Alexandra Horowitz

Hund-Nase-Mensch


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wir nicht mit dieser Selbsterkennung zur Welt. Aber ab dem Alter von achtzehn Monaten wird ein Kind die Hand nach einem Aufkleber ausstrecken, den ein Erwachsener unbemerkt auf seinen Kopf geklebt hat, sobald es ihn im Spiegel entdeckt und damit den Test bestehen. Schimpansen bestehen den Test (mit Tintenklecks auf der Stirn), eine Elefantenkuh namens Happy bestand ihn (als man ihr mit Klebeband ein X oberhalb eines Auges aufklebte) und in Gefangenschaft lebende Delfine bestehen ihn (sie vollführen akrobatische Verrenkungen, um die Tintenflecken im Spiegel sehen zu können).

      Hunde tun es nicht. Stellen Sie sich einmal vor, Ihrem Hund einen Spiegel hinzuhalten, wenn sein Gesicht voller Aufkleber klebt. Er wird zweifellos Gleichgültigkeit ausdrücken. Was für uns albern aussieht, spielt für ihn keinerlei Rolle. Aber das ist nicht Beweis genug, um sagen zu können, dass Hunde den Test nicht bestehen und folglich kein Bewusstsein von sich selbst haben. Zum einen betreiben Hunde an sich selbst keine Fellpflege (wie Primaten) und zeigen wenig Interesse am Erhalt des eigenen guten Aussehens. Es ist also ganz einfach unwahrscheinlich, dass sie einen komischen Fleck auf ihrem Gesicht zu entfernen versuchen sollten. Außerdem sind sie nicht so visuell orientiert wie Primaten. Der Spiegeltest mag für manche Spezies angemessen sein, aber dieses Paradigma birgt Herausforderungen für Hunde, die wenig Interesse an Spiegeln zeigen.

      Es gibt einige wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Hunde trotzdem in der Lage sein könnten, einen solchen Test zu bestehen, wenn man nur eine Art geruchlichen Spiegel bauen könnte: Etwas, das so ähnlich riecht wie sie selbst, nur ein ganz klein wenig anders. Als der Wissenschaftler (und mein Kollege) Dr. Marc Bekoff einmal im Winter mit seinem Hund in den Hügeln von Colorado spazierenging, fragte er sich, ob eigentlich jeder „gelbe Fleck“ im Schnee gleichermaßen interessant für seinen Rüden Jethro war. Bekoff begann genau darauf zu achten, wo sein Hund pinkelte und wo er schnüffelte. Er trug sogar ein bisschen gelben Schnee an andere Stellen, um zu sehen, was dann passieren würde. Er fand heraus, dass Jethro es vermied, seinen eigenen Urin zu beschnüffeln, den anderer Hunde aber untersuchte: Eine Art in Schnee geschriebene Selbsterkennung. Jethro sah so aus, als ob er seinen eigenen Geruch erkennen würde, aber ich beschloss, diese Hypothese einem formalen Test zu unterwerfen. Ich wollte sehen, ob jeder Hund, der eine „Spiegelung“ von sich selbst riecht, denkt: „Das riecht wie ich.“

      Zu diesem Zweck machten mein Forschungslabor und ich uns an die Aufgabe, eine Art olfaktorischen Spiegel zu entwerfen. Anstatt der spiegelnden Oberfläche benutzten wir einen Geruch verströmenden Behälter. Wenn man in den Spiegel schaut, sieht man sich selbst. Wenn man den Behälter riecht, riecht man …sich selbst. Ich benutzte sowohl den Geruch des Hundes als auch ein bearbeitetes „Geruchsbild“ – einen veränderten oder „markierten“ Geruch. Wir stellten die Frage, ob Hunde den Unterschied erkennen und ob ihr markiertes Ich als interessanter zum Beschnüffeln finden würden.

      Und so kam es, dass wir Hundepipi zu sammeln begannen. In der Regel kommt man wahrscheinlich nicht unbedingt auf die Idee, Hundeurin zu sammeln, zu untersuchen oder ihn Hunden zu präsentieren. Aber Pipi ist eigenartig zentral in unserem Leben mit Hunden. Es ist nicht nur das große Kommunikationsmedium unter Hunden, sondern auch ein großer Teil der Hund-Mensch-Beziehung. Vielleicht leben Sie mit Ihrem Hund in einer Wohnung. Dann müssen Sie zweifellos mehrmals am Tag mit ihm spazieren oder zumindest kurz herausgehen, damit er draußen urinieren kann. Wenn Sie selbst arbeiten und tagsüber nicht nach Hause kommen können, um Ihren Hund herauszulassen, haben Sie vielleicht einen Hundesitter oder Dogwalker, der das für Sie erledigt. Wenn Sie in einem Haus leben, müssen Sie den Hund immer rechtzeitig ins Freie lassen oder ihm eine Möglichkeit schaffen, dass er selbst ins Freie gelangen kann.

      Mein eigenes Sozialleben als junge Erwachsene war zu einem großen Teil um die Tatsache herum arrangiert, dass ich immer wieder nach Hause musste, um meine Hündin Pumpernickel zum Pinkeln herauszulassen. Natürlich wollte ich ihr auch die Gesellschaft und Bewegung verschaffen, die sie als meine treue und bettwärmende Gefährtin brauchte und verdiente. Aber ganz klar ging es bei vielen dieser Herauslass-Besuche nur um Urin.

      Anschließend lassen wir den Hundeurin natürlich, wo er ist.

      Bis wir beginnen, uns unter Hundebäuche zu beugen, sobald sie sich hinhocken oder um ein gehobenes Bein fassen, um einen kleinen Becher in Richtung des gelben Stroms zu halten. Dann fangen wir an, ihn zu sammeln.

      Und genau das taten wir. Denn wenn Hundeurin so wichtig für Hunde ist, dann ist er es auch für Hundewissenschaftler.

      Für einen Hundebesitzer, der es gewohnt ist, die noch warmen, weichen Häufchen seines Schützlings per Hand aufzusammeln, nur mit einer hauchdünnen Plastikfolie zwischen Haut und Kot, ist das Sammeln von Urin ein Kinderspiel. Trotzdem müssen sowohl Mensch als auch Hund sich erst in gewissem Maße daran gewöhnen. Zusammen mit meiner Laborleiterin Julie, die eine regelrechte Vorliebe für diese Aufgabe entwickelte, entwarf ich ein methodisches Vorgehen dafür. Finnegan war unser Versuchsobjekt. Wir gingen zusammen spazieren und beobachteten ihn beide unterwegs mit Argusaugen. Er schien sich nichts daraus zu machen, dass Julie Latexhandschuhe trug und einen sterilen Plastikbecher mit orangem Deckel mit sich trug. Als Finns Besitzerin, die ihn auf Tausenden von Gassigängen begleitet hatte, konnte ich mit absoluter Treffsicherheit erkennen, wann er gleich pinkeln würde. Ich vermute, dass jeder Hundebesitzer einen seltsamen Schatz an Wissen darüber hegt, welche Verhaltensweisen ein baldiges Lösen des Vierbeiners voraussagen. Wenn ich also sah, dass Finnegan ansetzte, hob ich meine Augenbrauen zu Julie, die daraufhin den Becher mitten unter den Strahl hielt. Erwischt.

      Im Laufe unserer Arbeit kamen Überlegungen auf, die wir uns zuvor nie hätten vorstellen können. Als erstes mussten wir eine Strategie finden, wie man am besten einen Plastikbecher unter einen Hund hält, ohne dass sich der Hund über eine Person erschreckt, die eben einen Plastikbecher unter seinen Bauch hält. Manche Hunde wurden darüber störrisch und entwickelten, obwohl sie ihr Pipi jahrelang freigiebig verteilt hatten, plötzlich merkwürdige Eigentumsansprüche. Oder aber, was wahrscheinlicher ist, der menschliche Arm befand sich einfach ungeschickt dicht an ihren privaten Teilen.

      Dann mussten wir festlegen, wie viel Urin eine ausreichende Menge war, um gerochen zu werden. Im ersten Durchgang überschätzten wir uns völlig: Ein kleiner, mit Pipi befeuchteter Wattebausch. Ich rief Finnegan zu mir heran und zeigte ihm denselben in meiner behandschuhten Hand. Er kam direkt zu mir gelaufen, aber seine Reaktion bei Ankunft war schnell und eindeutig. Haben Sie je einen Ekelausdruck im Gesicht eines Hundes gesehen? Er hatte ein wunderbar klares Urteil gefällt.

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      Schließlich bekamen wir die Proportionen richtig hin (bis auf winzig kleine Urinanteile heruntergeschraubt) und rekrutierten außerdem Hundebesitzer, die „Materialsammlungen“ für uns durchzuführen. Als diese an unserem Versuchsort eintrafen, stellten wir die erste Musterprobe zusammen: eine ganz winzige Menge Pipi des jeweiligen Hundes in einem verschlossenen Behälter mit Luftlöchern im Deckel. Eine zweite Probe enthielt zusätzlich ein kleines Fetzchen totes Gewebe von einem verstorbenen Hund (eigens postmortem in der Tierklinik einer veterinärmedizinischen Fakultät erworben). Andere Gefäße enthielten den Urin eines fremden oder eines befreundeten Hundes. Die Behälter wurden paarig angeordnet und dann in einem Raum ausgelegt, wobei es keine weiteren sichtbaren Hinweise darauf gab, dass jemand oder etwas hier gewesen war. Würden die Hunde diese Gerüche gleich „riechbar“ finden?

      Sechsunddreißig wedelnde, hochkooperative Hunde und deren Besitzer nahmen an diesem für uns äußerst schrägen Experiment teil. Wir besitzen Filmaufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln, auf denen man jedes Zucken einer Nasenöffnung und jede vor Überraschung oder Alarmierung hochgezogene Augenbraue sieht. Wir zeichneten auf, wo die Hunde schnüffelten, wie lange sie schnüffelten und wie oft sie zurückkamen, um den Geruch nochmals zu überprüfen. Das Ergebnis: Die Hunde bestanden den Test. Unsere Subjekte verbrachten weitaus mehr Zeit mit dem Beschnüffeln ihres eigenen geruchlichen „Spiegelbilds“, wenn es markiert worden war – so, als ob man besonders oft in den Spiegel schaut, weil man irgendetwas Komisches zwischen den Zähnen hat. Sie schauten (rochen) sich selbst an, um sicher zu gehen, aber nicht so oft wie dann, wenn an ihrem Geruch noch irgendetwas anderes war. Auch die Gerüche anderer Hunde wurden stark beschnüffelt: So, als ob eine andere