeter durch ihre Lippen bliesen, starke Gerüche vor und wieder andere versuchten, schlafenden Menschen in der Schlafapnoe zwischen zwei Atemzügen Gerüche intravenös zu injizieren. Alle diese Studien hatten im Aufbau ein gemeinsames Element: Auf keinen Fall sollten die Probanden schnuppern. Die Ergebnisse? Keins der irritierten Subjekte nahm irgendeinen Geruch wahr. Beim normalen Atmen schafft es nur ein sehr kleiner Teil der Luft, die Sie einatmen, bis hinauf in denjenigen Teil der Nase, in dem die Zellen für Empfang und Weiterverarbeitung des Geruchs liegen. Man muss einfach energisch die Luft einschnuppern.
Also nur zu, schnuppern Sie mal! Schnuppern ist der inhalierende Teil eines Atemzugs (man schnuppert ein, aber nicht aus – dieser Teil wäre eher ein Schnauben), der oft zu hören ist, aber nur ein Minimum an Anstrengung erfordert. Es wird sicher unterschätzt wie viele unterschiedliche Arten von Schnuppern es im Tierreich gibt. Elefanten schnuppern kräftig, wobei sie ihren Rüssel über einem Geruch schweben lassen oder ihn zu einem „Periskop-Schnuppern“ in die Luft strecken. Wüstenrennmäuse schnuppern schnell und mit hin und her zitternder Nase; wohingegen Schildkröten ein zeitlupenartiges Erkundungsschnuppern zeigen, bei dem sie ihren Hals ausstrecken, sich mit ihren Köpfen nach unten orientieren und ihre Nasenlöcher weiten. Beim Ausatmen kann ein kleines Staubwölkchen entstehen. Der Neuguinea-Dingo „schnupf-schnüffelt“ gar, wenn er Beute wie zum Beispiel eine Wühlmaus verfolgt, die sich in einem Loch oder unter der Vegetation versteckt. Er bläst dabei kräftig durch die Nase aus, bevor er wieder ebenso kräftig einatmet.
Als die Caniden vor mehr als zehn Millionen Jahren zum ersten Mal auf der Bildfläche erschienen, wurde ihnen das Schnuppern durch die blasebalgartigen Lungen und eine vermutlich ziemlich simpel konstruierte Nase ermöglicht. Bei Fischen, Fröschen und Reptilien ist die Schnauze nur eine Höhlung, die es ermöglicht, dass Wasser und Luft direkt zu den Geruchszellen befördert werden. Was immer noch komplizierter ist als bei den Wirbellosen, von denen viele zwar eine Menge riechen, aber nicht, indem sie Gerüche einatmen. Wirbellose besitzen Geruchsdetektoren wie zum Beispiel Antennen außerhalb ihres Körpers, sodass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als sich direkt in die Geruchsquelle hinein zu begeben. Andere, wie etwa der Hummer, schicken ihr Sinnesorgan zum Schnüffeln vor; wieder andere riechen, indem sie einfach nur fliegen oder ihren Körper bewegen und sich so von der Luft oder vom Wasser treffen lassen.
Für Hunde ist diese grobe Methode jedoch nichts. Sie schnüffeln nicht nur mehrfach, in unterschiedlicher Frequenz und mit unterschiedlicher Absicht, sondern sie beherrschen auch eine geniale Art des Ausatmens, die sie beim Riechen unterstützt.
Settles entdeckte, wie Hunde schnüffeln, indem er das beobachtete, was er etwas wunderlich als „canide Nasenluftströme“ bezeichnet. Er rekrutierte eine Handvoll Familien- und Spürhunde und ließ diese zur Beobachtung und Aufzeichnung in sein Labor kommen. Darunter waren Golden Retriever, Airedale Terrier, Labradore und Deutsche Schäferhunde – alle möglichen Nasen, trainierte wie untrainierte. Die Wissenschaftler deponierten eine Auswahl verschiedener Geruchsgegenstände – sehr begehrtes Futter, einige nicht essbare Dinge und neuartige Gerüche, sogar ein bisschen Sprengstoff und den süßlichen Geruch von Marihuana – entweder direkt vor den Hunden oder in einer gewissen Entfernung. Die willigen Probanden begannen sofort zu schnüffeln, ohne dass man sie ein zweites Mal bitten musste. Die Familienhunde und die Spürhunde schnüffelten gleichermaßen, egal, ob man ihnen Hundefutter oder Hasch vorgesetzt hatte. Beide Gruppen zeigten zwei Arten des Schnüffelns. Wenn die riechende Substanz sich weit weg befand, außer Reichweite, zeigen Hunde ein „langes Schnüffeln“ – ein stark richtungsorientiertes, luftansaugendes Schnüffeln, das zwei Sekunden lang dauert. Beim langen Schnüffeln erweitern sich die Nasenöffnungen und die Alarfalte öffnet sich; das Maul kann leicht geöffnet sein. Rufen Sie sich das Bild eines majestätisch wirkenden großen Hundes vor Augen, der mit vorgereckter Brust auf einem Hügel steht und seine Nase in den Wind hält. Das ist der „Langschnüffler“. Diese Art des Schnüffelns ist oft die Anhäufung einer ganzen Reihe von Schnüfflern – viele schwächere Schnüffler werden von einem besonders kräftigen gekrönt. Ein in der Federwildjagd erfahrener Pointer konnte sogar ein besonders langes Schnüffeln beibehalten. „Sir Satan“ – der einzige der getesteten Hunde, der es sich gefallen ließ, dass ein Sensor in seiner Nasenöffnung befestigt wurde – konnte vierzig Sekunden am Stück durch seine Nase einatmen, während er einem vom Wind getragenen Geruch nachlief.
Befindet sich der Geruch dagegen in der Nähe und auf dem Boden, schnüffeln Hunde in kurzen Einheiten. Als erstes untersuchen sie die Oberfläche. Haben Sie je Ihren Hund dabei beobachtet, wie er mit der Nase im Gras nach einem Spielzeug sucht und es anscheinend nicht findet, obwohl er direkt darüber steht? Hier ist nicht etwa seine Nase defekt, sondern er verschafft sich lediglich eine Gesamtüber“sicht“ über das Gebiet, so wie wir eine Gegend mit den Augen absuchen würden. Typischerweise wird ein Hund mit der Nase voraus geradewegs auf das Spielzeug zugehen, über ihm innehalten, ein klein wenig schnaufend ausatmen und dann weitergehen. Für die anwesenden augenfixierten Zweibeiner mag es so aussehen, als ob der ungeschickte Hund das Spielzeug übersehen hätte, aber dem ist nicht so. Er kommt zu ihm zurück. Er überprüft einfach nur zuerst die Konzentration aller Gerüche in der Nähe, um so die Quelle des stärksten Geruchs zu finden – etwa so, als würden Sie sich erst einmal einen schnellen Gesamtblick über ein aufgebautes Buffet verschaffen, bevor sie sich für die belgische Waffeln entscheiden (die Sie vielleicht von vornherein schon haben wollten). Unterwegs macht der Hund viele kleine, kurze Schnüffler – etwa fünf bis zwölf pro Sekunde, jedenfalls genug, dass ich alleine schon bei der Vorstellung hyperventiliere. Das Schnüffeln findet ungefähr in der gleichen Frequenz statt wie das Hecheln (im Schnitt 5,3 Zungenbewegungen pro Sekunde). Das ist ein energieeffizienter Wert, was auch aufs Schnüffeln zutreffen könnte.
Der Hund saugt eine Luftmenge aus etwa zehn Zentimetern Entfernung an und atmet sie ein – das ist, was man die „Reichweite“ der