Alexandra Horowitz

Hund-Nase-Mensch


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in die hinteren Nasenbereiche gelangt. Sie muss erst für die höfische Präsentation zurechtgemacht werden, denn sie wird in den hinteren Gemächern auf königliche Neuronen treffen, die einen direkten Draht zum Gehirn haben.

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      „Aha, Sie wurden also von einer Nasenöffnung gefangen,“ sagt Craven, während er Sie, die Sie sich unerschrocken auf dem Geruchsmolekül festklammern, durch das Innere der Schnauze geleitet. „Ganz schön stürmisch hier im Empfangsraum.“ Der Hund zieht die Geruchsteilchen mit Hilfe seiner Lunge in die Nasenhöhle, wo die Luft turbulent und chaotisch ist. Und dann treffen wir auf eine Gabelung in der Nase. Eingeatmete Luft kann nun einen von zwei Wegen nehmen: Den Atem- oder den Schnüffelweg. Wenn Sie den Atemweg nehmen, werden Sie angewärmt und befeuchtet und reisen zur Lunge weiter. Aber falls Sie zu Riechzwecken von einem Hund aufgeschnuppert wurden, reisen Sie eine ganz andere Route entlang, und zwar auf einer Schnellstraße in Richtung Geruchszentrum. Ein Luftstrom schwirrt einen verschlungenen, turbulenten Pfad entlang, vorbei an einer Reihe dünner, gebogener Knochen, den Nasenmuscheln, entlang, die im Querschnitt einem großen, auf kleinen Raum zusammengefalteten Gehirn ähneln. Auch die Nasenmuscheln sind Teil des Reinigungssystems. Weiter hinten sind einige von ihnen außerdem auch mit Gewebe bedeckt, das beim Riechen hilft. Die Muscheln bilden die achterbahnähnlichen Strecken, die der Geruch auf seiner Schnüffelreise entlangfegt.

      Da die Luft entlang der Geruchsstraße nur in Einbahnrichtung verkehrt (Gerüche werden dann entweder über die spezielle Atemroute ausgeatmet oder von Enzymen zerlegt), können Hunde etwas ganz besonders Irres mit ihren Nasen anstellen: Sie können ankommende Gerüche in Gruppen sortieren. Manche Gerüche werden leichter absorbiert als andere, was bedeutet, dass sie schon früher auf ihrem Weg durch die Nase von den Sinneszellen festgehalten werden. So fanden Forscher zum Beispiel heraus, dass ein Bestandteil des Sprengstoffs TNT, nämlich DNT, leichter als andere Gerüche aufgegabelt wird, was der Grund dafür sein könnte, dass Suchhunde ihn offensichtlich mit Leichtigkeit finden können. Er ist stärker löslich, löst sich also schon früher in der Nase als beispielsweise ein Molekül wie Amylacetat (riecht nach Banane), welches wiederum stärker löslich ist als Limonen (riecht nach Zitronen), das es bis ganz nach hinten zum Seitenventrikel (Recessus olfactorius) schafft, bevor es in die Schleimhaut absorbiert wird und einen Rezeptor findet, an den es sich binden kann. Wir verlangen ja eher selten von Hunden, dass sie Bananen für uns aufspüren, aber wir könnten es ohne weiteres tun.*

      Dank der Anordnung der verschiedenen Sinnesrezeptoren in der Nase kann ein Hund mit der Identifizierung und Unterscheidung von Gerüchen schon in seiner Nase beginnen, bevor das Gehirn überhaupt beteiligt wird.

      Gegen Ende des Kanals wird der Geruch plötzlich abgebremst. Hier sind die Muschelknochen mit Riechschleimhaut bekleidet, einem bräunlichen Gewebe, das die Sinneszellen beherbergt, welche die Gerüche aus der Luft fangen und in dem die magische Verwandlung von „Geruch“ zu „Geruch, den man riecht“ beginnt.

      „Dann,“ so warnt mich Craven, „werden Sie irgendwann von dem Schleim, der diese Luftwege auskleidet, entweder niedergeschlagen oder absorbiert, und Sie werden sich langsam auflösen.“ Was nicht so grausam ist, wie es sich anhört. Eine dünne Beschichtung, etwa zehn Mikrometer stark, bildet den Übergang von der Außenluft zu den inneren Nervenzellen. Der Geruch, auf dem Sie sitzen, wird innerhalb einer Zehntelsekunde durch die Schleimhaut wandern, was etwa auch die Zeit ist, die ein Schnüffler vom Naseneingang bis in den hinteren Nasenbereich benötigt. Aber für den Moment können Sie sich erst einmal entspannen.

       Eine Nische für Gerüche

      Sie sind in der Sackgasse der Hundenase angekommen, im Recessus olfactorius. Dies ist der am weitesten hinten gelegene Teil der Nase, der sich von einem Punkt zwischen den Augen aus gesehen etwas mehr als einen Zentimeter tief im Schädel befindet. Im Recessus olfactorius können Gerüche herumhängen und eine Sinneszelle zu finden versuchen, an die sich ankuscheln und mit ihr etliche Runden Ein- und Ausatmen drehen können. Hunde bekommen die Gelegenheit, wirklich ausgiebig über die Gerüche nachzudenken, die sie eingeschnuppert haben, bevor die Luft wieder nach draußen entwischt.

      Der Recessus ist, genau wie einige Knochen auf dem Weg zu ihm, mit der zuvor schon erwähnten Riechschleimhaut ausgekleidet. Wenn es in Zeitungsartikeln heißt, dass der Geruchssinn von Hunden zehntausend Mal, gar eine Million Mal oder was-weiß-ich um welchen Zehnerexponenten besser ist als der von Menschen, ist eins der am häufigsten zitierten anatomischen Beweisstücke die Größe der Riechschleimhaut, also der Platz in der Nase, der auf das Riechen von Gerüchen spezialisierte Sinneszellen enthält. Auch wenn solche Vergleichszahlen immer etwas suspekt (und für unterschiedliche Gerüche auch immer sehr variabel) sind, sind Hunde auf jeden Fall erheblich besser mit olfaktorischen Sinneszellen ausgestattet als Menschen. Wenn man die Riechschleimhaut eines Hundes außen über seinen Körper ausbreiten würde, würde er diesen vollständig abdecken. Bei uns Menschen würde die Riechschleimhaut in etwa ein Muttermal auf unserer linken Schulter abdecken.

      Die Riechschleimhaut ist von einer dicken Matte aus Zilien bedeckt, das sind kleine, haarähnliche Ästchen, die aus den Sinneszellen herausragen. Aus jedem Nerv sprießen ein paar Dutzend Zilien, und jede ist von Dutzenden von Proteinen umhüllt, die man olfaktorische Rezeptorzellen nennt. Rezeptoren tun das, wonach sich ihr Name anhört: sie nehmen Gerüche in Empfang. Um das zu tun, stehen sie sorglos und ungestört mitten in der schleimigen Umgebung der Nase herum und sind perfekt dafür gemacht, auf einem Schnüffler vorbeikommende Geruchsmoleküle aus der Luft zu fangen.

      Hunde können in jeglicher Hinsicht mehr Riechbares in ihre Nasen packen: sie haben viele Zilien auf jeder Nervenzelle und auf jeder Zilie mehr Rezeptoren als Menschen. Tatsächlich hat sogar jeder Hund Hunderte von Millionen mehr Zellen, die zum Entschlüsseln von Gerüchen gemacht sind, als wir Menschen. Hunde haben je nach Rasse zwischen zweihundert Millionen bis eine Milliarde Rezeptorzellen in ihren Nasen, wir dagegen zum Vergleich rund sechs Millionen. Im Fall des Hundes ermöglicht mehr Nasenmasse aber auch mehr verschiedene Rezeptoren, nämlich über achthundert, die einfach mehr Informationen über die Gerüche entschlüsseln können.

      Diese Zahl – achthundert und irgendwas – lässt die Wissenschaftler einen Moment verstummen. Das Auge, Beförderungsmittel beispielsweise des brillanten Bildes eines dramatischen Sonnenuntergangs hinter Gewitterwolken, benutzt gerade einmal drei Rezeptoren, um diese farbenprächtige Szene in unseren Köpfen zu erschaffen. Mit achthundert Rezeptoren mehr sind die Möglichkeiten für Geruchslandschaften schlicht atemberaubend. Die Zahl der Gerüche, die Hunde entschlüsseln können, könnte theoretisch „Milliarden“ betragen, schreibt Dr. Stuart Firestein, Gerüche untersuchender Neurowissenschaftler an der Universität von Columbia. Aber „im Grunde ist diese Frage vermutlich nicht relevant, genauso wie es kaum sinnvoll ist, zu fragen, wie viele Farben oder Farbschattierungen wir sehen können.“

      Auch wenn Gerüche auf ihren Rezeptoren landen, sind sie immer noch undercover. Die Nase weiß nicht, wer sie sind. Es gibt nicht etwa so etwas wie einen „Käserezeptor“, der von Antje aus Holland aktiviert wird und die Nase meines Hundes in Richtung Küchenarbeitsplatte steuert. Und es gibt auch keinen „Eichhörnchenkadaver-Rezeptor“, trotz des großen Eifers, den Hunde an den Tag legen, um die Überreste eines glücklosen Eichhörnchens im Park zu finden. Jeder Geruch aktiviert einfach viele Rezeptoren; es gibt nicht einen Rezeptor für jeden Geruch.

      Auch wenn man die Mittel und Wege der Geruchsrezeption noch nicht abschließend erforscht hat, so benutzt doch die am meisten verbreitete Theorie dazu, wie das vonstattengeht, das Sinnbild von Schlüssel und Schlüsselloch. Nach diesem Modell sind die Rezeptoren die Schlüssellöcher beziehungsweise Schlösser verschiedener Formen und Größen, während die verschiedenen Moleküle, aus denen Gerüche bestehen, die Schlüssel sind. Eine verwandte Theorie besagt, dass die Rezeption von Gerüchen weniger spezifisch ist als ein Schlüssel im Schloss, sondern eher an einen Schlüssel in einer Tasche erinnert, in der mehrere verschieden geformte Schlüssel sich an einen Rezeptor binden und ihn zum Losfeuern von Signalen bringen können. Wie passend für Hunde, diese alten Taschenschnüffler.

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